SGB II – Änderungen im Haushalt 2025

Die schwierige – vorläufige – Einigung der Ampel auf einen Haushalt 2025 wird in einem gemeinsamen vom Bundesfinanzministerium herausgegebenem Papier mit dem euphorischen Titel: „Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland“ beschrieben.

Einschränkungen beim Bürgergeld

Darin finden sich unter der Überschrift „Dynamisierung durch bessere Arbeitsanreize und mehr Fachkräfte“ die geplanten, bzw. vorgeschlagenen Änderungen beim Bürgergeld. Dahinter verbürgen sich, so der Paritätische Gesamtverband, deutliche Einschränkungen für Bürgergeldbeziehende. Wesentliche Anliegen der Bürgergeldreform – vertrauensvoller Umgang mit den Leistungsberechtigten und Stärkung der Förderung und Qualifizierung für eine nachhaltige Integration in Erwerbsarbeit – würden nunmehr wieder zurückgenommen. So würden Sanktionen wieder deutlich verschärft, die Zumutbarkeit in Bezug auf Pendelzeiten verändert und die Karenzzeiten beim Schonvermögen wieder reduziert. Zudem drohten durch die Haushaltsplanungen massive Einschnitte bei der Arbeitsförderung.

Inhalt des Kompromisspapiers der Koalition

Um die „Akzeptanz der Leistungen zu erhalten“ und um mehr Betroffene in Arbeit zu bringen, sei es erforderlich, heißt es im Ampel-Papier, das Prinzip der Gegenleistung wieder zu stärken:

Zumutbarkeit

Die Regelungen für die Zumutbarkeit von angebotener Arbeit sollten
zeitgemäß überarbeitet werden. Dies gilt zum Beispiel für den Weg zur Arbeit.
So sollte ein längerer Weg zur Arbeit als zumutbar gelten und eine tägliche
Pendelzeit von 2 ½ Stunden bei einer Arbeitszeit von bis zu sechs Stunden
und von drei Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden in Kauf
genommen werden müssen. Zudem sollte per BA-Weisung deutlich
konkretisiert werden, dass auch weitere Fahrtwege zum Arbeitsplatz als
unbedingt zumutbar gelten. Die Jobcenter sollen in einem Umkreis von 50 km
zwischen Wohn- und Arbeitsort nach einem Arbeitsplatz suchen. Die Regeln
zum Umzug im Sozialgesetzbuch II (SGB II) werden analog zu den Regeln im
Sozialgesetzbuch III (SGB III) angepasst. Bei allen genannten Maßnahmen
sollten Ausnahmen für Personen mit Kindern oder pflegebedürftigen
Angehörigen berücksichtigt werden. Die vorgenannten Regelungen werden
gesetzgeberisch klargestellt.

Mitwirkungspflichten

Gegenleistungsprinzip bedeutet auch, dass die Konsequenzen bei fehlender
Mitwirkung verschärft werden. Wer eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder
Eingliederungsmaßnahme ohne triftigen Grund ablehnt, wird mit erhöhten

Kürzungen des Bürgergeldes rechnen müssen. Deshalb wird die Bundesregierung eine einheitliche Minderungshöhe und -dauer von 30 Prozent für drei Monate einführen. Bei Meldeversäumnis kann eine Minderungshöhe von 30 Prozent für einen Monat festgesetzt werden. Dabei wird es keine starre Sanktionsdauer geben, sondern gelten, dass bei positiver Mitwirkung (oder Signal der Mitwirkungsbereitschaft) die Sanktion aufgehoben wird. Eine hohe, verbindliche Kontaktdichte zwischen Beziehern von Bürgergeld und Behörden ist wichtig für Vermittlungserfolge, insbesondere für diejenigen, die kurzfristig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen (also z.B. nicht Personen in Fortbildungsmaßnahmen, mit Erziehungspflichten etc.). Um den Vermittlungserfolg zu erhöhen, werden für diesen Personenkreis besondere Meldeverpflichtungen etabliert. Leistungsbeziehende dieses Personenkreises sollen sich monatlich in Präsenz bei der zuständigen Behörde melden müssen. Die Meldung ist mit dem geringstmöglichen Verwaltungsaufwand zu organisieren. Zudem muss künftig sofort mit einer 30-prozentigen Leistungskürzung rechnen, wer wegen einer Sperre im Arbeitslosengeld I ins Bürgergeld rutscht.

Schwarzarbeit

Die Bundesregierung wird die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, damit die Jobcenter Schwarzarbeit als Pflichtverletzung ahnden und Leistungskürzungen vornehmen können (30 Prozent für drei Monate).

Um zu verhindern, dass viele Verfahren des Sozialleistungsbetrugs wegen
Geringfügigkeit und hoher Überlastung der Staatsanwaltschaften eingestellt
werden, wird im Rahmen des geplanten Gesetzgebungsverfahrens zur
Modernisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung die Zuständigkeit der sog.
Kleinen Staatsanwaltschaft der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls (FKS)
künftig auf Fälle des Sozialleistungsbetruges erweitert werden. Weiterhin werden damit die Jobcenter verpflichtet, Verdachtsfälle von Leistungsmissbrauch und Schwarzarbeit an die FKS zu melden.

Karenzzeit beim Schonvermögen

Die Karenzzeit nach § 12 Abs. 3 und 4 SGB II auf sechs Monate verkürzt. Das Bürgergeld dient als existenzsichernde Leistung und ist nicht dafür da, das Vermögen einzelner abzusichern. Vermögen sollte grundsätzlich für den eigenen Lebensunterhalt eingesetzt werden, bevor Bürgergeld beansprucht werden kann. Altersvorsorge wird weiterhin nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 SGB II nicht als Vermögen berücksichtigt.

1 Euro Jobs

Das Instrument der Arbeitsgelegenheiten nach § 16 d SGB II soll eine Brücke
in den regulären Arbeitsmarkt darstellen. Dies ist insbesondere für Personen
von besonderer Bedeutung, die sich Maßnahmen immer wieder verweigern
(Totalverweigerer). Bei dieser Personengruppe kann der schrittweise Einstieg
in den Arbeitsmarkt damit befördert werden.

Strafrecht?

Harald Thome von tacheles e.V. kommentiert das „Wachstums“-Papier so: „…Im Kern soll hier das Sozialrecht in ein Strafrecht umgewandelt werden. Es ist für diese Regierung tatsächlich armselig, dass sie sich von der FDP, CDU bis zur AfD derart vor sich hertreiben lässt.“

Quellen: BMF, Paritätischer Gesamtverband, Tacheles e.V.

Abbildung: Walhalla Verlag: Buergergeld.png

Sozialer Arbeitsmarkt am Ende?

In einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“, abgedruckt am 24. Juni 2022 auf der Homepage des BMAS, betonte Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, die Bedeutung des Sozialen Arbeitsmarktes: „Bei Langzeitarbeitslosen, die lange draußen waren, kommen wir nicht umhin, Brücken zu bauen. Dafür haben wir den sozialen Arbeitsmarkt geschaffen, bei dem die Betreuung besonders intensiv ist und auch Lohnzuschüsse gezahlt werden. Auf diesem Weg haben immerhin schon 50.000 Menschen wieder Tritt gefasst und sozialversicherungspflichtige Arbeit gefunden.

Mittel werden gekürzt

Sein Kabinettskollege Christian Lindner, seines Zeichens Finanzminister, plant nun offenbar das Ende des viel gelobten Erfolgsmodells, in dem er die dafür erforderlichen Mittel streichen will. Der Entwurf des Haushalts 2023 sieht eine drastische Senkung der Mittel für Hartz IV vor. Unter anderem laut „Spiegel“ soll im Haushaltsentwurf 2023 der Posten „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ bei der Grundsicherung von Arbeitssuchenden kräftig eingestampft werden. Die Rede ist von 609 Millionen weniger Mittel.

Mehrjährige Förderung begrenzt

Mittelfristig sollen vor allem die Mittel für mehrjährige Förderungen weitgehend reduziert werden. Bis zum Jahre 2029 sollen die Fälligkeiten entsprechender Verpflichtungsermächtigungen auf jährlich nur noch fünf Millionen Euro reduziert sein.

Wenn es bei diesem Plan bliebe, hieße das de facto das Ende des Sozialen Arbeitsmarktes nach § 16i des SGB II.

Worum geht es?

Seit dem 1. Januar 2019 gilt der § 16i SGB II, mit dem die Bundesregierung einen Sozialen Arbeitsmarkt geschaffen wurde. Damit sollen langzeitarbeitslosen Menschen über 25 Jahren neue Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt angeboten werden. Durch individuelle Beratung und intensive Betreuung sollen sie bei der Suche nach einem passenden Arbeitsplatz unterstützt werden. Arbeitgeber erhalten Zuschüsse zu den Lohnkosten, die Beschäftigten eine beschäftigungsbegleitende Unterstützung.

längerfristige Perspektiven

Es handelt sich um ein bewerberorientiertes Vorgehen der Jobcenter, insbesondere die gezielte Stellenakquise in der direkten Arbeitgeberansprache. Das Jobcenter bietet dazu eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung (sog. Coaching) für diesen Personenkreis, der in absehbarer Zeit keine realistische Chance auf eine ungeförderte Beschäftigung hätte. Dies soll eine längerfristige Perspektive zur Teilhabe am Arbeitsmarkt eröffnen. Neben der Eröffnung von Teilhabechancen bleibt die Förderung von Beschäftigungsfähigkeit und damit der Übergang aus der geförderten in eine ungeförderte Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittel- und langfristiges das Ziel.

Höhe und Dauer

§ 16i Abs. 2 SGB II regelt Höhe und Dauer der Förderung.

Der Lohnkostenzuschuss ist der Höhe nach pauschal festgelegt und degressiv ausgestaltet. Die degressive Ausgestaltung berücksichtigt, dass die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers in Bezug auf die ausgeübte Tätigkeit im Regelfall mit zunehmender Dauer des Arbeitsverhältnisses ansteigt. Damit wird gerechtfertigt, den Anreiz für die Beschäftigung nach und nach abzusenken.

Der Zuschuss beträgt:

in den ersten beiden Jahren des Arbeitsverhältnisses100 Prozent
im dritten Jahr des Arbeitsverhältnisses90 Prozent
im vierten Jahr des Arbeitsverhältnisses80 Prozent
im fünften Jahr des Arbeitsverhältnisses70 Prozent

Voraussetzungen

Teilnehmer am sozialen Arbeitsmarkt müssen mindestens sieben Jahre lang Hartz IV bezogen haben und sechs Jahre lang arbeitssuchend sein.

Darüber hinaus spielen bestimme „Vermittlungshemmnisse“ eine Rolle – zu diesen gehören Umstände, die eine erfolgreiche Arbeitsplatzvermittlung schwierig oder bislang unmöglich gemacht haben. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit wird dieses Angebot derzeit von etwa 42.000 Menschen angenommen. Die Aufwendungen dafür betragen bislang pro Jahr etwa vier Milliarden Euro.

Kein Geld?

Wenn man bedenkt, wie schnell mal so eben 100 Milliarden für die Bundeswehr bereitgestellt wurden, muten die geplanten Kürzungen bei den Ärmsten der Gesellschaft seltsam an.

Quellen: BMAS, Bundesfinanzministerium, T-Online, SOLEX, FOKUS-Sozialrecht

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