Bewegung beim Asylbewerberleistungsgesetz?

Offensichtlich sollen  jetzt doch die Leistungen für Asylbewerber angehoben werden. Dies berichtet „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf eine „Ministeriumssprecherin“ des Bundesarbeitsministeriums.

Wie FOKUS Sozialrecht schon Anfang Dezember 2018 im Beitrag „Keine Anpassung der Regelsätze im Asylbewerberleistungsgesetz“ berichtete, ist die ausbleibende Erhöhung der Beträge in den letzten Jahren schlicht rechtswidrig.

§ 3 Abs. 4 AsylbLG besagt, dass der Bargeldbedarf sowie der notwendige Bedarf jeweils zum 1. Januar eines Jahres entsprechend der Veränderungsrate nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch fortgeschrieben werden soll, also entsprechend den Regelbedarfsstufen der Sozialhilfe. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales soll jeweils spätestens bis zum 1. November eines Kalenderjahres die Höhe der Bedarfe, die für das folgende Kalenderjahr maßgebend sind, im Bundesgesetzblatt bekannt geben.

Dies ist in den letzten drei Jahren nicht geschehen.

Der Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 (Bargeldbedarf plus notwendiger Bedarf – alleinstehender oder alleinerziehender Erwachsener) beträgt zur Zeit insgesamt 354 Euro. Der Teil, der auch als Taschengeld bezeichnet wird, also der Betrag zur Deckung der persönlichen Bedarfe, beträgt 135 Euro. Dieses Taschengeld soll nun um 15 Euro angehoben werden, Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren sollten dann 79 statt 76 Euro bekommen und Kinder zwischen sechs und 13 Jahren 97 statt 83 Euro. Für Kinder unter sechs Jahren sollen 84 statt bisher 79 Euro gezahlt werden.

Das Taschengeld soll ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Von dem Taschengeld müssen unter anderem bezahlt werden:

  • Bus- und Bahntickets
  • Telefonkosten
  • Konzerte, Kino
  • Bildungsangebote
  • Gaststätten und Übernachtungen
  • Körperpflegemittel

Nicht die Rede war in dem Bericht davon, dass es auch eine Erhöhung der Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs geben soll. Damit wäre nur die Hälfte der gesetzlichen Vorgaben erfüllt.

Der notwendige Bedarf umfasst:

  • Ernährung
  • Unterkunft
  • Heizung
  • Kleidung
  • Gesundheitspflege
  • Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushats.

Kaum war bekannt geworden, dass es nun einen zaghaften Versuch gibt, einen rechtswidrigen Zustand zu beenden, fühlen sich CDU-Politiker bemüßigt, stattdessen eine Senkung der Leistungen zu fordern; der Leistungen, die das Bundesverfassungsgericht als absolutes Existenzminimum festgelegt hat.

Menschen das Existenzminimum verweigern zu wollen klingt nach Aufforderung zur Körperverletzung.

Quellen: Bild am Sonntag, Fokus-Sozialrecht

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Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes

Nach den Plänen zur Erhöhung der Bafög-Sätze liegt nun auch ein Gesetzentwurf vor, der die Berufsausbildungsbeihilfe und das Ausbildungsgeld anpassen soll.

Berufsausbildungsbeihilfe

Auszubildende erhalten Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) nach den §§ 56 ff. SGB III, wenn sie nicht mehr bei den Eltern wohnen können, weil der Ausbildungsbetrieb vom Elternhaus zu weit entfernt ist. Sind Auszubildende über 18 Jahre alt oder verheiratet (oder waren verheiratet) oder haben mindestens ein Kind, können sie auch BAB erhalten, wenn sie in erreichbarer Nähe zum Elternhaus leben. Gezahlt wird für die Dauer der Ausbildung.

Ausbildungsgeld

Menschen mit Behinderung haben Anspruch auf Ausbildungsgeld

  • während einer beruflichen Ausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einschließlich einer Grundausbildung,
  • während einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen,
  • während einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung im Sinne des § 55 SGB IX.

Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge

Die Veränderungen bei Bedarfssätzen und Freibeträgen im BAföG werden bei den Leistungen des SGB III nachvollzogen. Ebenso wie beim Bafög im ersten Schritt zum 1.8.2019, im 2. Schritt zum 1.8.2020. Die Einkommensgrenzen werden dann noch einmal – wie beim Bafög – zum 1.8.2021 angehoben.

Beispiele:
Bedarf für den Lebensunterhalt bei beruflicher Ausbildung bei Unterbringung außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils:
zur Zeit:         372 Euro
ab 1.8.2019    391 Euro
ab 1.8.2020    398 Euro

Bedarf für den Lebensunterhalt bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen im Haushalt der Eltern:
zur Zeit:         231 Euro
ab 1.8.2019    243 Euro
ab 1.8.2020    247 Euro

Einkommensanrechnung beim Ausbildungsgeld – Einkommen der Eltern, es bleiben anrechnungsfrei:
zur Zeit:         3.113 Euro
ab 1.8.2019:   3.331 Euro
ab 1.8.2020    3.431 Euro
ab 1.8.2021    3.637 Euro

Rechts- und Verwaltungsvereinfachungen

Der Bedarf für die Unterkunft in der Berufsausbildungsbeihilfe und im Ausbildungsgeld wird als einheitlicher Pauschalbetrag ausgestaltet.

Die Bedarfssatzstruktur des Ausbildungsgeldes wird deutlich vereinfacht und an die Struktur der Berufsausbildungsbeihilfe angeglichen. Die bisherige Unterscheidung nach Alter und Familienstand der Auszubildenden entfällt und weitere Differenzierungen aufgrund der Unterbringungsformen werden vereinfacht. Zudem findet eine Angleichung an die BAföG-Bedarfssätze statt.

Das Ausbildungsgeld im ersten und zweiten Jahr des Berufsbildungsbereichs beträgt ab 1. August 2019 117,- Euro. Eine Abstufung zwischen beiden Jahren im Berufsbildungsbereich (bislang 67,- Euro im ersten Jahr und 80,- Euro im zweiten Jahr) soll also künftig entfallen.

Der Bedarfssatz für Teilnehmende an einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen einer Unterstützten Beschäftigung wird auf den Bedarfssatz bei einer Berufsausbildung erhöht.

Quellen BMAS, SOLEX

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Erhöhung der Vergütung von beruflichen Betreuern und Vormündern: Gesetzentwurf liegt vor

Über zehn Jahre hat sich an der Vergütung nichts geändert. Und nun geht es doch schneller als erwartet: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung – an den Bundesrat übermittelt am 1. März 2019 – wurde als besonders eilbedürftig qualifiziert und mit Fristablaufsdatum 12. April 2019 versehen. Dies deutet stark darauf hin, dass der Zeitplan der Bundesregierung darauf abzielt, das Gesetzgebungsverfahren mit 2. Einbringen in den Bundesrat am 12. April 2019 abzuschließen.

Der Zeitplan würde dann wie folgt lauten:

  • Erstes Einbringen in den Bundesrat
  • Erste Lesung im Bundestag
  • Beratung in den Ausschüssen (vor allem Rechtsausschuss)
  • Zweite und dritte Lesung im Bundestag
  • 12.04.2019: Zweite Befassung durch den Bundesrat
  • Verkündung im Bundesgesetzblatt
  • Inkrafttreten: 1. Tag des ersten auf die Verkündung folgenen Kalendermonat (also vorauss. Mai oder spätestens Juni 2019)

Quelle: Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung (Drs. 101/19)

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Rückforderung von Blindengeld rechtens – Leistungen der Pflegeversicherung 

Ein bereits bewilligtes und gezahltes Blindengeld kann zurückgefordert werden, wenn der Antragsteller den Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung verschwiegen hat. Dies entschied das Verwaltungsgericht Aachen (VG) mit Urteil vom 19. Februar 2019.

Leistungen der Pflegeversicherung werden auf den Blindengeldanspruch zum Teil angerechnet. Daher kann ist eine rückwirkenden Aufhebung des Blindengeldes zulässig, wenn der Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung pflichtwidrig nicht mitgeteilt wird.

Der Sachverhalt:

Die im Jahr 1928 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Falls beantragte im Oktober 2007 die Gewährung von Blindengeld. Der Landschaftsverband Rheinland wies die Klägerin bei Antragstellung und wiederholt auch in den Folgejahren darauf hin, dass Leistungen der Pflegeversicherung auf den Blindengeldanspruch zum Teil angerechnet würden und sie den Bezug solcher Leistungen demensprechend mitteilen müsse. Im Jahr 2016 stellte sich heraus, dass die Klägerin seit Oktober 2008 Leistungen der Pflegeversicherung erhielt. Der Landschaftsverband Rheinland forderte daraufhin zu viel gezahltes Blindengeld in Höhe von rund 13.000 Euro zurück.

Das Urteil:

Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht Aachen entschied, dass die Voraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides erfüllt seien, da die Frau ihrer Pflicht zur Mitteilung der Änderung des Verhältnisse sei die Klägerin grob fahrlässig nicht nachgekommen. Ihre Sehbehinderung stehe dieser Bewertung nicht entgegen. Ihr sei bekannt gewesen, dass der Bezug von Pflegeleistungen Auswirkungen auf die Höhe des Blindengeldes habe und dementsprechend dem Landschaftsverband mitzuteilen gewesen sei. Nachdem ihr Pflegeleistungen ab 1. Oktober 2008 (elf Monate nach Bewilligung des Blindengeldes), bewilligt worden waren und sie nur wenige Monate später, nämlich im Mai 2009, erneut auf ihre diesbezügliche Mitteilungspflicht hingewiesen worden war, hätte es sich ihr aufdrängen müssen, dass dieser Sachverhalt dem Landschaftsverband mitzuteilen sei.

Als grob fahrlässig wäre es unabhängig hiervon auch anzusehen, wenn die Klägerin sich nicht darum gekümmert hätte, wie sie trotz ihrer Sehbehinderung Kenntnis von dem Inhalt behördlicher Schreiben erhalten könnte, um den ihr bekannten Obliegenheiten gegenüber den Sozialleistungsträgern nachkommen zu können.

Quelle: Pressemitteilung des Gerichts v. 19.02.2019

Fingerabdruckscan bei Asylbewerbern ist jetzt erlaubt

Seit 27. Februar 2019 sind die Regelungen zur Überprüfung der Identität mittels Fingerabdruckdaten im Asylbewerberleistungsgesetz (§ 9 Abs. 3 und § 11 Abs. 3a AsylbLG) in Kraft. Dies geht aus der Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt I Nr. 5 hervor.

Die Bekanntmachung lautet:

„Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat festgestellt, dass die technischen Voraussetzungen der Ausstattung für die nach § 10 des Asylbewerberleistungsgesetzes zuständigen Behörden mit Geräten zur Überprüfung der Identität mittels Fingerabdruckdaten geschaffen sind. Somit wird nach Artikel 31 Absatz 5 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) bekannt gemacht, dass die Artikel 4 [red. Anm. = Einfügung von Satz 2 in § 9 Abs. 3 und Einfügung von Abs. 3a in § 11 AsylbLG], … dieses Gesetzes am 27. Februar 2019 in Kraft treten.“

Mit dem oben genannten Änderungsgesetz wird geregelt, dass es zu den Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs. 1 SGB I gehört, dass Personen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beantragen bzw. bereits erhalten, auf Verlangen der zuständigen Leistungsbehörde die Abnahme der Fingerabdrücke dulden müssen, wenn dies zur Prüfung ihrer Identität – siehe § 11 Abs. 3a neu AsylbLG – erforderlich ist (§ 9 Abs. 3 Satz 2 neu AsylbLG).

Der neu eingefügte Absatz 3a AsylbLG lautet:

„(3a) Soweit nach einem Datenabruf aus dem Ausländerzentralregister Zweifel an der Identität einer Person, die Leistungen nach diesem Gesetz als Leistungsberechtigter nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4, 5 oder 7 beantragt oder bezieht, fortbestehen, erhebt die zuständige Behörde zur weiteren Überprüfung der Identität Fingerabdrücke der Person und nimmt eine Überprüfung der Identität mittels der Fingerabdruckdaten durch Abfrage des Ausländerzentralregisters vor. Die Befugnis nach Satz 1 setzt keinen vorherigen Datenabgleich mit der Ausländerbehörde nach Absatz 3 voraus. Von den Regelungen des Verwaltungsverfahrens in den Sätzen 1 und 2 kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.“

Abbildung: pixabay – OpenClipart-Vectors

Mütterrente ab 1. März

Das Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz) verabschiedet, dass zum 1. Januar in Kraft trat sieht vor, dass für erziehende Elternteile, die aufgrund der Erziehung von mehr als zwei Kindern im besonderen Maße rentenrechtliche Nachteile aufgrund eingeschränkter Erwerbsarbeit hinnehmen mussten,  für die Erziehung von vor 1992 geborenen Kindern das dritte Kindererziehungsjahr in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt wird. Sie werden insoweit gleichgestellt mit denjenigen, die ab 1992 geborene Kinder erzogen haben beziehungsweise erziehen.

Bestandsrentnerinnen wird die gestiegene Rente ab 1. März rückwirkend zum 1. Januar 2019 ausgezahlt. Neurentnerinnen erhalten die höhere Rente bereits seit Jahresbeginn.

Für jedes Kind erhalten sie dann einen halben Rentenpunkt mehr, wodurch sich die Zahl der Rentenpunkte pro Kind von zwei auf zweieinhalb erhöht. Da ein Rentenpunkt gegenwärtig einem Monatsbruttowert von 30,69 Euro im Osten und 32,03 Euro im Westen entspricht, werden monatlich also 15,35 Euro bzw. 16,02 Euro brutto mehr pro Kind ausgezahlt. Väter, die den überwiegenden Teil der Kindererziehung übernommen haben, haben ebenfalls Anspruch darauf, benötigen dafür aber die Einwilligung der Mutter. Wurde die Erziehung von beiden Elternteilen gleichermaßen übernommen, müssen sie sich einigen, wer die Erziehungszeiten angerechnet bekommt. Für Kinder ab Geburtsjahr 1992 erhalten Mütter bzw. erziehende Väter unverändert drei Rentenpunkte.

Mehr zum RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz finden Sie hier in einem Beitrag der Deutschen Rentenversicherung.

Quelle: Deutsche Rentenversicherung, Fokus Sozialrecht

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Aktualisiertes Hilfsmittelverzeichnis

Der GKV-Spitzenverband hat die Überarbeitung und Fortschreibung des ca. 32.500 Produkte umfassenden Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelverzeichnisses abgeschlossen.

Rechtliche Grundlagen

Die Versorgung mit Hilfsmitteln im Sinne des § 33 SGB V ist Teil der medizinischen Vorsorgeleistungen und der Krankenbehandlung.
Nach § 139 Abs. 1 SGB V erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen.
Nachdem es in der Vergangenheit immer wieder Beschwerden darüber gab, dass Versicherte mit schlechten und/oder veralteten Hilfsmitteln versorgt wurden, eskalierte der Streit im Herbst 2015 zwischen dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung und dem GKV-Spitzenverband, der schießlich in einer Gesetzesinitiative mündete. Mit dem „Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG)“, das am 11. April 2017 in Kraft trat, wurden zahlreiche Maßnahmen beschlossen, die zu einer besseren und transparenteren Hilfsmittelversorgung führen sollen, unter anderem wurde der  Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2018 das Hilfsmittelverzeichnis grundlegend zu aktualisieren (§ 139 Abs. 9 SGB V).

Verbesserungen für Versicherte

Die Überarbeitung des Hilfs- und Pflegehilfsmittelverzeichnis hat zu zahlreichen Verbesserungen geführt. Unter anderem:

  • Mit dem motorbetriebenen und computergesteuerten Exo-Skelett können Querschnittsgelähmte aufstehen, sich hinsetzen, stehen und gehen.
  • Mechatronische Fußpassteile und Kniegelenke verhelfen Versicherten sicherer zu gehen, senken das Sturzrisiko und erhöhen die Bewegungsmöglichkeiten.
  • Mit myoelektrisch gesteuerten Armprothesen, die mithilfe von elektrischer Energie angetrieben werden und die noch vorhanden Muskelspannungen des Armstumpfes verstärken, können Nutzerinnen und Nutzer besser greifen und Gegenstände halten.
  • Das Eigengewicht von Rollatoren darf 10 Kilogramm nicht mehr überschreiten; damit wird die alltägliche Benutzung leichter. Zu mehr Sicherheit tragen darüber hinaus Ankipphilfen, anatomische Handgriffe sowie allseitige Reflektoren bei.
  • Die Neuregelung bei der Versorgung mit Elektromobilen schreibt vor, dass der individuelle Nutzungsumfang der bzw. des Versicherten zuvor ermittelt wird; so kann etwa berücksichtigt werden, ob das Elektromobil auch im öffentlichen Nahverkehr genutzt werden soll.

In der Überarbeitung und Fortschreibung des Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelverzeichnisses für GKV-Versicherte waren zahlreiche Akteure beteiligt: Hersteller- und Leistungserbringerorganisationen, Patientenvertretungen, MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) und MDS (Medizinischer Dienst des GKV-Spitzenverbandes), medizinische Fachgesellschaften, Sachverständige sowie natürlich die Krankenkassen und ihre Verbände.

Portal zum Recherchieren

Im Zeitraum von Juli 2015 bis Dezember 2018 wurden die 41 Produktgruppen des Hilfs- und Pflegehilfsmittelverzeichnisses überarbeitet, fortgeschrieben und aktualisiert. Das Hilfsmittelverzeichnis umfasst ca. 32.500 Produkte in ca. 2.600 Produktarten. Im Webportal Hilfsmittelverzeichnis stellt der GKV-Spitzenverband ein strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis zur ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis zur Verfügung. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht der Kranken- und Pflegekassen umfasste Hilfsmittel aufgeführt. Das Hilfsmittelverzeichnis gliedert sich in Anlehnung an das jeweilige Therapieziel in 37 unterschiedliche Produktgruppen. Das Pflegehilfsmittelverzeichnis besteht aus weiteren vier Produktgruppen.

Quellen: GKV-Spitzenverband, SOLEX,

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Spahn versucht es noch mal

Der Bundesgesundheitsminister möchte unbedingt die Macht des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) einschränken und Änderungen im Verfahren zur Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung und in der Krankenhausversorgung durchsetzen.

Der erste Versuch , diese Gesetzesänderung in das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) einzubauen scheiterte an dem Widerstand der Fachverbände und des Koalitionspartners.

Nun wurde das Vorhaben – wieder völlig fachfremd – in das Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Errichtung des Deutschen Implantateregisters (Implantateregister-Errichtungsgesetz – EDIR) eingeschmuggelt.

Das Ziel des Bundesgesundheitsministers ist, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden schneller in die Versorgung gelangen. Dazu sind die notwendigen Methodenbewertungsverfahren innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Gelingt dies nicht, kann das BMG über eine Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates über die Aufnahme in die Versorgung entscheiden und die Finanzierung regeln.

Bisher gilt, dass der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung der medizinischen Versorgung vorgibt. Die Einzelheiten werden von der gemeinsamen Selbstverwaltung in eigener Verantwortung und nach definierten wissenschaftlichen Kriterien der evidenzbasierten Medizin festgelegt.

Wieder hagelt es Proteste der Kassenverbände und aus den Reihen der SPD. Vom Schritt zurück ins Mittelalter ist wieder die Rede und davon, dass die geplante Vorschrift den Partikularinteressen einzelner Leistungserbringer oder Medizinproduktehersteller diene.

Ob der Gesundheitsminister sein Anliegen nun durchboxen kann oder nicht: wenn die Methode Schule macht, fachfremde Vorschriftenänderungen kurzfristig in Gestzesvorhaben einzuschleusen, dient dies sicher nicht dem Ziel, der Poltikverdrossenheit entgegenzuwirken.

Quelle: Ärztezeitung, Verband der Ersatzkassen, Fokus Sozialrecht

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Reform der Kinder- und Jugendhilfe

Im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode haben CDU/CSU und SPD vereinbart, die Kinder- und Jugendhilfe weiterzuentwickeln und dabei insbesondere den Kinderschutz und die Unterstützung von Familien zu verbessern. Darüber hat der Bundestag am 21. Februar erstmalig beraten. Ziel ist eine Gesetzesinitiative zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe mit einer Reform des derzeit geltenden SGB VIII (Achtes Buch Sozialgesetzbuch).

Antrag der Koalitionsparteien

In einem gemeinsamen Antrag (19/7904) fordern CDU/CSU und SPD die Bundesregierung auf, in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Kinderschutz, die Übergänge zwischen den verschiedenen Leistungssystemen, die Fremdunterbringung, die Heimaufsicht und die Unterstützung von Herkunftsfamilien verbessert sowie die Qualifizierung und Unterstützung von Pflegeeltern weiterentwickelt. Die fachliche und finanzielle Verantwortung müsse dabei weiterhin bei den Kommunen und Ländern verbleiben. Beim Reformprozess sollen Perspektiven und Erfahrungen junger Menschen und Familien mit der Kinder- und Jugendhilfe sowie mit familiengerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden.

Pläne der Familienministerin

Auch die Familienministerin will die Perspektive der Betroffenen stärker berücksichtigen. SIe kündigte an, noch im Februar werde das Forschungsvorhaben „Hochproblematische Kinderschutzverläufe: Betroffenen eine Stimme geben“ starten, das die bisherige wissenschaftliche Begleitforschung zur Betroffenenbeteiligung ergänzt. Bereits seit November läuft der Dialogprozess „Mitreden & Mitgestalten“ zur Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe. Nach einer Auftaktkonferenz mit einer breit eingeladenen Fachöffentlichkeit wurde der Dialog in einer Arbeitsgruppe (AG) weitergeführt.

Auf der Plattform www.mitreden-mitgestalten.de wird fortlaufend über den Dialogprozess informiert und die Fachöffentlichkeit kann sich am Dialog beteiligen.

Antrag der Linksfraktion

Auch die Linksfraktion reichte am 21.2. im Bundestag eine Antrag (19/7909) zu dem Thema ein. Sie fordert die Bundesregierung auf, das Achte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer einzurichtenden Enquete-Kommission neu zu fassen. Die armutsbedingten Benachteiligungen von Kindern und Jugendlichen müssten abgebaut werden, um ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben umfassend zu gewährleisten. Zudem müsste rechtlich klargestellt werden, dass die im SGB VIII verankerten Leistungen nicht auf Freiwilligkeit der öffentlichen Träger beruhen. Die Kommunen seien finanziell in die Lage zu versetzen, die Umsetzung des SGB VIII zu gewährleisten.

Quellen: Bundestag, Familienministerium

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Wahlrechtsausschluss für Betreute in allen Angelegenheiten verfassungswidrig!

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 29. Januar 2019 entschieden, dass die Regelung des Wahlrechtsausschlusses in § 13 Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) für in allen ihren Angelegenheiten Betreute verfassungswidrig ist.

Im am 21. Februar 2019 veröffentlichten Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts festgestellt, dass die von dieser Regelung betroffenen Beschwerdeführer durch ihren Ausschluss von der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag in ihren Rechten verletzt sind.

Nach Ansicht des Gerichts kann zwar ein Ausschluss vom aktiven Wahlrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, wenn bei einer bestimmten Personengruppe davon auszugehen ist, dass die Möglichkeit zur Teilnahme am Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen nicht in hinreichendem Maße besteht.

§ 13 Nr. 2 BWahlG genüge aber den Anforderungen an gesetzliche Typisierungen nicht, weil der Kreis der von der Regelung Betroffenen ohne hinreichenden sachlichen Grund in gleichheitswidriger Weise bestimmt wird.

Aufgrund einer Verletzung

  1. des Grundsatzes der Allgemeinheit sowie
  2. des Verbots der Benachteiligung

liege eine Verfassungswidrigkeit vor.

1. Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit

Betreuerbestellung versus Vollmacht macht den Entzug des Wahlrechts zufällig und damit verfassungswidrig

§ 13 Nr. 2 BWahlG schließt eine Person vom Wahlrecht aus, wenn diese nicht nur krankheits- oder behinderungsbedingt unfähig ist, alle ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen, sondern wenn darüber hinaus aus diesem Grund ein Betreuer in allen Angelegenheiten bestellt wurde.

Aufgrund des im Betreuungsrecht durchgängig geltenden Erforderlichkeitsgrundsatzes unterbleibt eine Betreuerbestellung aber, soweit der Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen auf andere Weise, insbesondere durch die Erteilung einer Betreuungs- oder Vorsorgevollmacht oder hinreichende Versorgung im Familienkreis, Rechnung getragen werden kann. In diesem Fall ist § 13 Nr. 2 BWahlG nicht anwendbar und das Wahlrecht bleibt erhalten.

Letztlich ist der Wahlrechtsentzug damit davon abhängig, ob wegen des Vorliegens eines konkreten Betreuungsbedarfs die Bestellung eines Betreuers erfolgt oder ob diese aufgrund fehlender Erforderlichkeit unterbleibt. Dieser im Tatsächlichen von Zufälligkeiten abhängige Umstand stellt aber keinen sich aus der Natur der Sache ergebenden Grund dar, der geeignet ist, die wahlrechtliche Ungleichbehandlung gleichermaßen Betreuungsbedürftiger zu rechtfertigen.

Organisationserwägungen dürfen nicht gelten

Demgegenüber kann auch nicht geltend gemacht werden, der Gesetzgeber knüpfe mit seiner Entscheidung an ein streng formales Merkmal an, das klar, einfach feststellbar und bei der Organisation von Wahlen besonders praktikabel sei.

Zwar ist der Gesetzgeber berechtigt, die Durchführbarkeit der Massenveranstaltung Wahl durch typisierende Regelungen sicherzustellen, die nicht allen Besonderheiten Rechnung tragen müssen. Der Gesetzgeber muss solchen verallgemeinernden Regelungen aber realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen.

Zudem müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit stehen. Voraussetzung hierfür ist, dass die durch die Typisierung eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sind, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und das Ausmaß der Ungleichbehandlung gering ist.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Bei der Bundestagswahl 2013 waren insgesamt 81.220 Vollbetreute von einem Wahlrechtsausschluss gemäß § 13 Nr. 2 BWahlG betroffen. Welchen Anteil dieser Personenkreis an der Gesamtzahl der Personen hat, die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten nicht in der Lage sind, ist nicht feststellbar. Auch der Gesetzgeber hat sich mit dieser Frage nicht befasst. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Gruppe der umfassend Betreuungsbedürftigen, bei der mangels Erforderlichkeit eine Betreuerbestellung unterbleibt, nicht wesentlich kleiner oder sogar größer ist als die Gruppe der vom Wahlrecht ausgeschlossenen Vollbetreuten. Der Eingriff in den Gleichheitssatz ist dabei auch nicht geringfügig, da den Betroffenen durch den Wahlrechtsausschluss das vornehmste Recht des Bürgers im demokratischen Staat dauerhaft entzogen wird.

2. Verletzung des Verbots der Benachteiligung

Neben der Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl verstößt § 13 Nr. 2 BWahlG auch gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG.

Die Regelung führt zu einer Schlechterstellung von Menschen mit Behinderungen. Dieser Eingriff in den Regelungsgehalt des Schlechterstellungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG sei aus den vorstehenden Gründen nicht gerechtfertigt.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.02.2019