Verbraucherzentrale zu IGeL-Angeboten

Im Mai 2023 berichteten wir hier umfassend über IGel. Das sind Selbstzahlerleistungen beim Arzt, die nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum die gesetzlichen Krankenkassen manche Leistungen nicht zahlen. Beispielsweise, weil keine medizinische Notwendigkeit besteht oder weil die Wirksamkeit dieser Leistungen nicht ausreichend wissenschaftlich belegt ist. Trotzdem werden den Patienten in den Arztpraxen oftmals solche Leistungen dringend empfohlen.

IGeL-Monitor

Einen guten Überblick bietet nach wie vor der IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes Bund. Hier werden die Leistungen wissenschaftlich fundiert bewertet, um Versicherte in die Lage zu versetzen, sich gut informiert für oder gegen eine IGeL zu entscheiden.

Besserer Schutz für Patient:innen

Nun hat der Bundesverband Verbraucherzentrale weitere Probleme bei den Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) aufgezeigt und fordert den Gesetzgeber auf, Patient:innen bei Selbstzahlerleistungen besser zu schützen.

Es geht um Medizinische Leistungen, die grundsätzlich von der GKV übernommen werden, aber von Ärzt:innen als Privatleistung angeboten werden. Der Grund ist, dass die KV die Leistungen nur übernimmt, wenn die jeweiligen Fachärzte dafür eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) haben. Um diese Genehmigung zu bekommen, müssen die Ärztinnen und Ärzte unter anderem an entsprechenden Fortbildungen teilnehmen. Nur mit der Fortbildung darf die Leistung über die Gesetzliche Krankenkasse abgerechnet werden. Die Facharztpraxen können sie aber trotzdem als IGeL anbieten. Dies betrifft zum Beispiel Hautkrebsscreenings und Mammosonografien.

Ergebnisbericht

Die Verbraucherzentrale hat zwischen März 2024 und Juni 2025 583 Meldungen von Verbrauchern zu diesem Thema bekommen, ausgewertet und jetzt in einem Ergebnisbericht veröffentlicht. Auch correctiv berichtet darüber

In den Meldungen geht es beispielsweise darum, dass die Bestimmung des Vitamin-D-Werts privat gezahlt werden musste, obwohl eine chronische Erkrankung vorlag, für deren Behandlung eine regelmäßige Bestimmung dieses Wertes essenziell ist. Auch zur Fachrichtung Gynäkologie gab es Rückmeldungen: Verbraucher:innen schildern, dass sie für Ultraschalluntersuchungen zahlen sollten, obwohl Schmerzen bestanden oder relevante Vorbefunde vorlagen. Die Zuzahlungen wurden von den Ärzt:innen unter anderem damit begründet, dass die Krankenkassen Rückforderungen stellen können – etwa wenn die Praxis angeblich zu viele Leistungen erbracht habe.

bürokratische Hürden

Verbraucher:innen, die sich gegen unzulässige Abrechnungen oder fragwürdige Selbstzahlerforderungen zur Wehr setzen möchten, benötigen zunächst fundiertes Wissen über Zuständigkeiten und Ansprechpartner im Gesundheitssystem. Besteht aus Sicht der Patient:innen ein Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten, sind die Möglichkeiten, bestehendes Recht individuell durchzusetzen, jedoch durch bürokratische Hürden begrenzt. Außerdem besteht die Sorge, dass bei Beschwerden, das Vertrauensverhältnis zu behandelnden Ärzt:innen belastet werden. Ein Arztwechsel ist zudem insbesondere in ländlichen Regionen oder bei Fachärzt:innen mitunter nur schwer möglich. Teils längere Wartezeiten und mangelnde Verfügbarkeit freier Termine erschweren den Zugang zusätzlich.

Forderungen

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert deswegen

  • IGeL sollten nur in gesonderten IGeL-Sprechstunden, klar getrennt von den GKV-Sprechstundenzeiten, verkauft werden dürfen.
  • Der Gesetzgeber muss Vertragsärzt:innen verpflichten, genehmigungspflichtige Leistungen als Kassenleistung anzubieten, wenn die grundsätzlichen arzttypischen Voraussetzungen dafür vorliegen.
  • Ärzt:innen dürfen etwa nicht bewusst Fortbildungen versäumen, um Leistungen privat erbringen zu können.
  • Für das Anbieten von IGeL ist ein einheitlicher Muster-Behandlungsvertrag einzuführen und verpflichtend einzusetzen.
  • Sämtliche IGeL-Verkäufe sind den Kassenärztlichen Vereinigungen zu melden und zu veröffentlichen.
  • Standardisierte, evidenzbasierte Gesundheitsinformationen zu IGeL-Angeboten sind von den Ärzt:innen verpflichtend den Patient:innen mitzugeben.
  • Evidenzbasierte Gesundheitsinformationen sind bereits vielfach vorhanden, zum Beispiel im IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes Bund. Diese sollten in der elektronischen Patientenakte (ePA) und in der Praxissoftware integriert werden.

Quellen: FOKUS-Sozialrecht, IGel-Monitor, Bundesverband Verbraucherzentrale, correctiv,

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IGeL

Die Möglichkeiten der Medizin, auf gesundheitliche Defizite von Patienten zu reagieren, steigt stetig. Die Finanzierungsmöglichkeiten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind begrenzt. Aus diesem Grund ist der Gesetzgeber als „Hüter der gesetzlichen Krankenversicherung“ gezwungen, zu entscheiden oder ein Gremium einzusetzen, das entscheidet, welche Maßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung Eingang finden sollen und welche nicht. Für den Fall, dass medizinische Maßnahmen durch die gesetzliche Krankenversicherung finanziert werden, muss entschieden werden, unter welchen Indikationen dies der Fall sein soll.

G-BA entscheidet, was Kassenleistungen sind

Diese Entscheidungen trifft insbesondere der Gemeinsame Bundesausschuss. Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V soll der Gemeinsame Bundesausschuss Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden beschließen, die einerseits die ärztliche Versorgung sicherstellen und andererseits eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleisten. Dadurch wird zugleich der Umfang von der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber den Versicherten geschuldeten Leistungen verbindlich festgelegt. Auf diese Weise hat der Gesetzgeber die Entscheidung über die Anerkennung von Heilmethoden dem Gesetzgebungsverfahren entzogen. Nach der Konzeption des Gesetzes haben somit auch die Gerichte nicht darüber zu entscheiden, ob eine medizinische Behandlungsmethode anerkennungswürdig und im Einzelfall auch erfolgversprechend ist. Vielmehr ist allein entscheidend, welcher medizinische Standard allgemein anerkannt ist und ob die zu beurteilende Methode diesem medizinischen Standard entspricht.

Die richtige Heilmethode

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist den Gerichten damit eine Zurückhaltung im Hinblick auf medizinisch-wissenschaftliche Auseinandersetzungen um die „richtige“ Heilmethode auferlegt. Dies geht auch aus §  2 Abs. 1 Satz  2 SGB V hervor. Es ist Ausdruck der Neutralität des Staates, Methoden der besonderen Therapierichtungen nicht auszuschließen. Der Schwerpunkt der Prüfung wird damit auf den tatsächlichen Verbreitungsgrad verlagert, weil es nicht Sinn eines Gerichtsverfahrens sein kann, die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft voranzutreiben oder in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen Position zu beziehen (vgl: Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.9.1997, Az: 1 RK 28/95, dies noch einmal ausgeführt im Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 8.6.2006, Az.: S 8 KR 646/04).

Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL)

Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass Maßnahmen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gedeckt sind, aus medizinischer Sicht übertrieben oder gar unnütz sind. Medizinische Maßnahmen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht finanziert werden, können durchaus den Patienten nützlich sein. Diese Grenze ist sehr viel weiter gesteckt als der Kreis der Kassenleistungen.

Die so genannten individuellen Gesundheitsleistungen (kurz „IGeL“ genannt) sind genau in dem Bereich angesiedelt, wo die gesetzliche Krankenversicherung die Kostenübernahme für die medizinischen Maßnahmen versagt, aber aus medizinischer Sicht noch keineswegs die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen bestritten werden kann.

IGeL-Monitor

Seit 2012 bewertet der IGeL-Monitor Individuelle Gesundheitsleistungen beim Arzt (IGeL). Die Arbeit erfolgt nach wissenschaftlichen Standards. Initiator und Auftraggeber ist der Medizinische Dienst Bund. Inhaltlich unterstützt wird das Projekt durch externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das Projekt IGeL-Monitor ist dem Bereich Evidenzbasierte Medizin des Medizinischen Dienstes Bund zugeordnet. Aufgabe des IGeL-Monitors ist das Bereitstellen von Gesundheitsinformationen über IGeL, damit Versicherte in der ärztlichen Praxis eine informierte Entscheidung treffen können.

Ergebnisse 2023

In einer repräsentativen Befragung hat der IGeL-Monitor für seinen IGeL-Report 2023 knapp 6.000 Versicherte im Alter von 20 bis 69 Jahren befragt. Die Bekanntheit von IGeL ist unverändert groß: Fast 80 Prozent der Befragten gaben an, Selbstzahlerleistungen zu kennen. Nur gut jeder Vierte (28 Prozent) weiß, dass es verbindliche Regeln beim Verkauf von IGeL in der Praxis gibt. Dazu gehört, dass Patientinnen und Patienten über den wahrscheinlichen Nutzen und mögliche Risiken oder Schäden durch die Leistung aufzuklären sind. Über den Nutzen wurden 78 Prozent informiert, über mögliche Schäden nur 56 Prozent. Fast jeder Fünfte (18 Prozent) gibt sogar an, dass seine Behandlung mit einer Kassenleistung vom Kauf einer IGeL abhängig gemacht wird.

Top10

Die Top 10 der am meisten verkauften Selbstzahlerleistungen sind im Vergleich zum IGeL-Report 2020 nahezu unverändert: Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke und der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung sowie verschiedene Glaukom-Früherkennungs­untersuchungen, zusätzlicher Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs, zusätzliche Hautkrebsscreenings, zusätzliche Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft, Ultraschall der Brust zur Krebsfrüh­erkennung und Untersuchungen des Blutbilds.

Mehr Schaden als Nutzen

Der Ultraschall zur Krebsfrüherkennung der Eierstöcke und der Gebärmutter wurde nach der Befragung am meisten verkauft. Die Leistung bewertet der IGeL-Monitor mit „negativ“ und „tendenziell negativ“. Denn bei dieser Untersuchung kann es häufig zu falsch-positiven Befunden und dadurch zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Eingriffen kommen, die erheblich schaden können.

Nur zwei IGeL sind „tendenziell positiv“

Aber auch bei den anderen Selbstzahlerleistungen sind Zweifel angebracht. Das Wissenschaftsteam des IGeL-Monitors bewertet seit über zehn Jahren evidenzbasiert den Nutzen und Schaden von Individuellen Gesundheitsleistungen und bereitet die Informationen für die Versicherten laienverständlich auf. Ziel ist es, den Patientinnen und Patienten eine wissensbasierte Entscheidungshilfe anzubieten. Der IGeL-Monitor hat 55 IGeL bewertet – 53 Leistungen schließen mit „tendenziell negativ“, „negativ“ oder „unklar“ ab. Für den Nutzen gibt es meistens keine ausreichende Evidenz . Keine dieser Leistungen konnte mit „positiv“ bewertet werden, mit „tendenziell positiv“ schneiden lediglich 2 Selbstzahlerleistungen ab.

Quellen: IGel-Monitor, SOLEX, Wikipedia

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