Viele Hausärztinnen und Hausärzte sind mit ihren Arbeitsbedingungen extrem unzufrieden. Ihre Wartezimmer sind oft übervoll – und nach Feierabend müssen die Hausärztinnen und -ärzte weiter am Schreibtisch sitzen, um den „Papierkram“ mit den Krankenkassen zu machen, damit sie für all ihre Leistungen bezahlt werden. Dabei falle viel zu viel Bürokratie an, sagen sie. Ihr größtes Problem ist aber dies: Sie werden nicht für alle Untersuchungen und Behandlungen, die sie an Patienten vornehmen, bezahlt.
Unser gesetzliches Krankenversicherungssystem, in dem etwa neun von zehn Deutschen versichert sind, funktioniert so: Einer (der Arzt) erbringt eine Leistung, ein Zweiter (der Patient) bekommt diese Leistung, und ein Dritter (die Krankenkasse) bezahlt dafür. Diese Dreiecksbeziehung ist anfällig für das, was Volkswirte „Fehlanreize“ nennen.
Zum Beispiel: Der Patient bestellt beim Arzt Behandlungen oder Medikamente, die er gar nicht unbedingt braucht. Der Arzt bietet sie an, weil er daran verdient. Und bezahlen muss dafür am Ende die Allgemeinheit mit steigenden Krankenkassenbeiträgen. Um das zu verhindern, sind die Einnahmen der niedergelassenen Ärzte (also solche mit eigener Praxis mit Kassensitz) gedeckelt. Das soll verhindern, dass die Kosten aus dem Ruder laufen.
Gesundheitsminister Lauterbach hat sich Anfang Januar mit den Ärztevertretern getroffen und schlägt folgendes Maßnahmepaket vor.
Reform der hausärztlichen Honorierung
- Entbudgetierung aller Leistungen der allgemeinen hausärztlichen Versorgung nach ähnlicher Systematik wie für die Kinder- und Jugendärzte.
- Einführung einer jahresbezogenen hausärztlichen Versorgungspauschale für die Be-
handlung von erwachsenen Versicherten mit chronischer Erkrankung (mit kontinuierlichem Arzneimittelbedarf). - Hausärztliche Vorhaltepauschale: Für echte Versorgerpraxen, die maßgeblich die hausärztliche Versorgung aufrechthalten, wird eine Vorhaltepauschale gesetzlich vorgegeben. Diese ist abrechenbar, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind (z.B. Hausbesuche, Mindestanzahl an Versicherten in Behandlung).
- Einführung einer einmal jährlich abrechenbaren Vergütung für Hausärzte für eine qualifizierte Hitzeberatung vulnerabler Gruppen. Ziel: Zahl der Hitzetoten soll weiter gesenkt werden (Schätzungen RKI Hitzetote 2022: 4.500 – 2023: 3.200).
Entbürokratisierung
- Einführung einer wirkungsvollen Bagatellgrenze bei den Wirtschaftlichkeitsprüfun-
gen von ärztlich verordneten Leistungen. - Festsetzung einer Ausschlussfrist von zwei Jahren für Beratungen im Rahmen der
Wirtschaftlichkeitsprüfung - Abschaffung des zweistufigen Antragsverfahrens in der Kurzzeittherapie (Psychotherapie)
- Vereinfachung bei den Vorgaben zur Einholung eines Konsiliarberichts bei ärztlich
überwiesenen Patientinnen und Patienten (Psychotherapie) - Abschaffung der Präqualifizierungspflicht für Vertragsärztinnen und -ärzte, die Hilfs
mittel an Versicherte abgeben
Digitalisierung
- Entlastung der Praxen durch die Möglichkeit zur Ausstellung von elektronischen Re-
zepten und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei bekannten Patientinnen und Patienten lediglich durch telefonische Konsultation, - Flexibilisierung des Umfangs, in dem Videosprechstunden erbracht werden können und Ermöglichung von Homeoffice für Ärzte,
- Umstellung des bisherigen BtM-Rezeptes auf einen digitalisierten Verschreibungsprozess, einschließlich digitaler Nachweisführung.
Sektorenübergreifende Versorgung
- Förderung der Ambulantisierung bislang unnötig stationär erbrachter Leistungen,
- Im Rahmen der Krankenhausreform wird die sektorenübergreifende Zusammenarbeit insbesondere durch die Einführung von Level 1i-Krankenhäusern gestärkt.
Die meisten dieser Punkte sollen durch die angekündigten Versorgungsstärkungsgesetze und die Digitalisierungsgetze in Angriff genommen werden, die Lauterbach letzten Sommer ankündigte und die seitdem in Arbeit oder im Beratungsprozess sind.
Quellen: Deutschlandfunk, Tagesspiegel, correctiv, Bundestag, FOKUS-Sozialrexht
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