Im Dezember 2019 beschlossen Bundestag und Bundesrat das Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts (BGBl. I S.2652 Nr. 50). Damit war der Weg frei für ein neues Sozialgesetzbuch XIV. Das Gesetz regelt Ansprüche von Gewalt- und Terroropfern, aber auch von Impfgeschädigten neu. Für Kriegsopfer gelten umfangreiche Bestandsschutzregeln. Das neue Sozialgesetzbuch gilt ab 1. Januar 2024.
Nachfolge des BVG
Das Soziale Entschädigungsrecht wird im SGB XIV gebündelt und neu strukturiert. Der Kern des Soziale Entschädigungsrechts liegt noch im Bundesversorgungsgesetz (BVG) aus dem Jahr 1950. Das BVG wurde für Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene der Weltkriege geschaffen.
Immer unübersichtlicher
Auf das BVG verweisen viele Nebengesetze, zum Beispiel das Opferentschädigungsgesetz (OEG), das Strafrechtliche und Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungs-, das Häftlingshilfe-, das Soldatenversorgungs-, das Infektionsschutz- und das Zivildienstgesetz. Insgesamt wurde das gesamte Soziale Entschädigungsrecht vor allem für die Betroffenen immer unübersichtlicher.
Personenkreis verändert sich
Die Zahl der Kriegsopfer und ihrer Hinterbliebenen geht demografiebedingt weiter zurück. Die Zahl der Opfer von Gewalttaten aber könnte tendenziell zunehmen. Deshalb wird das neue SGB XIV viel stärker an den Bedarfen von Gewaltopfern ausgerichtet. Dabei zieht der Gesetzgeber auch Konsequenzen aus dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016.
Was bedeutet Soziale Entschädigung?
Soziale Entschädigung unterstützt Menschen, die durch ein schädigendes Ereignis eine gesundheitliche Schädigung mit der Folge einer Gesundheitsstörung erlitten haben, für die die staatliche Gemeinschaft eine besondere Verantwortung trägt. Das schädigende Ereignis ist Grundlage jeglicher Entschädigung. Es ist ein Ereignis, durch das einer der Entschädigungstatbestände erfüllt wird.
Entschädigungstatbestände nach dem SGB XIV sind nach derzeitigem Stand (zivile) Gewalttaten (OEG), nachträgliche Kriegsauswirkungen der beiden Weltkriege (BVG), Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes (ZDG) sowie Impfschäden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). Durch das schädigende Ereignis muss eine gesundheitliche Schädigung eingetreten sein und diese Schädigung muss zu einer Gesundheitsstörung geführt haben. Beispiel: Messerstich in die Brust verursacht Schädigung der Lunge, die nicht folgenlos verheilt, sondern zu einer Funktionseinschränkung der Lunge führt.
Berechtigte
Berechtigte nach dem SGB XIV sind grundsätzlich
- Geschädigte (im Bereich Gewaltopfer auch Schockschadensopfer),
- Angehörige von Geschädigten,
- Hinterbliebene von Geschädigten und
- Nahestehende von Geschädigten. Darunter verstehen wir Menschen, die zu der oder dem Geschädigten in einem besonderen Näheverhältnis stehen. z. B. Menschen, die mit der oder dem Geschädigten in einer dauerhaften Lebensgemeinschaft leben, die einer Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft ähnlich ist.
Opfer sexueller Gewalt
Auch Opfer sexueller Gewalt können bei Vorliegen der weitergehenden Voraussetzungen Leistungen nach dem SGB XIV erhalten. Dies ist auch möglich, wenn die sexuelle Gewalttat schon Jahre zurückliegt.
Traumaambulanzen
Die neue Leistung der Traumaambulanzen können auch Personen in Anspruch nehmen, die das schädigende Ereignis zunächst – oft für Jahre oder Jahrzehnte – verdrängt haben, dann aber eine aktuelle/akute psychische Belastung erleben. Eine aktuelle Belastung liegt vor, wenn akute Symptome auftreten. Sie hängt nicht vom Zeitpunkt des traumatisierenden Ereignisses ab. Diese Fallkonstellation kann insbesondere bei Personen auftreten, die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden sind.
Beweiserleichterung
Dazu wird es künftig eine Regelung zur Beweiserleichterung geben, die insbesondere Opfern sexueller Gewalt zugutekommt. Für sie ist es nicht immer einfach nachzuweisen, dass die gesundheitlichen Schädigungsfolgen auf eine oft schon Jahre zurückliegende Schädigung zurückzuführen sind. Wenn nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft mehr dafür als dagegen spricht, dass zwischen erlittener Tat, gesundheitlicher Schädigung und Schädigungsfolgen ein ursächlicher Zusammenhang besteht (Prinzip der doppelten Kausalität), sind Ansprüche nach dem SGB XIV möglich. Die Kausalität wird also vermutet, wenn bei psychischen Gesundheitsstörungen Tatsachen vorliegen, die geeignet sind, einen Ursachenzusammenhang zu begründen und dies nicht durch einen anderen Kausalverlauf widerlegt wird.
Leistungskatalog nicht identisch
Der Leistungskatalog des SGB XIV ist nicht identisch mit dem Leistungskatalog des BVG. Einige Leistungen des BVG gehen in anderen Leistungen auf oder werden nach dem SGB XIV nur noch als Härtefall-Leistung erbracht.
- Badekuren, Versehrtenleibesübungen – Grund: wurden nur noch selten abgefragt, sie gehen in der Regelleistung medizinische Rehabilitation auf.
- Erholungshilfe – Grund: das Erholungsbedürfnis von Menschen hat seine Ursache nicht im schädigenden Ereignis.
- Altenhilfe – Grund: Erschwernisse im Alter haben ihre Ursache nicht im schädigenden Ereignis.
- Ausgleichsrente – Grund: Zusammenfassung in der wesentlich erhöhten monatlichen Entschädigungszahlung, Vereinfachung
- Ehegattenzuschlag – Grund: Zusammenfassung in der wesentlich erhöhten monatlichen Entschädigungszahlung, Vereinfachung.
- die Hilfe zur Pflege – Grund: geht in den ergänzenden Leistungen bei Pflegebedürftigkeit auf.
Mehr Informationen
Weitere Fragen rund um das neue SGB XIV beantwortet das Bundesministerium für Arbeit uns Soziales hier. Außerdem informiert das BMAS über das Soziale Entschädigungsrecht auch in Leichter Sprache.
Quellen: BMAS, FOKUS-Sozialrecht, Sozialverband Deutschland
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