Inklusiver Arbeitsmarkt im Bundesrat

Der Bundestag hat beschlossen, den inklusiven Arbeitsmarkt stärker zu fördern. Ausführlich hatten wir im Januar über den Entwurf berichtet Der Bundesrat stimmt am 12. Mai 2023 über die Änderungen im Sozialrecht ab. Sie bedürfen der Zustimmung der Länderkammer, um in Kraft treten zu können.

Das Gesetz zielt darauf ab, mehr Menschen mit Behinderungen in reguläre Arbeit zu bringen, mehr Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Arbeit zu halten und zielgenauere Unterstützung für Menschen mit Schwerbehinderung zu ermöglichen.

Höhere Ausgleichsabgabe

Dies soll unter anderem durch die Erhöhung der Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber erreicht werden, die trotz Beschäftigungspflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen. Für kleinere Arbeitgeber sind wie bisher Sonderregelungen vorgesehen.

Schon bislang müssen Arbeitgeber auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Diese Regelung gilt für Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen. Für jeden nicht mit einem schwerbehinderten Menschen besetzten Pflichtarbeitsplatz wird eine Ausgleichsabgabe fällig: 140 Euro bei einer Beschäftigungsquote von 3 bis 5 Prozent, 245 Euro bei einer Beschäftigungsquote von 2 bis weniger als 3 Prozent und 360 Euro bei einer Beschäftigungsquote von weniger als 2 Prozent. Das Gesetz sieht eine neue vierte Staffel vor: Liegt die Beschäftigungsquote bei 0 Prozent, sind 720 Euro zu zahlen.

Zu viele Arbeitgeber beschäftigten keine Schwerbehinderten

Die Gesetzesbegründung verweist darauf, dass noch immer etwa 45.000 beschäftigungspflichtige Arbeitgeber – rund ein Viertel – keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigten. Diese Arbeitgeber sollen eine höhere Ausgleichsabgabe zahlen als diejenigen Arbeitgeber, die wenigstens in geringem Maße schwerbehinderte Menschen beschäftigen.

Weitere Neuerungen

Die Mittel aus der Ausgleichsabgabe sollen sich künftig auf die Förderung der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt konzentrieren.

Für Anspruchsleistungen des Integrationsamtes wird eine Genehmigungsfiktion nach sechs Wochen eingeführt, um die Bewilligungsverfahren zu beschleunigen.

Die Deckelung für den Lohnkostenzuschuss beim Budget für Arbeit wird aufgehoben, dadurch soll sichergestellt werden, dass auch nach Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro bundesweit der maximale Lohnkostenzuschuss – soweit nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich – gewährt werden kann.

Außerdem richtet das Gesetz den Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizinische Begutachtung neu aus.

Quelle: Bundesrat

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Gesetzentwurf zum Inklusiven Arbeitsmarkt

Will man eine inklusive Gesellschaft, dann gehört die Teilhabe am Arbeitsmarkt vorangig dazu. Eine Teilhabe am Arbeitsleben führt besonders bei Menschen mit Behinderungen auch zu sozialer Teilhabe und zur Teilhabe an Bildung. Ziel des Gesetzesvorhabens des Bundesarbeitsminiseriums (BMAS) ist daher ein offener, inklusiver und zugänglicher Arbeitsmarkt, in dem Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt und selbstbestimmt am Arbeitsleben teilhaben können. Jegliche Form der Diskriminierung aufgrund von Behinderung im Zusammenhang mit einer Beschäftigung ist abzubauen.

Ziele

Die Maßnahmen des Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts zielen deshalb darauf ab,

  • mehr Menschen mit Behinderungen in reguläre Arbeit zu bringen,
  • mehr Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Arbeit zu halten und
  • eine zielgenauere Unterstützung für Menschen mit Schwerbehinderung zu ermöglichen.

Wesentliche Inhalte des Entwurfs:

Einführung einer vierten Staffel bei der Ausgleichsabgabe:
Für beschäftigungspflichtige Arbeitgeber, die keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, soll bei der Ausgleichsabgabe eine vierte Staffel eingeführt werden, um die Antriebsfunktion der Ausgleichsabgabe zu verstärken. Für die betreffenden Arbeitgeber soll die Ausgleichsabgabe erhöht werden. Für kleinere Arbeitgeber mit weniger als 60 beziehungsweise weniger als 40 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen sollen wie bisher Sonderregelungen gelten, die geringere Beträge der Ausgleichsabgabe vorsehen. Die vierte Staffel soll mit Wirkung vom 1. Januar 2024 eingeführt werden. Sie ist dann erstmals zum 31. März 2025 zu zahlen, wenn die Ausgleichsabgabe für das Jahr 2024 fällig wird. Bei diesem Vorhaben handelt es sich um eine Vorgabe des Koalitionsvertrages.

Aufhebung der Bußgeldvorschrift des § 238 Absatz 1 Nummer 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX):
Ein Verstoß gegen die Beschäftigungspflicht kann derzeit – zusätzlich zur Ausgleichsabgabe – mit einem Bußgeld bis zu 10 000 Euro geahndet werden. Wenn die Arbeitgeber, die keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, künftig eine erhöhte Ausgleichsabgabe zu zahlen haben, erscheint es nicht mehr angemessen, die Nicht-Beschäftigung zusätzlich auch noch mit einem Bußgeld zu sanktionieren. Die Vorschrift soll deshalb aufgehoben werden.

Vollständige Verwendung der Mittel der Ausgleichsabgabe zur Unterstützung und Förderung der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt:
Die in der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung vorgesehene Möglichkeit, Mittel der Ausgleichsabgabe nachrangig auch für Einrichtungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben – insbesondere für Werkstätten für behinderte Menschen – zu verwenden, soll gestrichen werden. Auch bei diesem Vorhaben handelt es sich um eine Vorgabe des Koalitionsvertrages.
Vorhaben zur Förderung der Ausbildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollen zukünftig auch dann aus dem Ausgleichsfonds förderfähig sein, wenn die Zielgruppe über keine anerkannte Schwerbehinderung verfügt, jedoch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhält.

Genehmigungsfiktion für Anspruchsleistungen des Integrationsamtes:
Zur Sicherstellung eines zeitnahen Abschlusses des Bewilligungsverfahrens der Integrationsämter wird für Leistungen, auf die ein Anspruch besteht (Arbeitsassistenz und Berufsbegleitung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung), eine Genehmigungsfiktion nach Ablauf von sechs Wochen eingeführt. Bei dem Vorhaben handelt es sich um eine Vorgabe des Koalitionsvertrages.

Aufhebung der Deckelung beim Budget für Arbeit:
Beim Budget für Arbeit ist der vom Leistungsträger zu erstattende Lohnkostenzuschuss nach aktueller Rechtslage auf 40 Prozent der Bezugsgröße begrenzt. Durch die Abschaffung der Deckelung wird sichergestellt, dass auch nach Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro bundesweit der maximale Lohnkostenzuschuss – soweit nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich – gewährt werden kann.

Aufgabenschärfung Inklusionsbetriebe:
Inklusionsbetriebe sind selbst Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarkts, die wirtschaftlich agieren und sich wie andere Unternehmen am Markt behaupten müssen. Sie können deshalb nicht länger dazu verpflichtet sein, ihre eigenen Beschäftigten an andere Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarkts zu vermitteln. Die aus der Zeit temporär angelegter Integrationsprojekte stammende Formulierung ist deshalb zu streichen.

Neuausrichtung des Sachverständigenbeirates Versorgungsmedizin:
Um Betroffene als Expertinnen und Experten in eigener Sache besser bei der Arbeit des „Ärztlichen Sachverständigenbeirates Versorgungsmedizin“ zu berücksichtigen, soll dieser zu einem „Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizinische Begutachtung“ weiterentwickelt und im SGB IX geregelt werden (heute in der VersMedV). Künftig sollen die Verbände für Menschen mit Behinderungen, die Länder sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales je sieben Mitglieder benennen, darunter jeweils mindestens vier Ärztinnen oder Ärzte, die versorgungsmedizinisch oder wissenschaftlich besonders qualifiziert sind. Daneben können und sollen aber auch Sachverständige mit einer anderen Kompetenz (z. B. aus dem Gebiet der Sozial- oder Arbeitswissenschaft, der Teilhabeforschung oder der Disability Studies) benannt werden. Die Zusammensetzung des Beirates folgt damit nicht mehr einem rein medizinisch orientierten Verständnis von Behinderung, sondern einem teilhabeorientierten und ganzheitlichen Ansatz.

Beitrags- und Zuschussregelungen für Mitglieder von Solidargemeinschaften bei Hilfebedürftigkeit und bei Arbeitslosigkeit:
Die teilweise seit Langem bestehenden Solidargemeinschaften bieten ein alternatives Konzept der gemeinschaftlichen Absicherung in Krankheitsfällen an. Bislang war eine Übernahme der Beiträge zur Solidargemeinschaft oder ein Zuschuss zu diesen Beiträgen im Fall der Hilfebedürftigkeit sowie bei Arbeitslosigkeit rechtlich nicht möglich. Künftig sollen entsprechende Zuschusszahlungen sowie die Anerkennung als Bedarfe im Falle der Hilfebedürftigkeit beziehungsweise die Übernahme der Beiträge beim Bezug von Arbeitslosengeld möglich sein. Sie erhalten zur Sicherstellung ihrer Absicherung im Krankheitsfall als Bestandteil des nach dem Sozialstaatsprinzip zu gewährenden Existenzminimums ebenfalls, wie auch die privat krankenversicherten Bezieherinnen und Bezieher von Grundsicherungsleistungen, einen Beitragszuschuss nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder die Möglichkeit, die Aufwendungen für die Mitgliedschaft in einer Solidargemeinschaft als Bedarf nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu berücksichtigen.

Inkrafttreten

Das Gesetz soll im Wesentlichen zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Quelle: BMAS

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Inklusiver Arbeitsmarkt

Am 25. April befasste sich der Ausschuss für Arbeit und Soziales mit Vorschlägen und Anträgen der CDU und der Linken zur Förderung des inklusiven Arbeitsmarktes. Dazu eingeladen waren Fachverbände, Gewerkschaft und Arbeitgebervertreter und Betroffenen-Organisationen.

Antrag der CDU

Die Unionsfraktion fordert in ihrem Antrag  unter anderem eine bessere wirtschaftliche Absicherung von Inklusionsbetrieben und den Ausbau von Beratungsangeboten für Arbeitgeber. Das Budget für Arbeit solle durch eine Erhöhung der Lohnkostenzuschüsse attraktiver gemacht werden. Außerdem soll nach den Vorstellungen der Abgeordneten ein bundesweites Förderprogramm dafür sorgen, die barrierefreie digitale Infrastruktur in außerbetrieblichen Ausbildungsstätten und die digitale Kompetenz von Auszubildenden und deren Ausbildern zu verbessern.

Antrag der Linken

Die Linken fordern in ihrem Antrag die volle Partizipation von Menschen mit Behinderungen und ihren Organisationen zu garantieren. Diese sei Kernelement der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), jedoch im politischen Handeln noch nicht selbstverständlich, kritisiert die Fraktion. Sie verlangt transparente Kriterien für eine barrierefreie, volle Partizipation von Menschen mit Behinderungen und ihren Organisationen und Verbänden mit diesen zusammen zu erarbeiten. Barrierefreie Partizipation soll nicht nur räumliche, sondern auch kommunikative und digitale Barrierefreiheit umfassen. Alle Bedarfe für alle Menschen mit unterschiedlichen Behinderungsformen müssen dabei abgedeckt werden, verlangen die Abgeordneten. Die Regierung soll außerdem einen Gesetzentwurf vorlegen, um im Rahmen der Selbsthilfeförderung bedarfsdeckende finanzielle Mittel für Selbstvertretungsorganisationen zuzuweisen.

Ziele werden begrüßt

Die Sachverständigen begrüßten die Ziele,  Beratungsangebote für Arbeitgeber zur Schaffung inklusiver Arbeitsplätze auszubauen, Inklusionsbetriebe zu stärken und die Budgets für Arbeit und Ausbildung zu entbürokratisieren und so weiterzuentwickeln. Auch für die stärkere politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen müssten noch viele Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.

Höhere Ausgleichsabgabe

Darüber hinausgehend forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund, eine vierte Stufe der Ausgleichsabgabe einzuführen, um die Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen, Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Nötig seien höhere Beiträge der Ausgleichsabgabe.

Förderung von Inklusionsfirmen

Claudia Rustige von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Inklusionsfirmen e. V. nannte die Forderung nach Zugang der Inklusionsfirmen zu Wirtschaftsförderprogrammen längst überfällig. Aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit seien diese Betriebe davon häufig ausgeschlossen, das sei ein Wettbewerbsnachteil. Auch übten diese Betriebe schon lange mehr als eine „Brückenfunktion“ aus, sagte Rustige.

Träger für Ausbildungen unterstützen

Matthias Münning von der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe BAGüS mahnte an, das Budget für Ausbildung funktioniere nicht allein für sich und nicht allein über Geld. Man brauche immer auch einen Träger, der begleitende Maßnahmen anbiete.

Ptenziale in Unternehmen nutzen

Monika Labruier von der ProjektRouter gGmbH verwies darauf, dass die Unternehmen viel stärker darin unterstützt werden müssten, ihre Potenziale zu nutzen. „Wenn sie die nötige Unterstützung bekommen, haben sie schon ein großes Interesse daran, Menschen mit Behinderungen einzustellen“, betonte sie.

Menschen sichtbar machen

Stephan Göthling vom Mensch zuerst-Netzwerk People First Deutschland e.V. verwies darauf, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten im politischen Prozess nicht sichtbar seien. Für eine solche Mitarbeit aber bräuchten sie Zeit, zum Beispiel, um Texte zuerst einmal in Leichte Sprache zu übersetzen. Die Fristen für die Abgabe von Stellungnahmen seien aber oft viel zu kurz dafür, kritisierte Göthling.

Entgeltsystem in Werkstätten

Die Lebenshilfe fordert in ihrer ausführlichen Stellungnahme auch eine auskömmliche Entlohnung für die in Werkstätten und bei anderen Leistungsanbietern beschäftigten Menschen mit Behinderung.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht, SOLEX

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