Digitale Gesundheitsanwendungen: „ernüchternd“

Der jüngste Bericht des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) über die Inanspruchnahme und Entwicklung der Versorgung mit Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) 2024 liegt als Unterrichtung (21/110) der Bundesregierung vor. Zum vierten Mal berichtet der Verband über die Versorgung mit DiGAs, die seit September 2020 flächendeckend als Leistung der GKV zur Verfügung stehen.

Seit vier Jahren im GKV-Leistungskatalog

Nach vier Jahren falle die Bilanz ernüchternd aus. Das Verfahren zur Implementierung der DiGA in den GKV-Leistungskatalog habe sich aus Sicht der Beitragszahler nicht bewährt, heißt es im Vorwort des Berichts.

Zwar bestehe durch DiGAs ein großes Potenzial für eine verbesserte gesundheitliche Versorgung, jedoch könne im Rahmen des Bewertungsverfahrens der Nutzen der meisten DiGAs zunächst nicht belegt werden. Die Erprobungs- und Preismechanismen führten in vielen Fällen zu unnötigen Mehrkosten. Dies könne in Zeiten einer historisch defizitären Finanzsituation der GKV kein gangbarer Weg sein.

Wenige DiGas sind nützlich

Von den 68 DiGAs, die bis Ende 2024 in das Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgenommen wurden, hätten lediglich zwölf ihren Nutzen von Beginn an nachweisen können, heißt es in dem Bericht weiter.

Zudem stünden Preise und Nutzen in keinem angemessenen Verhältnis. Die meisten Hersteller stellten einen Antrag auf vorläufige Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis für eine zunächst einjährige Erprobung. Im ersten Jahr der Aufnahme in das Verzeichnis könnten die Hersteller den Preis selbst bestimmen. Der höchste Herstellerpreis habe bislang bei 2.077 Euro gelegen, der durchschnittliche Herstellerpreis bei 541 Euro. Der durchschnittliche Herstellerpreis für 2024 lag demnach bei 585 Euro.

Solidargemeinschaft belastet

Bei Aussichten auf eine erfolgreiche DiGA-Nutzenbewertung bestehe die Möglichkeit, die Erprobung auf ein zweites Jahr zu verlängern. Bei einem erfolgreichem Verfahren gelte der verhandelte Preis rückwirkend ab dem zweiten Jahr. Dies führe bei Insolvenzen der Hersteller zu offenen Forderungen der GKV, die sich bislang auf annähernd 20 Millionen Euro summiert hätten.

Die derzeit gültigen Regelungen bereiteten den Herstellern das Geschenk eines hohen Preises zulasten der Solidargemeinschaft, obwohl der Nutzen gering, wenn überhaupt gegeben sei. Der Verband forderte den Gesetzgeber auf, diesen Missstand zu beseitigen.

234 Millionen Euro

Bis 31. Dezember 2024 wurden dem Bericht zufolge insgesamt mehr als eine Million DiGAs ärztlich verordnet oder von den Krankenkassen genehmigt, die Leistungsausgaben der GKV für DiGA lagen bei 234 Millionen Euro. Am häufigsten werden DiGAs zur Behandlung von psychischen Erkrankungen in Anspruch genommen (30 Prozent), bei Stoffwechselkrankheiten (28 Prozent) und Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (16 Prozent).

Quellen: Bundestag, Gkv-Spitzenverband, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: AdobeStock_302010676.jpg

Elektronische Patientenakte

Der Deutsche Bundestag hat am 14.12.2023 das „Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ (Digital-Gesetz – DigiG) sowie das „Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten“ (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG) in 2./3. Lesung beschlossen. Ziel ist, mit digitalen Lösungen den Versorgungsalltag und die Forschungsmöglichkeiten in Deutschland zu verbessern.

Als Kernelement des Digital-Gesetzes wird die elektronische Patientenakte (ePA) ab 2025 für alle gesetzlich Versicherten bereitgestellt. Sie wird den Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten vorantreiben und die Versorgung gezielt unterstützen – im ersten Schritt durch die Einführung eines digital unterstützten Medikationsprozesses. Zudem wird das E-Rezept als verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung eingerichtet.

Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz – (GDNG) können künftig Gesundheitsdaten für Forschung und Entwicklung von Innovationen besser erschlossen werden und damit zu einer besseren Versorgung beitragen. Kern des Gesetzes ist die erleichterte Nutzbarkeit von Gesundheitsdaten für gemeinwohlorientierte Zwecke. Dazu wird eine Gesundheitsdateninfrastruktur mit dezentraler Datenhaltung und einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für die Nutzung von Gesundheitsdaten aufgebaut.

Die Gesetzesinhalte im Einzelnen

Digital-Gesetz

  • Die elektronische Patientenakte (ePA) wird ab Anfang des Jahres 2025 für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet. Wer die ePA nicht nutzen möchte, kann dem widersprechen (Opt-Out). Für privat Versicherte können die Unternehmen der PKV ebenfalls eine widerspruchsbasierte ePA anbieten.
  • Mit der ePA erhalten die Versicherten eine vollständige, weitestgehend automatisch erstellte, digitale Medikationsübersicht. In enger Verknüpfung mit dem E-Rezept können so ungewollte Wechselwirkungen von Arzneimitteln besser erkannt und vermieden werden. Zudem werden Ärztinnen und Ärzte im Behandlungsprozess unterstützt.
  • Von Beginn an werden in der ePA auch weitere wichtige Behandlungsinformationen, wie beispielsweise Arztbriefe, Befundberichte oder auch Entlassbriefe, verfügbar gemacht.
  • Menschen ohne eigenes Smartphone werden ihre ePA in ausgewählten Apotheken einsehen können. Außerdem werden die Ombudsstellen der Krankenkassen diejenigen Versicherten bei der Ausübung ihrer Rechte unterstützen, die ihre ePA nicht über eine ePA-App verwalten.
  • Das E-Rezept wird weiterentwickelt, als verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung etabliert und ein weiterer Zugangsweg per ePA-App eröffnet.
  • Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) werden tiefer in die Versorgungsprozesse integriert und ihr Einsatz transparent gemacht. Mit der Ausweitung der DiGA auf digitale Medizinprodukte der Risikoklasse IIb werden sie auch für komplexere Behandlungsprozesse – z.B. für das Telemonitoring – genutzt werden können.
  • Damit die Telemedizin fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung wird, werden die Mengenbegrenzungen aufgehoben und mit der Ausweitung der Telemedizin auf Hochschulambulanzen, psychiatrische Institutsambulanzen und psychotherapeutische Sprechstunden neue Versorgungsmöglichkeiten eröffnet. Mit der assistierten Telemedizin wird außerdem ein niedrigschwelliger Zugang zur Versorgung geschaffen.
  • Ein neuer Prozess für die Erstellung und Festlegung von Datenstandards sorgt dafür, dass Interoperabilitätsvorgaben von hoher Qualität und verbindlich einzuhalten sind.
  • Ein Digitalbeirat bei der gematik, der unter anderem mit Vertretern des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), der Medizin und Ethik besetzt sein wird, soll künftig die gematik bei all ihren Festlegungen mit abgewogenen Empfehlungen zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten.

Gesundheitsdatennutzungsgesetz

  • Eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für die Nutzung von Gesundheitsdaten wird bürokratische Hürden abbauen und den Zugang für die Forschung erleichtern. Hier werden erstmalig pseudonymisierte Gesundheitsdaten aus verschiedenen Datenquellen miteinander verknüpft werden können. Die Zugangsstelle soll als zentrale Anlaufstelle für Datennutzende fungieren.
  • Die federführende Datenschutzaufsicht für länderübergreifende Forschungsvorhaben wird auf alle Gesundheitsdaten ausgeweitet. Die datenschutzrechtliche Aufsicht für länderübergreifende Forschungsvorhaben im Gesundheitswesen kann durch eine/n Landesdatenschutzbeauftragte/n koordiniert werden.
  • Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) beim BfArM wird weiterentwickelt. Für die Antragsberechtigung ist nicht mehr ausschlaggebend, wer beantragt, sondern wofür. Entscheidend sind die im Gemeinwohl liegenden Nutzungszwecke. Das FDZ kann pseudonymisierte Daten mit den Krebsregisterdaten sowie Daten weiterer gesetzlich geregelter medizinischer Register verknüpfen, wenn dies für den antragsgemäßen Forschungszweck erforderlich ist und die Interessen der Versicherten hinreichend gewahrt werden.
  • Für die Datenfreigabe aus der ePA gilt künftig ein Opt-Out-Verfahren. Damit können Behandlungsdaten für Forschungszwecke besser nutzbar gemacht werden. Es werden ausschließlich Daten übermittelt, die zuverlässig automatisiert pseudonymisiert wurden. Es wird eine einfache Verwaltung der Widersprüche eingerichtet, damit Patientinnen und Patienten über die Freigabe ihrer Daten für die Forschung oder weitere Zwecke an das FDZ entscheiden können. Versicherte können ihren Widerspruch auch bei den Ombudsstellen der Krankenkassen erklären, wenn sie die ePA nicht nutzen oder ihren Widerspruch nicht digital erklären können oder möchten.
  • Kranken- und Pflegekassen dürfen auf Basis von ihnen bereits vorliegenden Daten personalisierte Hinweise an ihre Versicherten geben, wenn dies dem individuellen Schutz der Gesundheit der Versicherten dient, zum Beispiel der Arzneimitteltherapiesicherheit, der Erkennung von Krebserkrankungen und seltenen Erkrankungen oder zur Verhinderung einer Pflegebedürftigkeit.
  • Leistungserbringer und deren Netzwerke werden befähigt, ihnen vorliegende Versorgungsdaten für Forschung, Qualitätssicherung und Patientensicherheit zu nutzen. Für die Nutzung von Gesundheitsdaten besteht ein Forschungsgeheimnis. Forschende dürfen also Gesundheitsdaten nur wie gesetzlich gestattet nutzen und weitergeben. Bei Verletzung dieser Geheimhaltungspflichten gilt künftig eine Strafnorm.

Quelle: Bundesgesundheitsministerium

Abbildung: pixabay.com doctor-4187242_1280.jpg