Ombudstellen

Das Wort Ombud ist abgeleitet von dem altnordischen Begriff für ‚Auftrag‘ oder ‚Vollmacht‘. Ein Ombudsmann bzw. Ombudsfrau oder Ombudsperson erfüllt die Aufgabe einer unparteiischen Schiedsperson. In Deutschland gibt es mit den ‚Beauftragten‘ (Wehrbeauftragter, Gleichstellungsbeauftragter, Behindertenbeauftragter) schon mehrere bei der Bundes-, oder Landesregierung oder kommunalen Verwaltungen angesiedelte Stellen, deren Aufgabe als Vermittler zwischen Bürger*innen und Staat den Ombudspersonen ähnelt.

Ombudsstellen in der Kinder- und Jugendhilfe

§ 9a SGB VIII

Mit dem Inkrafttreten des Kinderjugendstärkungsgesetz (KJSG) am 10. Juni 2021 ist erstmals die verbindliche Einrichtung von unabhängigen, fachlich nicht weisungsgebundenen Ombudsstellen durch die Länder gesetzlich geregelt.

Zu finden sind die Ombudsstellen über das „Bundesnetzwerk Ombudschaft Kinder- und Jugendhilfe“. Dort findet man die Ombudsstellen der Budesländer.

Entwicklung

Initiativen zur ombudschaftlichen Beratung und Unterstützung, die seit einigen Jahren die herkömmlichen Beratungs- und Unterstützungsangebote der Kinder- und Jugendhilfe ergänzen, sind aus dem wachsenden Bewusstsein entstanden, dass die Kinder- und Jugendhilfe in besonderer Weise von einer strukturellen Machtasymmetrie zwischen professionellen Helfern und Hilfe- bzw. Leistungsempfängern geprägt ist.

Die erste Ombudsstelle, Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe e.V., wurde 2002 gegründet; in den folgenden Jahren entstanden weitere Ombudsstellen und Initiativen mit dem Ziel Betroffene in der Sicherstellung ihrer Rechte zu unterstützen. Anlass für diese Entwicklung, insbesondere in Berlin, waren die drastischen Kürzungen öffentlicher Ausgaben in der Kinder- und Jugendhilfe, die dazu führten, dass es Personensorgeberechtigten (Anspruchsberechtigte bei Hilfen zur Erziehung) und jungen Volljährigen sehr schwer gemacht oder gar verwehrt wurde, ihren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB VIII zu realisieren.

Schwerpunkte

In der Arbeit der Beschwerde- und Ombudsstellen in der Jugendhilfe sind heute zwei Schwerpunkte zu beobachten:

  1. die Unterstützung der Ratsuchenden zur Sicherstellung ihrer Rechte bei der Leistungsgewährung durch ein Jugendamt und
  2. die Unterstützung während der Leistungserbringung durch einen Träger der freien Jugendhilfe.

Die Ombudsstellen dienen als Anlaufstellen für junge Menschen und ihre Familien zur Vermittlung und Klärung von Konflikten im Kontext sämtlicher Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe. Zum Aufgabenprofil der Ombudsstellen gehört die Beratung junger Menschen und ihrer Familien im Kontext der Vermittlung und Klärung von Konflikten zwischen Leistungsträgern und Leistungsempfängern, nicht jedoch die allgemeine Beratung.

Vorgaben

Die Länder sind verpflichtet – vorbehaltlich Artikel 84 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz (Bundesaufsicht bei landeseigener Verwaltung) – zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Infrastruktur Ombudsstellen einzurichten. Dabei ist zu gewährleisten, dass im Hinblick auf den Gesamtbestand und die jeweilige Ausstattung ausreichend Ombudsstellen zur Verfügung stehen, um den Bedarf junger Menschen und ihrer Familien nach ombudsschaftlicher Beratung und Unterstützung zu befriedigen.

Unabgängig – nicht weisungsgebunden

Ombudsstellen müssen unabhängig arbeiten und dürfen fachlich nicht weisungsgebunden sein, damit die mit der verbindlichen Einrichtung von Ombudsstellen intendierte Stärkung unterstützender Strukturen zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien realisiert werden kann. Nur dann ist ein niedrigschwelliger Zugang für die betroffenen Eltern, Kinder und Jugendlichen sichergestellt und kann eine für die Beratung, Unterstützung und Aufarbeitung häufig sehr komplexer Fallkonstellationen notwendige Vertrauensbasis und Akzeptanz entstehen.

Verpflichtung der Länder

Die Verpflichtung zur Errichtung einer zentralen Ombudsstelle wird in § 9a Satz 4 SGB VIII bei den Ländern geregelt, die nun gefordert sind, bedarfsgerecht regionale Ombudsstellen einzurichten. Gleichzeitig ermöglicht der Landesvorbehalt, dass schon bestehende „ombudschaftliche“ Strukturen erhalten bzw. weiterentwickelt werden können. Für den Aufbau der Ombudsstellen wird ein Erfüllungsaufwand von 108 Tsd. Euro veranschlagt, für den Unterhalt der Ombudsstellen auf regionaler Ebene wird ein jährlicher Aufwand von 26 Mio. Euro geschätzt (Drs. 19/26107, S. 61).

Quellen: Bundestag, SOLEX, Walhalla Fachredaktion Kinder- und Jugendstärkungsgesetz: Weiterentwicklung des SGB VIII

Abbildung: AdobeStock_267918909.jpeg

SGB VIII-Reform verabschiedet

Die Reform der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) hat es nach der Verabschiedung am 22.3.2021 wieder bis in den Bundesrat geschafft. Zumindest ist er auf der Tagesordnung der kommenden Sitzung am 7. Mai. Vor etwas mehr als vier Jahren wurde der erste Versuch der Jugendhilfereform wegen massiver Kritik allerdings kurzfristig von der Tagesordnung des Bundesrats gestrichen.

Es scheint so, als würde der Versuch diesmal erfolgreicher sein. Mit den Stimmen der Koalition und der Grünen, bei Stimmenthaltung der FDP und gegen die Stimmen von Linksfraktion und AfD billigten die Abgeordneten am Donnerstag, 22. April 2021, mehrheitlich den Entwurf für ein modernisiertes Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG, 19/26107). Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hatte zuvor noch Änderungen am Entwurf vorgenommen (19/28870).

Strengere Kontrolle

Das Gesetz sieht umfassende Änderungen am Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) vor, um Kinder und Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien oder in schwierigen Lebensverhältnissen besser zu schützen und zu unterstützen. So werden Heime und ähnliche Einrichtungen einer strengeren Aufsicht und Kontrolle unterstellt. Kinder in Pflegefamilien verbleiben auf Anordnung des Familiengerichts dauerhaft in diesen, wenn dies zum Schutz und Wohl des Kindes erforderlich ist.

Weniger Eigenbeteiligung

Die Kostenbeteiligung von jungen Menschen in Pflegefamilien und Einrichtungen der Erziehungshilfe wurde von 75 Prozent auf 25 Prozent ihres Einkommens aus Schülerjobs, Praktika oder einer Ausbildung gesenkt. Aufgrund von Änderungen, die der Familienausschuss am Regierungsentwurf vorgenommen hatte, wird zudem ein Freibetrag von 150 Euro des Einkommens von der Kostenbeteiligung ausgenommen. Einkommen aus kurzfristigen Ferienjobs und ehrenamtlicher Tätigkeit wrden gänzlich freigestellt. 

Mehr Kooperation der Beteiligten

Zudem soll die Kooperation zwischen der Kinder- und Jugendhilfe, dem Gesundheitswesen, den Strafverfolgungsbehörden und den Familien- und Jugendgerichten verbessert werden. So sollen beispielsweise Ärzte, die sich bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung an das Jugendamt wenden, in Zukunft auch eine Rückmeldung über die anschließende Gefährdungseinschätzung erhalten. Darüber hinaus soll die Prävention vor Ort und die Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien verbessert werden.

Unabhängige Ombudsstellen

In Notsituationen sollen sich junge Menschen, Eltern und Familien an eine Erziehungsberatungsstelle in ihrer Umgebung wenden können und dort unbürokratisch Hilfe erhalten. In den Ländern soll eine bedarfsgerechte Struktur von unabhängigen Ombudsstellen eingerichtet werden. Die Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien wurden erweitert. 

Inklusion als Leitgedanke

Mit der Gesetzesnovelle sollen die staatlichen Leistungen und Hilfen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in den kommenden Jahren im SGB VIII gebündelt werden. Prinzipiell soll die Inklusion als Leitgedanke in der Kinder- und Jugendhilfe und die grundsätzlich gemeinsame Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung verankert werden. Ab 2024 soll die Funktion eines Verfahrenslotsen beim Jugendamt eingerichtet werden, der als Ansprechpartner für Eltern und andere Erziehungsberechtigte fungiert. 

Quelle: Bundestag

Abbildung: Abbildung: pixabay.com cheryholt.jpg

Reform des SGB VIII – neuer Versuch

Unter dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen – Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG“ soll nun nach mehreren Anläufen die Reform des SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) gelingen. Dabei berücksichtigt werden die Ergebnisse des Dialogprozesses „Mitreden – Mitgestalten„,

Mitreden – Mitgestalten

Über ein Jahr lang sind Expertinnen und Experten, die auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene, in Fachverbänden und Fachorganisationen, in Wissenschaft und Forschung, bei öffentlichen oder freien Trägern, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Behindertenhilfe und in der Gesundheitshilfe Verantwortung für ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen übernehmen, der Frage nach notwendigen Verbesserungen für junge Menschen und ihre Familien nachgegangen. Der Abschlussbericht liegt seit Ende 2019 vor.

SGB VIII – Die Kinder- und Jugendhilfe

Das Sozialgesetzbuch VIII regelt die Leistungen und Aufgaben der Kinder und Jugendhilfe. Dazu gehören unter anderem die Jugendarbeit und die Jugendsozialarbeit, die Familienbildung und -beratung, die Kindertagesbetreuung, die so genannten „Hilfen zur Erziehung“, die Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung oder auch die Hilfe für junge Volljährige. Auch der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung, die Inobhutnahme durch das Jugendamt, die Heimaufsicht oder die Amtsvormundschaft werden im Sozialgesetzbuch VIII geregelt. Der Reformbedarf im SGB VIII ist lange erkannt.

Ziele der Reform

Die wichtigsten Ziele bei der Erarbeitung des neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes sind:

  1. Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien
  2. Besserer Kinder- und Jugendschutz
  3. Stärkung von Pflege- und Heimkindern
  4. Mehr Prävention vor Ort
  5. Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen

Neuerungen im Entwurf

Unter anderem soll es folgende Neuerungen geben:

  • Förderung selbstorganisierter Zusammenschlüsse zur Unterstützung, Begleitung und Förderung von Adressat*innen der Kinder- und Jugendhilfe (§ 4a SGB VIII-neu). Sie sollen in Entscheidungsprozesse einbezogen werden.
  • Verbindliche Schaffung von unabhängiger, fachlich nicht weisungsgebundener Ombudsstellen (§ 9a SGB VIII – neu).
  • Verbindlichere Gewährung von Leistungen an junge Volljährige bis zum 21. Lebensjahr (§ 41 SGB VIII). Die Kostenheranziehung junger Volljähriger im SGB VIII wird von 75% auf 25% abgesenkt.
  • In vielen Vorschriften werden die Beratungsrechte für Kinder, Jugendliche aber auch Eltern und Pflegeeltern gestärkt. So soll es ein umfassendes Beratungsrecht der Kinder und Jugendlichen ohne Kenntnis der Eltern in § 8 Abs.3 SGB VIII geben.
  • Für die Zielgruppe der Kinder psychisch und suchterkrankter Eltern soll, wie dem Bundestag über eine bundesweite Arbeitsgruppe empfohlen, ein antragsunabhängiger Leistungsanspruch auf Betreuung und Versorgung in Notsituationen in §28 a SGB VIII – neu eingeführt werden.

Kinderschutz

Dieses Ziel soll durch schärferer Regeln bei der Betriebserlaubnis von Einrichtungen, verschärfte Anforderungen an die Zulässigkeit von Auslandsmaßnahmen, über Änderungen im Kinderschutzgesetz (KKG) oder die Regelungen zum Zusammenwirken von Jugendamt und Jugendgericht, Familiengericht und Strafverfolgungsbehörden erreicht werden.

Inklusion wird vertagt

Ein großes Ziel der SGB VIII – Reform war es, dass auch Leistungen der Eingliederungshilfe für junge Menschen mit (drohenden) körperlichen oder geistigen Behinderungen vorrangig der Kinder- und Jugendhilfe zugeordnet werden. Dies kann aber, laut Gesetzentwurf erst dann geschehen, wenn gesetzlich festgelegt ist, welche konkrete Regelungen es zum leistungsberechtigten Personenkreis, zu Art und Umfang der Leistung und zur Kostenbeteiligung geben soll.  Die Ausgestaltung dieses Bundesgesetzes soll sich insbesondere nach den Ergebnissen einer prospektiven Gesetzesevaluation richten.

Zunächst soll ab 2024 der Anspruch auf einen „Verfahrenslotsen“ durch eine Fachkraft im Jugendamt eingeführt werden. Er soll junge Menschen mit Behinderungen und ihre Familien durch das gesamte Verfahren – vom Antrag bis zur Leistungsgewährung – begleiten und damit eine zeitnahe und auf den individuellen Bedarf abgestimmte Leistungsgewährung ermöglichen.

Ab 2027 soll dann endgültig ein inklusives SGB VIII in Kraft treten, die Ausgestaltung ist aber noch völlig offen. Alle Verbände und Vertreter der Kinder- und Jugendhilfe, sowie der Behindertenhilfe sollten diesen Prozess begleiten und mitgestalten.

Quellen: Bundesfamilienministerium, Paritätischer Wohlfahrtsverband

Abbildung: pixabay.com cheryholt.jpg