Rentenvergleich mit Österreich

Bei der Diskussion um die unweigerlich drohende nächste Rentenreform der kommenden Bundesregierung lohnt sich ein Blick auf unser Nachbarland. Während hierzulande die Marktwirtschafts-Ideologen darauf drängen, der gesetzlichen Rente mit einer kapitalgedeckten Finanzierung den Garaus zu machen, scheint die umlagefinanzierte Rente in Österreich weiterhin erfolgreich zu sein und wird kaum in Frage gestellt.

Tu felix Austria

Nun gibt es einen Impuls-Beitrag der Hans-Böckler-Stiftung von Florian Blank und Eric Türk, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler bei der Arbeiter- und Angestelltenkammer Wien, in dem die deutsche Rente mit der österreichischen Pensionsversicherung verglichen wird.

Der Vergleich mache vor allem deshalb Sinn, so die Wissenschaftler, weil beide Systeme sich ursprünglich sehr ähnlich waren. Aber die österreichische Pensionsversicherung wurde „fortentwickelt“, etwa durch die Einbeziehung von Selbstständigen, während die gesetzliche Rente in Deutschland zum „Teil eines weiter gefassten Versorgungsmixes degradiert“ wurde.

Modellbiografien der OECD

Die Gegenüberstellung der Rentenansprüche für einheitliche, idealtypische Biografien ermöglicht den Vergleich von Unterschieden der Rentensysteme selbst. Die von der OECD erstellten Modellbiografien mit durchgehenden Erwerbsverläufen, abschlagsfreiem Renteneintritt und stabilen Einkommenspositionen bilden den Ausgangspunkt für den Vergleich der Rentenversicherungen Deutschlands und Österreichs. Die Vorgehensweise der OECD wird dargestellt, sofern erforderlich korrigiert, aktualisiert und weiterentwickelt. Zusätzlich werden Arbeitslosigkeit, vorzeitiger Renteneintritt sowie Kindererziehungszeiten berücksichtigt. Durch diese Ergänzungen werden eine höhere Realitätsanbindung erreicht und Elemente des sozialen Ausgleichs einbezogen. Es zeigt sich, dass die österreichische Pensionsversicherung in jeder Konstellation deutlich höhere Leistungen gewährt, die Elemente des sozialen Ausgleichs den Abstand teils vergrößern, teils verringern.

Beispiele

An drei Beispielen wird deutlich, um wie viel höher die gesetzlichen Renten in Österreich ausfallen.

Standardfall

Eine Person mit durchschnittlichem Verdienst und 45 Berufsjahren, die jetzt das Erwerbsleben beginnt bekäme später, wenn sie in Rente geht:

  • in Deutschland 39 Prozent,
  • in Österreich 78 Prozent

ihres vorherigen durchschnittlichen Bruttoeinkommens.

mit Arbeitslosigkeit 

Jemand verdient zunächst unterdurchschnittlich, steigert sich gegen Ende der Erwerbsphase auf ein überdurchschnittliches Einkommen, verliert aber mit 59 den Job, findet keinen neuen und geht mit 63 vorzeitig in Rente. Die voraussichtliche Rente beträgt:

  • in Deutschland 30 Prozent,
  • in Österreich 65 Prozent

Kindererziehung

Nach vier Jahren Vollzeittätigkeit erfolgt eine dreijährige Unterbrechung zur Kinderbetreuung, anschließend Teilzeitarbeit und nach einer weiteren Vollzeitphase wieder Arbeit mit reduzierter Stundenzahl. Die voraussichtliche Rente beträgt:

  • in Deutschland 42 Prozent,
  • in Österreich 78 Prozent

Deutlich höhere Rente in Österreich

Nicht nur zukünftige Rentner stehen in Österreich besser da. Bereits heute liegen die Pensionen in Österreich höher als die deutschen Renten. Dabei liegt das Renteneintrittsalter in Österreich nach wie vor bei 65 Jahren und eine Anhebung ist nicht geplant.

Höhere Rentenbeiträge

Der monatliche Rentenbeitragssatz liegt allerdings mit 22.8 Prozent wesentlich höher als in Deutschland mit 18.6 Prozent, wobei der Arbeitgeberanteil mit 12,55 Prozent höher ist als der Arbeitnehmeraneil mit 10.25 Prozent. Beim deutschen Beitrag sind allerdings nicht eventuelle Aufwendungen für private Zusatzvorsorge eingerechnet. Dazu kommt, dass der Beitragssatz in Deutschland laut Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung ab Mitte der 20er Jahre auf bis Mitte der 30er Jahre ebenfalls über 22 Prozent betragen wird, das Rentenniveau wird dagenen nur müsam gehalten werden können.

Längere Wartezeiten

Ein weiterer Unterschied zwischen Deutschland und Österreich sind die unterschiedlichen Wartezeiten. In Österreich muss man wesentlich länger in die Rentenversicherung einzahlen, bevor man Rente beziehen kann. So wird ein Teil der niedrigen Renten, die in Deutschland gezahlt werden, in Österreich gar nicht erst fällig. EIne genaue Beschreibung über die österreichische Pensionsversicherung kann man in einer Broschüre, herausgegeben von der Deutschen Rentenversicherung, nachlesen.

Besser keine (Teil-) Privatisierung

Florian Blank und Eric Türk werben allerdings für eine „Stärkung der Sozialversicherung als ein flexibles Instrument der sozialen Sicherung“. Sowohl das generelle Leistungsniveau als auch spezielle Maßnahmen des sozialen Ausgleichs ließen sich im System der gesetzlichen Rente zielgenau politisch steuern, was mit einer fortgesetzten Teilprivatisierung der Rente kaum gelänge.

Quellen: Hans-Böckler-Stiftung, OECD, Deutsche Rentenversicherung, BMAS

Abbildung: pixabay.com old-people-1555705_1920.jpg

Rente und Kapital

Gerade geistern durch die Medien die für Rentner erfreulichen Meldungen über eine mögliche kräftige Rentenerhöhung 2022. Mehr dazu können Sie hier erfahren, sobald der Entwurf des Rentenversicherungsberichts 2021 für alle zugänglich ist und nicht nur ausgewählten Medien.

Plant die Ampel Kapitaldeckung?

Die Diskussion um die Finanzierung der Renten ist auch Teil der laufenden Koalitionsverhandlungen. Im Positionspapier von FDP, SPD und Grünen hat die FDP eines ihrer Lieblingsthemen unterbringen können: die Rentenfinanzierung durch das Kapitaldeckungsverfahren.

Schon mal gescheitert

Bei der Einführung der Rentenversicherung 1889 wurde diese als Kapitaldeckungsverfahren gestaltet. Das hatte zur Folge, dass nach dem Ersten Weltkrieg die Reserven der Rentenversicherung durch die darauf folgende Hyperinflation weitgehend entwertet wurden.  Millionen Rentner standen vor dem Nichts. Das Reinvermögen der Deutschen Rentenbank von 2,12 Mrd. Mark (im Jahre 1914) schrumpfte binnen eines Jahrzehnts auf einen Rest von nur noch 14,6 % der Summe. Als Reaktion darauf begann man, in gewissem Umfang Rentenzahlungen aus eingehenden Beiträgen (d. h. nach dem Umlageverfahren) zu finanzieren, und der Staat half mit Steuermitteln aus. Dennoch waren massive Leistungskürzungen unvermeidlich.

Umlageverfahren setzt sich durch

Von kurzen Perioden abgesehen kam nie eine ausreichende Kapitaldeckung zustande. Insbesondere Inflation und die beiden Weltkriege machten den Versuch zunichte. Daher wurde das Rentensystem auch schon lange vor 1957 faktisch in einer Art Umlageverfahren betrieben.[6] Das System der Kapitaldeckung wurde 1957 in der Rentenreform 1957 unter Konrad Adenauer zu einem Umlageverfahren mit dynamischer Rente umgebaut. Hierdurch wurde es möglich, die ökonomische Situation der Rentner schlagartig zu verbessern.  Das Restkapital der Versicherung wurde in den Folgejahren verzehrt. Bedingt durch den folgenden wirtschaftlichen Aufschwung und den Anstieg der Bevölkerung verstummten in den Folgejahren die Kritiker, die einen Wiederaufbau des Kapitalstocks forderten. 

Auch „Riester“ ohne Erfolg

Seit dem Geburtenrückgang Ende der 60er Jahre wurden die Vor- und Nachteile des Kapitaldeckungsverfahrens wieder verstärkt diskutiert. 2001 wurde mit der „Riester“-Rente wieder teilweise eine kapitalgedeckte Rente eingeführt. Die „Riester“-Rente ist mittlerweile grandios gescheitert.

Keine Notwendikeit für Kapitaldeckung

Anfang November meldete sich der Sozialverband VdK zu Wort. Der VDK lehnt den Einstieg in eine kapitalgedeckte Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung ab, wie sie von verschiedenen Organisationen und Politikern gefordert wird. Es dürfe keine Experimente bei der gesetzlichen Rente geben: Die Finanzierung im Umlageverfahren habe sich entgegen aller Unkenrufe bewährt, betont VdK-Präsidentin Verena Bentele. Aus Sicht des VdK besteht keine Notwendigkeit, eine solche Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rentenversicherung einzuführen.

Grundlegende Reform notwendig

Allerdings sei eine grundlegende Reform bei der privaten Altersvorsorge sinnvoll. Die aktuelle Riesterrente ist gescheitert. Aktuell spart kaum ein Versicherter wie vom Staat erwartet 4 Prozent seines Bruttoeinkommens im Rahmen eines Riestervertrags. „Das Rentenniveau muss darum auf mindestens 50 Prozent, idealerweise 53 Prozent, angehoben und der Riesterfaktor abgeschafft werden. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass die bisherigen Riesterverträge die staatlichen Zulagen erhalten, sie brauchen Bestandsschutz“, so Bentele.

Zweckmäßig ist aus Sicht des Sozialverbands VdK ein transparentes, sicheres und kostengünstiges Basisprodukt, das von der gesetzlichen Rentenversicherung ohne Gewinnerzielungsabsicht verwaltet wird. Ein solches „Vorsorgekonto“ könnte eine Möglichkeit für Versicherte sein, private Altersvorsorge und staatliche Vorsorge miteinander zu kombinieren, sagte die VdK-Präsidentin.

Appell gegen private Vorsorge

Das Netzwerk Gerechte Rente (ein Zusammenschluss aus dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), dem Paritätischen Gesamtverband, dem Sozialverband VdK Deutschland, dem Sozialverband Deutschland (SoVD), der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands und der Volkssolidarität) plädiert für eine starke, umlagefinanzierte gesetzliche Rente statt individueller privater Vorsorge.

In einem Appell an die Verhandler*innen für eine Ampelkoalition betont das Netzwerk, die gesetzliche Rente sei das Herzstück unseres Sozialstaats. Für Spekulationsgeschäfte sei sie denkbar schlecht geeignet. Statt in die private Versicherungswirtschaft zu investieren, müsse die gesetzliche Rentenversicherung gestärkt und endlich armutsfest gemacht werden.  Eine Aktienrente, wie die FDP sie fordere, lehne das Bündnis entschieden ab. 

Quellen: Tagesschau, wikipedia,VDK, Paritätischer Gesamtverband

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