BSG: Jobcenter zahlt Schulbücher

Urteil

Das Bundessozialgericht hat heute (8.5.2019) entschieden, dass die Kosten für Schulbücher vom Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf zu übernehmen sind, wenn Schüler mangels Lernmittelfreiheit ihre Schulbücher selbst kaufen müssen. (Aktenzeichen B 14 AS 6/18 R und B 14 AS 13/18 R). Siehe auch hier.

Die Kosten für Schulbücher sind zwar dem Grunde nach vom Regelbedarf erfasst, nicht aber in der richtigen Höhe, wenn keine Lernmittelfreiheit besteht. Denn der Ermittlung des Regelbedarfs liegt eine bundesweite Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zugrunde. Deren Ergebnis für Schulbücher ist folglich nicht auf Schüler übertragbar, für die anders als in den meisten Bundesländern keine Lernmittelfreiheit in der Oberstufe gilt.

Daher sind Schulbücher für Schüler, die sie mangels Lernmittelfreiheit selbst kaufen müssen, durch das Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf nach § 21 Absatz 6 SGB II zu übernehmen. Dieser Mehrbedarf wurde aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz eingeführt.

Ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 SGB II scheidet aus, weil dieses einen vom Regelbedarf zutreffend erfassten Bedarf voraussetzt, was bei fehlender Lernmittelfreiheit gerade nicht der Fall ist.

Was sind Mehrbedarfe im SGB II?

Bestimmte Personengruppen oder Personen in Sondersituationen erhalten über die Regelleistung hinaus höhere Leistungen (Mehrbedarfe). Diese werden (meist) in Form prozentualer Anteile vom monatlichen Regelbedarf (mtl. RB) berücksichtigt. Die Summe des insgesamt gezahlten Mehrbedarfs darf den für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten maßgebenden Regelbedarf nicht übersteigen.

Überblick über die Mehrbedarfe (§ 21 SGB II)

Werdende Mütter
(ab der 13. Schwangerschaftswoche):
17% der maßgebenden RBS § 21 Abs. 2 SGB II
Alleinerziehende (mit einem Kind unter 7 Jahren, bzw. 3 Kindern unter 16 Jahren): 36% der maßgebenden RBS § 21 Abs. 3 Nr.1 SGB II
Alleinerziehende (mit minderjährigen Kindern): pro Kind: 12% der maßgebenden RBS je Kind (maximal 60%. § 21 Abs. 3 Nr.2 SGB II
erwerbsfähige Behinderte mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 SGB IX oder bei Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 SGB XII: 35% der maßgebenden RBS § 21 Abs. 4 SGB II
§ 23 Abs. 1 Nr.3 SGB II
Nicht Erwerbsfähige, die voll erwerbsgemindert sind und einen Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen G haben 17% der maßgebenden RBS § 23 Abs. 1 Nr.4 SGB II
Kranke: kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen: in angemessener Höhe (in der Regel 10% bis 30%) § 21 Abs. 5 SGB II
Bei unabweisbaren, laufenden und nicht einmaligen besonderen Bedarfen in tatsächlicher Höhe § 21 Abs. 6 SGB II
Dezentrale Warmwasserversorgung Pauschalierung je nach Regelbedarfstufe § 21 Abs. 7 SGB II

Das Bundessozialgericht bezieht sich in seinem Urteil auf  den „unabweisbaren“ Bedarf in Absatz 6 des § 21.

Dieser Absatz 6 wurde nachträglich  (2010) in das SGB II eingefügt, nach einem herben Rüffel durch das Bundesverfassungsgericht (BVG 1 BvL 1/09).

„Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen.“

Definitionen:

Ein besonderer Bedarf liegt vor, wenn er neben den durchschnittlichen Bedarfen, die mit dem Regelbedarf abgedeckt sind, in einer atypischen Lebenslage besteht (atypischer Bedarf).

Unabweisbar ist ein Bedarf, wenn er nicht aufschiebbar und daher zur Vermeidung einer akuten Notsituation unvermeidlich ist. Insbesondere darf dieser Bedarf auch nicht durch die Zuwendungen Dritter oder unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten gedeckt werden können. In seiner Höhe muss er erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweichen.

Laufend ist ein Bedarf, wenn die Kosten in regelmäßigen Abständen anfallen – also nicht nur eine einmalige unabwendbare Situation (z.B. kaputter Kühlschrank).

Quellen: Bundessozialgericht, Bundesverfassungsgericht, SOLEX

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Ergebnisse der Sachverständigenanhörung zur Betreuervergütung im Rechtsausschuss

In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 6. Mai 2019 betonten die als Sachverständige geladenen Verbändevertreter in ihren Stellungnahmen, die Anpassung sei angesichts der Schließung von Betreuungsvereinen und Betreuungsbüros kurzfristig dringend erforderlich, könne aber nur ein erster Schritt sein. Änderungswünsche, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf geäußert hatte, lehnten die Sachverständigen wie schon zuvor die Bundesregierung ab.

Die Fragen der Abgeordneten betrafen vor allem die Arbeitsbedingungen der Betreuer und mögliche Verbesserungen, die Auswirkungen der in dem Entwurf vorgesehenen Regelungen sowie das im Gesetzgebungsprozess zutage getretene Spannungsfeld zwischen Bundesregierung und Bundesrat.

Eine detaillierte Beschreibung des Berufsalltags von Berufsbetreuern gab Hülya Özkan aus Bielefeld, die nach eigenen Angaben 43 Klienten im Alter zwischen 19 und 106 Jahren vertritt, die aus den unterschiedlichsten Gründen eine rechtliche Betreuung benötigen. Sie werde als Berufsbetreuerin bestellt, wenn alle anderen Hilfesysteme versagt hätten. Özkan verwies auf die Studie „Qualität in der rechtlichen Betreuung“ des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG), wonach Berufsbetreuer jetzt schon 20 Prozent unbezahlte Mehrarbeit leisten. Die Studie zeige auch, dass Berufsbetreuer 24 Prozent mehr Zeit und 25 Prozent mehr Vergütung bekommen müssten, um das bezahlt bekommen was sie tatsächlich leisten.

Thorsten Becker, Vorsitzender des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen (BdB), der die Interessen von über 7.000 selbständigen oder als Angestellte in Betreuungsvereinen beruflich tätigen Betreuern vertritt, begrüßte, dass der Gesetzgeber nach nunmehr 14 Jahren die Initiative zu einer Erhöhung der Betreuervergütung ergriffen und dies in der laufenden Diskussion zum Reformprozess vorgezogen habe. Jedoch falle die Anhebung im Ergebnis enttäuschend gering und damit wenig wertschätzend aus. Wegen der vor allem von einigen Bundesländern vorgebrachten Maßgabe „so oder gar nicht“ habe sich der BdB entschlossen, den Gesetzentwurf trotz der bestehenden Kritik zu akzeptieren.

Barbara Dannhäuser vom Katholischen Verband für soziale Dienste in Deutschland (SKM) erklärte, die Caritas und ihre Fachverbände begrüßten grundsätzlich die Zielsetzung des Gesetzentwurfes, die Regelungen seien aber nicht weitreichend genug. Um eine schnelle und längst überfällige Erhöhung der Betreuer- und Vormündervergütung nicht zu verhindern, stimmten die Caritas-Verbände dem Entwurf zu. Dem schloss sich Karina Schulze vom Paritätischen Gesamtverband an, der rund 160 Betreuungsvereine vertritt. Sie sprach von einer Übergangslösung. Ähnlich argumentierte Lydia Hajasch von der Bundesvereinigung Lebenshilfe. Der Refinanzierungsbedarf der Betreuungsvereine werde durch die vorgeschlagenen Regelungen nicht hinreichend gedeckt. Die Grundannahme, dass der Betreuungsaufwand mit fortlaufender Dauer sinke, sei nicht auf alle Betreuungsfälle, insbesondere auf die der Menschen mit geistiger Behinderung, übertragbar.

Dannhäuser ergänzte, mit Sorge würden die aktuellen Versuche der Länder beobachtet, weitere Kosteneinsparungen zu Lasten der Vereine zu fordern. Wie andere Sachverständige auch bewertete sie die angepeilte Erhöhung um durchschnittlich 17 Prozent angesichts von Personalkostenzuwächsen von mindestens 25 Prozent als zu niedrig. Zudem bemängelte Dannhäuser wie auch andere Experten, dass der Entwurf nicht die seit langem geforderte Dynamisierungsregelung sondern lediglich eine Evaluierung nach vier Jahren enthalte. Das sei viel zu spät, zumal mit tatsächlichen Anpassungen frühestens nach weiteren zwei bis drei Jahren gerechnet werden könne.

Walter Klitschka, 1. Vorsitzender des Bundesverbands freier Berufsbetreuer (BVfB), warnte vor einem Aussterben des Berufs, sollte es keine Existenzsicherung für Berufsbetreuer geben. An die Adresse des Bundesrates sagte er, an der Anpassung der Vergütung zum 1. Juli 2019 führe kein Weg vorbei. Die Länder wüssten seit mindestens 2017, dass eine Erhöhung der Ausgaben für Betreuung in der jetzt vorliegenden Größenordnung auf sie zukommt. Das Argument des Bundesrats zu einer Verschiebung auf 2020 aus haushaltstechnischen Gründen sei daher nicht stichhaltig. Für fragwürdig halte der Verband auch die vom Bundesrat vorgeschlagene Evaluierung erst nach fünf Jahren.

Peter Winterstein, 1. Vorsitzender des Betreuungsgerichtstags (BGT), bezeichnete die Erhöhung der Betreuervergütung als überfällig. Am Vergütungssystem seien jedoch noch weitere Änderungen erforderlich. Zu den Vorschlägen des Bundesrates sagte Winterstein, eine Verlängerung des Evaluationszeitraums dürfe es auf keinen Fall geben, da eine neuerliche Verzögerung von weiteren notwendigen Vergütungsanpassungen die Existenz von Betreuungsvereinen grundlegend gefährde.

Sehr detailliert setzte sich der Familienrechtler Tobias Fröschle von der Universität Siegen mit dem Entwurf auseinander. Ein Vorteil sei, dass eine schwer durchschaubare Berechnungsregelung durch ein einfacher zu handhabendes System ersetzt werde. Viele Zweifelsfragen blieben jedoch bestehen. Änderungen würden hier aber einer umfassenden Neuregelung vorgreifen. Entgegen der Stellungnahme des Bundesrates könne die Anpassung der Betreuervergütung keineswegs warten, bis dieser Prozess abgeschlossen ist. Das würde die Gefahr der Schließung weiterer Betreuungsvereine heraufbeschwören. Bezüglich einer Evaluation teile er jedoch die Bedenken des Bundesrates.

Wirksame Regeln und Strukturen zum Schutz vor Korruption bei rechtlicher Betreuung forderte Adelheid von Stösser von Transparency International Deutschland. Die Diskussion lasse bisher nicht erkennen, dass die Gefahr der Korruption berücksichtigt wird. Im Vordergrund stünden vielmehr Eigeninteressen der gewerbsmäßigen Akteure. Die Vergütungen duften erst steigen, wenn auch die Sicherheit verbessert werde, sagte von Stösser. Transparency International fordere bundesweit geltende Sicherheitsstandards. Nötig sei auch eine Begrenzung der Anzahl von Betreuungen pro Betreuer.

In dem Gesetzentwurf ist ausgehend vom Koalitionsvertrag eine Erhöhung der Vergütung um 17 Prozent in einem modernisierten System von Fallpauschalen vorgesehen. Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll der Vorlage zufolge eine rechtstechnisch einfach und schnell umsetzbare, Qualitätsaspekte berücksichtigende und angemessene Anpassung der seit mehr als 13 Jahren unveränderten Vergütung beruflicher Betreuer erfolgen, die insbesondere auch geeignet ist, eine existenzsichernde Finanzierung der Betreuungsvereine sicherzustellen.

In ihrer Gegenäußerung zur kritischen Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf vom 30.04.2019 (Drs. 19/9765) verteidigt die Bundesregierung ihre Vorlage und lehnt die Änderungsvorschläge der Länderkammer in jedem Punkt ab. Der Bundesrat weist in seiner Stellungnahme unter anderem darauf hin, dass der Gesetzentwurf für die Länder eine jährliche Mehrbelastung von rund 157 Millionen Euro vorsieht. Er hält es für unerlässlich, diese Mehrbelastung über einen höheren Anteil der Länder am Umsatzsteueraufkommen auszugleichen. Änderungsvorschläge betreffen auch die Evaluierung des Gesetzes und dessen Inkrafttreten. In der Gegenäußerung der Regierung heißt es unter anderem, die Finanzierung der Betreuer- und Vormündervergütung sei bei Mittellosigkeit der betroffenen Person Aufgabe der Länder. Auch gebe es aus Bundessicht keine Notwendigkeit zur Anpassung der Umsatzsteuerverteilung zugunsten der Länder. Auch positioniert sich die Bundesregierung gegen ein Inkrafttreten der Erhöhung erst zum 1 Januar 2020.

Quelle: Heute im Bundestag, Nr. 508

Impfpflicht und Statistik

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will noch dieses Jahr die Impfpflicht einführen. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt vor:

  • Kinder, die bereits in die Kita oder in die Schule gehen, müssen den Nachweis bis zum 31. Juli 2020 nachreichen. Kinder, die bereits in die Kita oder in die Schule gehen, müssen den Nachweis bis zum 31. Juli 2020 nachreichen.
  • Wer sein Kind nicht impfen lässt, dem drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 2500 Euro.
  • Nichtgeimpfte Kinder können von der Kita ausgeschlossen werden

Die Impflücken bei Masern in Deutschland seien weiterhin zu groß, wie aus neuen Auswertungen des RKI zu Impfquoten hervor gehe. Zwar haben 97,1 Prozent der Schulanfänger die erste Impfung bekommen. Aber bei der entscheidenden zweiten Masernimpfung gibt es große regionale Unterschiede, so dass auf Bundesebene die gewünschte Impfquote von 95 Prozent noch immer nicht erreicht wird. Nach den neuen Daten des RKI sind gut 93 Prozent der Schulanfänger 2017 zweimal gegen Masern geimpft.

Da lohnt sich ein Blick auf andere EU – Länder:

Länder in roter Schrift haben Impfpflicht. Dabei fällt auf, dass die Durchimpfungsquote nach der zweiten Impfung nur in 4 Ländern von 10 mit Impfpflicht höher ist als in Deutschland. Insgesamt haben 20 Länder eine noch niedrigere Durchimpfungsquote nach der zweiten Impfung.

Weiter fällt auf, dass in vielen Ländern der empfohlene Zeitpunkt der  Zweitimpfung nur in einem Land (Ungarn) früher liegt als in Deutschland mit 15 Monaten.

Zu der Zahl der Masernfälle gibt es vom Robert-Koch-Institut entsprechende Statistiken:

Ein signifikanter Anstieg der Masernfälle ist in den Jahren 2001 bis 2018 nicht zu erkennen. Zwar gibt es in den ersten 15 Wochen des Jahres 2019 schon 337 Masernfälle und damit mehr als etwa in den ersten 15 Wochen des 2018 (156). Die Durchschnittsanzahl der Masernfälle lag aber in den letzten 19 Jahren bei 596 Fällen in den ersten 15 Wochen des Jahres. Selbst, wenn man 2001 und 2002 nicht mit einrechnet (2188, bzw. 2919 Fälle) kommt man für die letzten 17 Jahre in den ersten 15 Wochen auf einen Durchschnitt von 366 Masernfällen.

Damit stellt sich die Frage, ob eine Impfpflicht wirklich mit „stark gestiegenen“ Zahlen begründet werden kann.

Noch mal zu der ersten Tabelle: 2017 wurde die gewünschte Durchimpfungsrate von 95% von  6 Ländern erreicht, drei mit Impfpflicht, drei ohne Impfpflicht.

Quellen: Bundesministerium für Gesundheit, Robert-Koch-Institut: SurvStat@RKI 2.0, https://survstat.rki.de, Abfragedatum: 05.05.2019

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Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe

Die Bafög-Reform befindet sich zur Zeit im parlamentarischen Verfahren. Sie soll in wesentlichen Teilen zum 1. August noch in diesem Jahr in Kraft treten. Eng mit den Finanzierungshilfen für Schule und Studium sind die finanziellen Hilfen für die Berufsausbildung verknüpft, die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB), und das Ausbildungsgeld.

Was leistet die BAB?

Rechtsgrundlage sind §§ 56 ff. SGB III.

Auszubildende haben einen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe, wenn die Berufsausbildung förderungsfähig ist, sie zum förderungsfähigen Personenkreis gehören und ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können.

Auszubildende erhalten Berufsausbildungsbeihilfe (BAB), wenn sie nicht mehr bei den Eltern wohnen können, weil der Ausbildungsbetrieb vom Elternhaus zu weit entfernt ist.

Sind Auszubildende über 18 Jahre alt oder verheiratet (oder waren verheiratet) oder haben mindestens ein Kind, können sie auch BAB erhalten, wenn sie in erreichbarer Nähe zum Elternhaus leben.

Gezahlt wird für die Dauer der Ausbildung.

Ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe während einer beruflichen Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme besteht, wenn

die Ausbildung oder die Maßnahme förderungsfähig ist,

die Auszubildenden zum förderungsfähigen Personenkreis gehören und die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt sind und

den Auszubildenden die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Maßnahmekosten nicht anderweitig zur Verfügung stehen.

Teilnehmende an einer ausbildungsvorbereitenden Phase der Assistierten Ausbildung nach § 130 SGB III haben ebenfalls Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe wie Auszubildende in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme.

Die Bedarfssätze der Berufsausbildungsbeihilfe orientieren sich teilweise an den Regelungen im Bundesausbildungsförderungsgesetz.

Was ist Ausbildungsgeld?

Rechtsgrundlage ist § 122 SGB III.

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Ausbildungsgeld während einer beruflichen Ausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einschließlich einer Grundausbildung.

Menschen mit Behinderungen haben ebenfalls Anspruch auf Ausbildungsgeld während einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen.

Genauso besteht Anspruch auf Ausbildungsgeld einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung im Sinne des § 55 SGB IX.

Für das Ausbildungsgeld gelten die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend

Gesetzentwurf

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf (19/9478) zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes vorgelegt. Mit dem Gesetzentwurf sollen zum einen die jüngsten Änderungen beim Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) nach- und mitvollzogen werden. Zum anderen sollen die Verfahrensvorschriften vereinfacht werden, um die Harmonisierung mit dem BAföG künftig mit geringerem Verwaltungsaufwand zu erreichen, schreibt die Regierung.

Im Detail sieht der Entwurf unter anderem vor:

  • die Unterkunftskosten in der Berufsausbildungsbeihilfe und im Ausbildungsgeld werden einheitlich pauschaliert.
  • Die Bedarfsstruktur des Ausbildungsgeldes wird vereinfacht und an jene der Berufsausbildungsbeihilfe angeglichen.
  • Die bisherige Unterscheidung nach Alter und Familienstand der Auszubildenden soll entfallen.
  • Die Höhe des Ausbildungsgeldes soll an die BAföG-Bedarfssätze angeglichen werden.
  • Erhöhungen soll es auch im Bereich der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen geben.

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 12. April 2019 gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen erhoben.

Quelle: Bundestag, SOLEX

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Schulbücher vom Jobcenter?

Am Mittwoch, dem 8. Mai 2019 wird der 14. Senat des Bundessozialgerichts mündlich in zwei Verfahren verhandeln und anschließend entscheiden (Aktenzeichen B 14 AS 6/18 R, B 14 AS 13/18 R).

In beiden Fällen bezogen die Klägerinnen mit ihren Familien laufend Arbeitslosengeld II vom beklagten Jobcenter. Zu Beginn des Schuljahrs, in dem sie die 11. Klasse des Gymnasiums besuchten, beantragten sie Geld für Schulbücher, die sie selbst kaufen müssten, weil in Niedersachsen in der Oberstufe keine Lernmittelfreiheit besteht.

Das Jobcenter lehnte den Antrag ab: Schulbücher seien vom Regelbedarf umfasst. Der Betrag könne angespart werden können, auch sei der Erwerb gebrauchter Bücher zumutbar. Ein mögliches Darlehen nach § 24 Absatz 1 SGB II werde nicht begehrt.

Das LSG hat das Jobcenter verurteilt, den Klägerinnen circa 135 beziehungsweise 200 Euro für Schulbücher zu zahlen. Schulbücher seien vom Regelbedarf offensichtlich unzureichend erfasst. Diese Lücke sei wegen der gebotenen verfassungskonformen Auslegung durch eine analoge Anwendung des Härtefall-Mehrbedarfs nach § 21 Absatz 6 SGB II zu schließen.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 21 Absatz 6 SGB II. Dessen Voraussetzungen lägen nicht vor und eine analoge Anwendung scheide mangels planwidriger Regelungslücke aus. Vorrang habe vielmehr ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 SGB II.

Das Sozialgericht Hannover, Beschluss vom 31.08.2005 – S 46 AS 531/05 ER entschied in einem ähnlichen Fall, dass die Behörde notwendige Lernmittel als unaufschiebbare Notlage auf Darlehensbasis erbringen muss, wenn keine Ansparung oder geschütztes Vermögen vorhanden ist. Damals gab es allerdings noch keine Leistungen für Bildung und Teilhabe.

Hinweise zur Rechtslage

§ 20 Absatz 1 SGB II lautet:

„Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.“

§ 21 Absatz 6 SGB II lautet:

„Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.“

§ 24 Absatz 1 SGB II lautet:

„Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Weiter gehende Leistungen sind ausgeschlossen.“

§ 28 Absatz 3 Satz 1 SGB II lautet:

„Für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf werden bei Schülerinnen und Schülern 70 Euro zum 1. August und 30 Euro zum 1. Februar eines jeden Jahres berücksichtigt.“

Quelle: Bundessozialgericht

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Klarstellung des BGH: Schonvermögensgrenze für Betreuervergütung bei 5.000 € – Erhöhungen durch das BTHG sind nicht anzuwenden

Die Eingliederungshilfe wird durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) zum 1.1.2020 aus dem SGB XII (Sozialhilfe) herausgelöst und in das SGB IX als neues eigenes Leistungsgesetz in Teil 2 integriert. Im Zuge dessen verbessern sich auch die Einkommens- und Vermögensgrenzen für Menschen mit Behinderungen. Zum 1.1.2017 wurde durch das BTHG eine bis 31.12.2019 geltende Übergangsregelung in § 60 a SGB XII geschaffen: Menschen mit Behinderungen, die Eingliederungshilfe beziehen, erhalten zusätzlich – neben dem bisherigen Schonbetrag nach § 90  Abs. 2 Nr. 9 SGB XII – einen Vermögensfreibetrag i.H.v. von bis zu 25.000 € für ihre Lebensführung und Alterssicherung.

Diese Konstruktion führte zu Unklarheiten, welcher Schonbetrag seit 1.1.2017 bei der Betreuervergütung zu berücksichtigen ist. § 1836c Ziffer 2 BGB formuliert den Einsatz des „Vermögens nach Maßgabe des § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“. Dies bedeutete bis 31.12.2016 bei der Berechnung der Mittellosigkeit im Rahmen der Vergütungsfestsetzung: geschützte Barvermögen in Höhe von 5000 Euro gem. § 1836c Nr. 2 BGB, § 5 Abs. 1, 2 VBVG 1 i.V.m. § 90  Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, § 1 der Verordnung zu § 90 Nr. 2 SGB XII.

Mit Geltung ab 1.1.2017 nahmen einige wenige Landgerichtsbezirke an, dass die der neuen Regelung des zusätzlichen Vermögensfreibetrags in § 60a SGB XII auch für die Vergütungsfestsetzung gilt, viele Bezirke dagegen nicht. Auch die Gerichte entschieden uneinheitlich.

Der Bundesgerichtshof stellte nun in seinem Beschluss vom 20.3.2019 (XII ZB 290/18) klar, dass der Vermögensfreibetrag nach § 60a SGB XII keine Anwendung findet:

„Auch wenn ein Betreuter Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen bezieht, hat er sein Vermögen für die Vergütung seines Betreuers insoweit einzusetzen, als es den allgemeinen Schonbetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von derzeit 5.000 € übersteigt. Der erhöhte Vermögensfreibetrag nach § 60 a SGB XII von bis zu 25.000 € findet dabei keine Anwendung.“ – so der Leitsatz des BGH.

Neben einer ausführlichen historischen Analyse führt der BGH insbesondere als Argument gegen eine Anwendung an, dass es sich bei der Zahlung der Betreuervergütung aus der Staatskasse nicht um eine Form der Eingliederungshilfe handele. Von daher sei bereits eine Anwendung des § 60a SGB XII – der im 6. Kapitel „Eingliederungshilfe“ verortet ist – nicht angezeigt.

Zudem wäre eine Berücksichtigung der Übergangsregel § 60a SGB XII gegenüber der Rechtslage ab 1.1.2020 eine „vorübergehende“ Besserstellung, was der Gesetzgeber sicher nicht gewollt haben kann. Der BGH argumentiert diesbezüglich wie folgt:

„(a) Durch das Bundesteilhabegesetz wird das Recht der Eingliederungshilfe mit Wirkung zum 1. Januar 2020 aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch herausgelöst und im Neunten Buch Sozialgesetzbuch Teil 2 geregelt. Dadurch sollen die mit dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch begonnenen Schritte einer Trennung von Fachleistung und von Leistungen zum Lebensunterhalt zum Ab-schluss gebracht werden. Die Eingliederungshilfe soll sich künftig auf die reinen Fachleistungen konzentrieren, während die Leistungen zum Lebensunterhalt wie bei Menschen ohne Behinderungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetz-buch oder dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erbracht werden sollen (BT-Drucks. 18/9522 S. 4). Die derzeit noch in § 92 Abs. 2 SGB XII genannten Ein-gliederungsmaßnahmen, wie die Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, werden zukünftig in § 138 Abs. 1 SGB IX geregelt sein. Für diese Leistungen wird weiterhin kein Vermögen einzusetzen sein, nachdem § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII inhaltsgleich in § 140 Abs. 3 SGB IX übernommen wird (BT-Drucks. 18/9522 S. 90 f., 303 f.).

Für alle anderen Leistungen der Eingliederungshilfe sieht der neue § 139 SGB IX eine an § 90 SGB XII angelehnte Regelung zur Vermögensanrechnung vor, wobei die Höhe des einzusetzenden Barvermögens mit mehr als 50.000 € deutlich über den Schonbetrag nach § 90 Abs. 1 [red. Anm.: gemeint ist wohl Abs. 2] Nr. 9 SGB XII hinausgeht. Der Gesetzgeber hielt diese Erhöhung für angezeigt, weil es um Menschen mit erheblicher Teilhabeeinschränkung gehe und die Regelung des § 139 SGB IX nur für Fachleistungen der Eingliederungshilfe gelte (BT-Drucks. 18/9522 S. 91, 304).

Menschen mit Behinderungen sollen also in Bezug auf alle Eingliederungsleistungen des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch, soweit sie nicht ohnehin bereits unabhängig von vorhandenem Vermögen zu erbringen sind, in den Genuss eines erhöhten Freibetrags kommen. Dagegen sollen Leistungen zum Lebensunterhalt auch künftig nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erbracht werden. Für solche Leistungen wird auch weiterhin nach Maßgabe des § 90 SGB XII – ebenso wie für die Betreuervergütung – vorhandenes Vermögen einzusetzen sein.“

Quelle: Beschluss inklusive Begründung des BGH vom 20.3.2019 (Az. XII ZB 290/18)

Entlastung von Unterhaltspflichtigen

Koalitionsvertrag 2018, Zeile 4500:
„Auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern soll künftig erst ab einem Einkommen in Höhe von 100.000 Euro im Jahr zurückgegriffen werden.“
Diese Vereinbarung will der Minister für Arbeit und Soziales nun umsetzen, wie einige Zeitschriften und die Tagesschau unter Berufung auf das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichten. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll noch vor der Sommerpause vorgelegt werden.

Aktuelle Rechtslage

Können alte Menschen aufgrund von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit ihren Lebensunterhalt nicht mehr selbst finanzieren, zahlt zunächst das Sozialamt. Bei entsprechendem Einkommen und Vermögen werden die Mittel aber von deren Kindern zurückgefordert. Der Elternunterhalt ist in der Praxis Anlass für zahlreiche rechtliche Auseinandersetzungen geworden. Verwandte in gerader Linie sind gemäß § 1601 BGB grundsätzlich verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Verwandte in gerader Linie sind, von den Eltern aus gesehen, ihre Kinder oder Enkelkinder und ihre Eltern. Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung fassen die Unterhaltspflicht sehr weit.

Höhe des Unterhalts

Die Höhe des Unterhaltsbetrages richtet sich nach der Leistungsfähigkeit und dem Vermögen des Verpflichteten. Für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs kommt es entscheidend auf die Ermittlung der unterhaltsrelevanten Einkünfte an. Zur Ermittlung der monatlichen Durchschnittseinkünfte werden in der Regel die Einkünfte während der letzten zwölf Monate zusammengezählt und durch zwölf dividiert. Bei Selbstständigen sind die Einkünfte der letzten drei Jahre zu Grunde zu legen. Es ist das sogenannte „bereinigte“ Nettoeinkommen zu ermitteln, also das Einkommen, vermindert um die gesetzlichen Abzüge für Sozialabgaben und Steuern sowie den sogenannten „berufsbedingten“ und sonstigen Aufwendungen.

Zur Ermittlung der Höhe des Unterhalts wird das „bereinigte“ Nettoeinkommen herangezogen. Von diesem Nettoeinkommen werden die bestehenden Belastungen abgezogen. Damit wird das unterhaltsrelevante Einkommen ermittel.

Gibt es Kinder oder einen – aktuellen oder früheren – Ehegatten, so haben diese Unterhaltspflichten Vorrang.

Selbstbehalt

Wenn das unterhaltsrelevante Einkommen ermittelt ist, wird den Unterhaltspflichtigen ein Betrag als Selbstbehalt zugebilligt. Dieser Selbstbehalt ist nicht durch Unterhaltsansprüche antastbar und beträgt für Verheiratete 3.240 EUR (1.800 EUR je Unterhaltspflichtiger, inkl. 480 EUR Warmmiete und 1.440 EUR für den Ehegatten inkl. 380 EUR Warmmiete) monatlich.

Vermögen

Nicht nur mit dem Einkommen, sondern auch mit vorhandenem Vermögen müssen Unterhaltspflichtige für den Unterhalt ihrer Eltern einstehen. Allerdings sind hier durch die Rechtsprechung Grenzen gesetzt. Zum Vermögen zählen beispielsweise

  • Ferienhäuser
  • Bankguthaben
  • Aktien und Wertpapiere.

Wie beim Einkommen gilt aber auch hier, dass bis zu einer gewissen Grenze vorhandenes Vermögen nicht herangezogen wird.

Was ist geplant?

Erwachsene Kinder von pflegebedürftigen Eltern, die selbst nicht genug Geld für den Heimplatz haben, sollen entlastet werden . Auf ihre Einkünfte sollen die Sozialämter künftig erst bei einem Jahreseinkommen ab 100.000 Euro zugreifen dürfen.

Eltern von Kindern mit Behinderung sollen nur noch mit einem Bruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro pro Jahr verpflichtet werden, sich selbst zu beteiligen, wenn zum Beispiel Eingliederungshilfen gewährt werden. Derzeit müssen Eltern beispielsweise mitbezahlen, wenn behinderte Kinder Anspruch auf einen staatlich finanzierten Umbau zu einer barrierefreien Wohnung oder einen Gebärdendolmetscher haben.

Zusätzlich sieht der Gesetzentwurf ein Ausbildungsbudget für Menschen mit Behinderung vor. Betroffene sollen auch dann gefördert werden, wenn sie außerhalb einer Behindertenwerkstatt eine reguläre Ausbildung antreten.

Bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung besteht, anders als bei der Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe), schon lange die Regelung,  dass das Einkommen der Kinder oder Eltern des Hilfebedürftigen erst ab 100.000 Jahresverdienst herangezogen wird. Dies gilt allerdings nicht für die Ehegattin/Partnerin oder den Ehegatten/Partner.

Quellen: Redaktionsnetzwerk Deutschland, Tagesschau, SOLEX

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Bundesteilhabegesetz (Teil 14) – Trennung der Leistungen (2)

Notwendiger Lebensunterhalt

§ 27a und § 42 SGB XII

Der notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung, Erzeugung von Warmwasser und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Dabei gehören zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Bei Kindern und Jugendlichen umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch den besonderen, insbesondere den durch ihre Entwicklung und ihr Heranwachsen bedingten Bedarf.

Eine Abweichung gibt es allerdings bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung. § 113 Abs.4 SGB IX. Hier ist im notwendigem Lebensunterhalt in den existenzsichernden Leistungen nur der Warenwert eines Mittagessens eingepreist, nicht aber die Kosten, die bei der außerhäuslichen Zubereitung anfallen (Personal, Räumlichkeiten, Geräte und so weiter). Die nicht gedeckten Kosten gelten deswegen als Fachleistung im Rahmen der Sozialen Teilhabe.

Bei der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben gehört etwa die Eintrittskarte für das Kino durchaus zum notwendigen Lebensunterhalt, die Kosten für eine eventuell nötige Begleitperson sind aber als Fachleistung zu beantragen.

Auch bei einfachen Tätigkeiten im Alltag kann es manchmal schwierig werden, die Leistungen genau zu trennen:

Ein Beispiel

Ein Bewohner in einer stationären Einrichtung, bzw. besonderen Wohnform, möchte für seine Geburtstagsfeier eine besondere Nachspeise in der Gemeinschaftsküche zubereiten. Er braucht dabei die Unterstützung eines Mitarbeiters sowohl beim Einkauf als auch bei der Zubereitung. Da er Diabetiker ist muss anschließend der Blutzuckerspiegel gemessen und Insulin verabreicht werden.

Bis Ende 2019 werden alle Leistungen, Lebensmittel, Benutzen der Gemeinschaftsküche, Assistenz beim Einkaufen und Zubereiten vom Sozialhilfeträger übernommen, unabhängig davon, wer die Leistung erbringt oder wie oft sie erbracht wird oder ob damit individuelle Teilhabeziele erreicht werden. Die Leistungen werden erbracht, weil der Bewohner in der stationären Einrichtung lebt. Es handelt sich also um einrichtungszentrierte Leistungen.

Anders sieht es im Jahr 2020 aus. Jetzt werden bewohnerzentrierte Leistungen erbracht:

Lebensmittel Notwendiger Lebensunterhalt
Sozialhilfeträger
Assistenz beim Einkauf Fachleistung
Eingliederungshilfeträger
Benutzen der Gemeinschaftsküche Kosten der Unterkunft
Sozialhilfeträger
Assistenz beim Zubereiten Fachleistung
Eingliederungshilfeträger
Blutzuckerspiegel, Insulinspritze Häusliche Krankenpflege
Krankenkasse

Bei dem Projekt „Geburtstagsdessert“ werden fünf Leistungen erbracht, die in vier verschiedene Leistungsbereiche mit vier verschiedenen Kostenträgern aufgeteilt werden.

Finanzierung über den Regelbedarf

Vorbehalt:
Das, was im Folgenden beschrieben wird, ist geltendes Recht ab 1.1.2020. Trotzdem kann es sein, dass die Regelungen erst später, vielleicht ab 2023 umgesetzt werden. Der Grund ist, dass der Stand der BTHG – Umsetzung und Vorbereitung heute (Stand: 22.4.2019) den Schluss nahe legen, dass man schlicht und ergreifend nicht fertig wird. Vermutlich wird es zunächst Übergangslösungen geben. Wie weit dann „alte“ Regelungen weiter bestand haben, ist noch nicht bekannt.

Der notwendige Lebensunterhalt von Menschen mit Behinderung wird ab 2020 nun unabhängig von der Wohnform über den Regelbedarf finanziert.

§ 27a SGB XII, Anlage Regelbedarfsstufen

Menschen mit Behinderungen in eigenen Wohnungen haben wie bisher Anspruch auf Regelbedarfsstufe 1, es sei denn, sie leben mit einem Ehegatten oder Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft mit einem Partner zusammen. Dann bekommen sie Regelbedarfsstufe 2

Menschen mit Behinderungen, die in einer besonderen Wohnform nach § 42a Abs.2 Satz 3 SGB XII, also in den ehemaligen stationären Einrichtungen, leben, haben Anspruch auf Regelbedarfsstufe 2. Hierbei gelten die Einkommens- und Vermögensgrenzen der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung.

Die Leistungsberechtigten in besonderen Wohnformen erhalten nach Antragstellung vom zuständigen Träger (SGB XII oder SGB II) einen monatlichen Regelsatz nach Regelbedarfsstufe 2 einschließlich der Mehrbedarfe nach dem SGB XII. Der Regelsatz wird auf ein vom Leistungsberechtigten bzw. seinem Vertreter bestimmten Konto überwiesen. Aus diesem Regelsatz muss er seinen Lebensunterhalt bestreiten. Der Barbetrag nach altem Recht entfällt.

Wenn der Leistungsberechtigte im gemeinschaftlichen Wohnen lebt, wird er für die Versorgung mit Lebensmitteln sowie den Waren- und Materialeinsatz für Wäsche- und Wohnungsreinigung etc. ein Angebot des Wohnraumanbieters erhalten. In vielen Fällen wird der Anbieter zugleich Leistungserbringer in der Eingliederungshilfe sein. In diesem Fall werden diese Leistungen im Wohn- und Betreuungsvertrag zwischen Leistungsberechtigtem und Leistungserbringer zu vereinbart.

Die Zusammensetzung des Regelsatzes (§ 5 Regelbedarfsermittlungsgesetz) lässt erkennen, dass darin Bestandteile enthalten sind, die nach der bisherigen Systematik überwiegend in der Grundpauschale abgebildet sind. Dazu gehören bspw. Nahrungsmittel, aber auch Strom, Reinigungs- und Putzmittel, Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -Gegenstände, Duschgel, Shampoo, Toilettenpapier.

Andere Bestandteile, wie Bekleidung, Innenausstattung, Freizeit wurden dem Barbetrag und der Bekleidungspauschale zugeordnet. Diese Bestandteile machen etwa 130 bis 160 Euro der Regelbedarfsstufe 2 aus. Laut § 121 Abs.4 Punkt 6 SGB IX soll im Gesamtplan festgelegt werden, welcher Anteil den Leistungsberechtigten als Bargeldleistung für die Deckung der persönlichen Bedarfe verbleibt.

Der Rest, also etwa 220 bis 250 Euro, wäre das, was der Leistungsnehmer dem Anbieter für die volle Versorgung im Monat bezahlen könnnte.

Ein weiteres (im Gesamtplan) zu lösendes Problem ist, dass es mit Sicherheit auch Unterhaltskosten entstehen, die Teilhabeleistungen, also Fachleistungen betreffen. Bei der Ausrichtung von Feiern, beim Erwerb von Alltagskompetenzen, bei Freizeitaktivitäten, Einladungen, Besuchen usw. entstehen Kosten, die normalerweise dem Lebensunterhalt zugeordnet werden. Menschen mit Behinderungen würden jedoch in ihrer Teilhabe extrem eingeschränkt, wenn nicht im Zusammenhang mit der Eingliederungshilfe auch Kosten, zumindest anteilig, übernommen würden, die ansonsten dem Lebensunterhalt zugeordnet sind.

Quellen: Bundestag, BMAS, SOLEX, FOKUS Sozialrecht

Artikelserie BTHG-Umsetzung auf FOKUS Sozialrecht:

Abbildung: fotolia: group-418449_1280.jpg

Bundesteilhabegesetz (Teil 13) – Trennung der Leistungen (1)

Die Neuausrichtung der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz hin zu einer personenzentrierteren Leistungserbringung, die unabhängig von der Wohnform des Menschen mit Behinderung erfolgen soll, führt dazu, dass die bisherige Finanzierung der Leistungen der Eingliederungshilfe neu geregelt werden muss. Die Fachleistungen müssen von den existenzsichernden Leistungen getrennt werden. Diese Trennung erfolgt zum 1. Januar 2020, die vertragsrechtlichen Regelungen dafür traten jedoch schon zum 1. Januar 2018 in Kraft.

Das bisherige vollversorgende, im SGB XII einheitlich geregelte Leistungs- und Vergütungssystem endet endgültig mit Stichtag 01.01.2020.

Dies gilt jedoch nur für die Eingliederungshilfeleistungen der erwachsenen Menschen mit Behinderungen. Bei minderjährigen Menschen mit Behinderung werden durch Sonderregelungen die bestehenden Strukturen beibehalten. Das „Sondersystem“ Lebensunterhalt in Einrichtungen – § 27b SGB XII (Barbetrag, Zusatzbarbetrag, Bekleidungsgeldpauschale) – entfällt im Bereich der Eingliederungshilfe, nicht jedoch bei anderen im SGB XII verbleibenden Leistungsbereichen (z.B. Wohnungslosenhilfe nach Kapitel 8 SGB XII).

Die Wohn- und Unterstützungsangebote für erwachsene Menschen mit Behinderung organisieren und finanzieren sich künftig aus mindestens zwei Leistungsgesetzen und über mehrere Zahlungsströme.

Auftrennung der Leistungen innerhalb des Sozialleistungssystems

Leistungen Zuständigkeit
Leistungen zur Teilhabe
(= Fachleistungen)
Eingliederungshilfeträger
SGB IX
Leistungen zum Lebensunterhalt und Wohnen
(= existenzsichernde Leistungen)
Sozialhilfeträger
SGB XII

Existenzsichernde Leistungen werden auch durch andere Sozialleistungen gewährt (siehe unten).

Der Unterschied zwischen Existenzsichernden Leistungen und Fachleistungen ist nicht immer eindeutig. Vor allem in den besonderen Wohnformen, die bis Ende 2019 noch stationäre Einrichtungen heißen dürfen, wird das deutlich. Etwa dann, wenn die genutzten Wohnflächen aufgeteilt werden müssen nach privat genutztem Wohnraum, gemeinschaftlich genutzter Wohnraum und Wohnraum, der unter die Eingliederungshilfe fällt, also Fachleistung ist. Zusätzlich gibt es noch Wohnflächen mit gemischter Nutzung.

Ein weiteres Beispiel sind die Verwaltungs- und Leitungskosten so einer Einrichtung. Der Teil der Kosten, der für die Organisation der Betreuung aufgewendet wird, gehört zur Eingliederungshilfe; der Teil, der für die Organisation der Hausverwaltung und Haustechnik anfällt, gehört zu den Kosten der Unterkunft und damit zu den Existenzsichernden Leistungen.

Fachleistungen

In der neuen Eingliederungshilfe erfolgt ab 01.01.2020 keine Differenzierung zwischen stationären und ambulanten Leistungen (anders als im Ordnungsrecht/Heimrecht oder Baurecht). Im Rahmen der Eingliederungshilfe werden die Fachleistungen

übernommen.

Gleichzeitig übernimmt der Träger der Eingliederungshilfe die Kosten der Unterkunft, die die sog. Angemessenheitsgrenze von 25 % übersteigen, soweit wegen des Umfangs von Assistenzleistungen ein gesteigerter Wohnraumbedarf besteht (s.o.).

Außerdem werden ausschließlich die Kosten der erforderlichen sächlichen und personellen Ausstattung und der betriebsnotwendigen Anlagen für die Mittagsverpflegung in Verantwortung der Werkstatt oder bei einem anderen Leistungserbringer oder beim Leistungserbringer der andere tagesstrukturierende Maßnahmen vom Träger der Eingliederungshilfe finanziert, wenn Leistungsberechtige in gemeinschaftlichen Settings sich selbst das Essen nicht zubereiten können. (§ 113 Abs.4 SGB IX)

Existenzsichernde Leistungen

Existenzsichernde Leistungen, also notwendiger Lebensunterhalt, Mehrbedarfe, einmalige Bedarfe und Kosten für Unterkunft und Heizung, werden nicht vom Vertrags- und Vergütungsrecht des SGB IX erfasst. Damit entfällt das bisherige Referenzsystem der Grund-, Maßnahme- und Investitionskostenpauschale im Vertrags- und Vergütungsrecht. Wesentliche Kostenbestandteile werden von den Leistungsberechtigten beispielsweise aus der Grundsicherung zu finanzieren sein. Zu den existenzsichernden Leistungen werden künftig keine Vereinbarungen mehr zwischen den Leistungserbringern und den Trägern der Eingliederungshilfe geschlossen. Für die Leistungserbringer verändern sich damit Risiken der Kostenkalkulation und Refinanzierbarkeit der erbrachten Leistungen.

Existenzsichernde Leistungen werden gewährt im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Auch die Grundsicherung für Arbeitsuchende gewährt existenzsichernde Leistungen, ebenso Bafög oder die Leistungen für Asylbewerber und diverse Rentenarten. Hier begnügen wir uns mit den Regelungen des SGB XII zum notwendigen Lebensunterhalt und zu den Kosten der Unterkunft, weil dies die meisten Fälle betrifft.

Zu den Existenzsichernden Leistungen gehören

  • die Kosten für Ernährung
  • die Kosten für Kleidung
  • Hygienekosten
  • Kosten für (in vertretbarem Umfang) eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft
  • Kosten für Hausrat
  • die Wohnkosten, incl. Heizkosten und Nebenkosten (Kosten der Unterkunft)

Bis auf den letzten Punkt werden diese Punkte unter dem Sammelbegriff „notwendiger Lebensunterhalt“ zusammengefasst. (Siehe auch: Bundesteihabegesetz Teil 14 – Trennung der Leistungen (2))

Kosten der Unterkunft

§ 42a Abs.2 SGB XII

Die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) sind grundsätzlich der Grundsicherung zuzuordnen, sodass diese nicht mehr Bestandteil der Entgeltverhandlungen nach § 125 SGB IX sind. Die tatsächlichen angemessenen Aufwendungen für Miete und Heizkosten werden als Bedarf berücksichtigt. Auch in einer besonderen Wohnform ist die Miete für den persönlichen Wohnraum in tatsächlicher Höhe zugrunde zu legen. Bei Belegung durch mehrere Personen wird eine anteilige Aufteilung vorgenommen. Die Gemeinschaftsraummiete wird auf alle Bewohner/innen, denen der Gemeinschaftsraum zur Nutzung überlassen ist, nach Köpfen zu gleichen Teilen aufgezuteilt. Die Kosten für Unterkunft und Heizung sind bis zur Angemessenheitsgrenze in der Grundsicherung für einen Einpersonenhaushalt (je nach Ort) als angemessen anzusehen. Hierauf wird – innerhalb der Grundsicherung – ein bis zu 25%iger Aufschlag gewährt, wenn mindestens eine der Zusatzkosten nach § 42a Abs. 5 SGB XII (Fassung ab 1.1.2020) ausgewiesen wird. Übersteigen die anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung diesen Wert von 125%, ist der Überschussbetrag vom Eingliederungshilfeträger zu übernehmen

Ausführliches dazu im Beitrag Kosten der Unterkunft ab 2020.

Mehr zum Thema siehe: Bundesteihabegesetz Teil 14 – Trennung der Leistungen (2)

Quellen: Bundestag, BMAS, SOLEX, FOKUS Sozialrecht

Artikelserie BTHG-Umsetzung auf FOKUS Sozialrecht:

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BVerfG: Wahlrecht für betreute Menschen gilt bereits zur Europawahl – Antrag bzw. Einspruch notwendig

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat per einstweiliger Anordnung am 15. April 2019 die Vorschriften zum Wahlrechtsausschluss von behinderten und psychisch kranken Menschen zur Europawahl gekippt (Az.: 2 BvQ 22/19). Bereits Ende Januar 2019 hatte das Gericht ja bereits Wahlrechtsausschlüsse bei der Bundestagswahl wegen Verstoß gegen den Gleichberechtigungssatz verworfen. Mehr als 80.000 Betroffene können daher nun an der Europawahl am 26. Mai teilnehmen. Voraussetzung ist aber, dass sie einen entsprechenden Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis bzw. Einspruch gegen das Wählerverzeichnis gestellt haben.

Die Fraktion der Grünen/Bündnis 90, FDP und Linke hatten einen Eilantrag gestellt, damit auch behinderte Menschen, für die ein Betreuer alle Angelegenheiten des Lebens regelt, sowie im Maßregelvollzug untergebrachte, psychisch kranke und schuldunfähige Straftäter an der Europawahl teilnehmen können. Aufgrund der Dringlichkeit hat das Bundesverfassungsgericht nun die Entscheidung als sogenanntes „Stuhlurteil“ gefällt; danach wird der Tenor bereits im Anschluss an die Verhandlung verkündet. Die genaue Urteilsbegründung folgt später nach.

Die Regelungen im deutschen Europawahlgesetz, wonach in allen Angelegenheiten unter Betreuung stehende Menschen und schuldunfähige Straftäter nicht an den Europawahlen teilnehmen dürfen, sind nicht anzuwenden, so der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts. Personen, die bisher von den Wahlrechtsausschlüssen für in allen Angelegenheiten Betreute und für in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte schuldunfähige Straftäter betroffen waren, können nach erfolgreichem Antrag bzw. Einspruch an der Europawahl am 26. Mai 2019 teilnehmen.

Notwendig: Antrag bzw. Einspruch aktiv stellen

Personen, für die bisher ein Wahlrechtsausschluss im Melderegister eingetragen war, werden nicht automatisch bzw. von Amts wegen in das Wählerverzeichnis aufgenommen. Sofern sie bei der Europawahl ihre Stimme abgeben wollen, müssen sie einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen (§ 17 Absatz 1 Europawahlordnung) oder Einspruch gegen das Wählerverzeichnis einlegen (§ 21 Europawahlordnung).

Auf den Seiten des Bundeswahlleiters ist zu entnehmen, wer einen Antrag stellen bzw. Einspruch gegen das Wählerverzeichnis erheben kann. Beide notwendigen aktiven Handlungen sind an Fristen gebunden:

  • Nicht Sesshafte, Personen, die sich in einer Justizvollzugsanstalt oder einer entsprechenden Einrichtung befinden sowie Personen mit Wohnsitz im Ausland können bis 5. Mai 2019 (21. Tag vor der Wahl) einen schriftlichen Antrag bei der Gemeinde ihres Hauptwohnortes stellen. Dabei sind Familiennamen, Vornamen, Geburtsdatum und die genaue Anschrift zu nennen. Der Antrag ist persönlich und handschriftlich zu unterzeichnen. Sofern erforderlich, ist Hilfestellung durch andere Personen (Bevollmächtigte, rechtliche Betreuer) möglich.
  • Personen, die mit Hauptwohnsitz in Deutschland gemeldet sind und nicht zu den oben genannten Personengruppen gehören, können vom 6. bis 10. Mai 2019 einen Einspruch – schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Gemeindebehörde – gegen das Wählerverzeichnis einlegen. Der Einspruch ist persönlich und handschriftlich zu unterzeichnen. Auch hier ist – sofern erforderlich – Hilfestellung durch andere Personen möglich.

Auf den Seiten des Bundeswahlleiters stehen sowohl für den Antrag als auch für den Einspruch Mustervorlagen zur Verfügung: www.bundeswahlleiter.de