Bei der Prüfung, ob eine Wohnung nach dem SGB II angemessen ist, muss das Jobcenter jeden Einzelfall prüfen. Das Bundessozialgericht hatte schon 2006 ein dreistufiges Prüfungsschema aufgestellt:
- Prüfung der Wohnungsgröße
- Prüfung des Wohnstandards
- Prüfung des örtlichen Wohnungsmarktes
Familiäre Besonderheiten
Nun wird in einem Urteil des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen klargestellt, dass auch eine Prüfung der familiären Besonderheiten angebracht ist.
Das LSG hat am 23.10.2023 entschieden, dass das Jobcenter bei besonders schwer verfügbaren, behindertengerechten Wohnungen auch Kosten oberhalb der Angemessenheitsgrenze übernehmen muss.
Zugrunde lag das Eilverfahren einer alleinstehenden Frau (geb. 1976) aus Bremen. Sie hat fünf Kinder im Alter von 9 bis 22 Jahren. Der älteste Sohn ist schwerbehindert und auf einen Rollstuhl angewiesen. Bisher lebt die Familie in einer 83 m³ großen Vier-Zimmer-Wohnung im 1. Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses. Um die Wohnung zu verlassen, muss der Sohn durch das Treppenhaus getragen werden.
Kosten über der Angemessenheitsgrenze…
Nach langer Suche fand die Familie schließlich eine barrierefreie Wohnung in passender Größe. Die Zentrale Fachstelle Wohnen befürwortete die Anmietung. Das Jobcenter Bremen lehnte eine Zusicherung der Mietübernahme jedoch ab, da die Miete auch nach einem Preisnachlass (1.425,60 €) immer noch über der Angemessenheitsgrenze (1.353,00 €) lag. Außerdem verwies es darauf, dass die Mutter in der Vergangenheit eine andere geeignete Wohnung abgelehnt habe.
…aber hier nicht unangemessen
Das LSG hat das Jobcenter zur Erteilung der Zusicherung verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die höheren Kosten aufgrund der familiären Besonderheiten nicht unangemessen seien. Der Zugang zum Wohnungsmarkt sei für Menschen mit Behinderung ohnehin erschwert. Hinzu komme das geringe Angebot für größere Personenzahlen. Die Chancen einer sechsköpfigen Familie, künftig eine andere rollstuhlgerechte Wohnung zu finden, seien damit sehr gering – dies habe die Zentrale Fachstelle Wohnen ausdrücklich bestätigt. Ferner müsse der schwerbehinderte Sohn nicht deshalb in einer ungeeigneten Wohnung bleiben, weil seine Mutter es in der Vergangenheit ggf. an ausreichenden Bemühungen bei der Wohnungssuche habe fehlen lassen.
Quellen: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13. Oktober 2023, L 13 AS 185/23 B ER, SOLEX
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