Neues Einwanderungsrecht – neue Diskriminierungen

Herr und Frau C. kamen 2009 aus Rumänien nach Deutschland. Sie kamen mit ihren zwei kleinen Enkelkindern, deren Eltern beide bei einem Unfall ums Leben kamen.

Eine kleine Einwanderungsgeschichte

Herr C war Elektriker, fand aber keine Anstellung, vor allem, da Rumänien damals noch nicht EU-Mitglied war. Es gab zwar Arbeitgeber, die ihn eingestellt hätten, die mussten die Stelle aber zunächst einem Deutschen anbieten. Frau C. hatte an der Uni Bukarest als Angestellte gearbeitet. Sie fand auch keine Arbeit. Die ersten Jahre kamen sie mit Hilfe von Verwandten über die Runden. Herr C. machte sich nach drei Jahren mit viel Bauchschmerzen selbständig und bot haushaltsnahe Dienstleistungen an, vor allem Gartenpflege. Frau C beschloss, in einer Einrichtung der Behindertenhilfe eine Bundesfreiwilligendienststelle anzunehmen. Nach Beendigung des Bufdis wurde sie als Ungelernte eingestellt. Herr und Frau C. konnten mittlerweile eine Wohnung bezahlen, ihre Enkel gingen regulär zur Schule, in den Fußballverein und machen dieses Jahr Abitur. In der ganzen Zeit bezogen sie vom deutschen Staat ausschließlich Kindergeld. Herr C hatte schon in Rumänien deutsch gelernt, Frau C. holte dies in Deutschland in Integrationskursen nach.

Einbürgerung

Ab 2018 bemühten sie sich um die Einbürgerung. Es gab eine Menge Unterlagen, die sie beibringen mussten, vieles auf rumänisch. Die Ausländerbehörde verlangte dafür beglaubigte Übersetzungen. Allein für die Übersetzungen und beglubigten Kopien gaben sie etwa 500 Euro aus.

Endlich hatten sie alles zusammen und schickten es an die Behörde. Dann verging eine lange Zeit, in der sie nichts hörten. Bei der ersten Nachfrage sagte man ihnen, die Bearbeitung dauere halt lange. Danach trauten sie sich nicht mehr nachzufragen, um die „Sachbearbeiter nicht zu verärgern“.

Antrag verschwunden

Als aber 2022 immer noch keine Antowrt kam, fassten sie sich ein Herz und fragten nach dem Stand der Dinge. Sie bekamen zu hören, dass ein Antrag auf Einbürgerung niemals eingegangen sei. Wenn sie eingebürgert werden wollten, müssten sie alles noch mal schicken. Was mit den Unterlagen passiert ist, ist nicht mehr zu klären. Ehepaar C. ist sich sicher, dass die sie geschickt haben, die Behörde besteht darauf, sie habe nichts bekommen.

SGB XII -Bezug

Was aber noch viel gravierender ist: Herr und Frau C. waren mittlerweile Rentner. Beide bekommen eine mickrige Rente aus Rumänien, Frau C. noch ein paar Euro aus ihrer Tätigkeit in Deutschland, insgesamt reicht alles nicht zum Leben. Daher bentragten sie Grundsicherung und bekommen sie mittlerweile auch. Damit ist aber eine Einbürgerung gefährdet.

Denn im § 10 des Staatsbürgerschaftsrechts heißt es: „Anspruch auf Staatsbürgerschaft besteht, wenn man den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann.“ Hoffnung macht allein der Zusatz „oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat“. Immerhin bezogen sie zum Zeitpunkt der Antragstellung keine staatlichen Leistungen. Und jetzt – wenn das nicht zählt, weil die Unterlagen verschwunden sind -, könnte man immerhin argumentieren, dass sie nichts für die geringe Rente aus Rumänien können.

Neues Einwanderungsrecht

Nun gibt es aber das neue Einwanderungsrecht, wozu das BMI einen Referentenentwurf vorgelegt hat. Es enthält einige längst überfällige Verbesserungen bei der Einbürgerung, vor allem die regelmäßige Verkürzung der Voraufenthaltszeit von acht auf fünf Jahre und die Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit.
Allerdings enthält der Entwurf auch einige drastische Verschärfungen. So soll die oben erwänte Ausnahme bei „unverschuldetem Leistungsbezug“ weitgehend gestrichen werden.

Härtefälle abgeschafft

Sie soll künftig nur noch für Personen aus der ersten BRD-„Gastarbeiterinnen“- oder DDR-Vertragsarbeiterinnen-Generation gelten. Ansonsten soll man trotz SGB-II / SGB XII-Bezugs nur noch dann einen Anspruch auf Einbürgerung haben, wenn man in den letzten zwei Jahren 20 Monate in Vollzeit erwerbstätig war und weiterhin ist, oder der Ehegatte diese Voraussetzung erfüllt und man ein minderjähriges Kind hat. Weitere Ausnahmen sind nicht vorgesehen.

Stellungnahme der GGUA

Dazu schreibt Claudius Vogt von der GGUA (Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender), veröffentlicht von tacheles e.V.:

Bei dieser Verschärfung habe sich die neoliberale Logik der FDP auf ganzer Linie durchgesetzt. Sie führe dazu, dass all diejenigen, die nicht Vollzeit arbeiten (können) und ergänzende Leistungen vom Jobcenter oder Sozialamt benötigen, vom Einbürgerungsanspruch ausgeschlossen werden.

Das könnten zum Beispiel sein:

  • Rentnerinnen mit normaler oder geringer Rente und aufstockendem Grundsicherungsanspruch,
  • Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht oder nur eingeschränkt erwerbsfähig sind,
  • Menschen mit Behinderung, die in stationären Einrichtungen leben und ihren Lebensunterhalt über das SGB XII vom Sozialamt erhalten,
  • Alleinerziehende, die aufgrund der Kinderbetreuung nicht (Vollzeit) arbeiten können und bei denen Unterhaltsvorschuss, Kinderzuschlag, Kindergeld und Wohngeld nicht ausreichen,
  • pflegende Angehörige, die nicht Vollzeit arbeiten können und deshalb Bürgergeld beziehen,
  • Schüler*innen, die ergänzende SGB-II-Leistungen erhalten,
  • Menschen, die unverschuldet arbeitslos geworden sind und ergänzend zum Arbeitslosengeld I noch SGB-II-Leistungen beziehen.

Nicht realitätsgerecht und diskrimnierend

Den Realitäten auf dem prekären Arbeitsmarkt mit Teilzeitbeschäftigungen und befristeten Verträgen werde diese Änderung also nicht ansatzweise gerecht. Die geplante Verschärfung stelle eine mittelbare Diskriminierung von älteren Menschen, Menschen mit Behinderung, Alleinerziehenden (Frauen), pflegenden Angehörigen, Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen dar.

Gefordert wird daher, dass an der ursprünglichen Regelung in § 10 Abs 1 Nr.3 StaG festgehalten wird.

Quellen: BMI, Tacheles e.V., FOKUS-Sozialrecht

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