Brexit

Mit dem Ende der Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU, wenn es dazu kommt, entfallen auch die Regelungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit nach den Verordnungen (EG) Nr. 883/2004, (EG) Nr. 987/2009 sowie (EG) Nr. 859/2003 (in Verbindung mit der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71) als Rechtsgrundlage für die Koordinierung von britischen Leistungen unter anderem bei

  • Krankheit und Pflegebedürftigkeit,
  • Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellten Leistungen bei Vaterschaft,
  • Leistungen bei Alter, an Hinterbliebene und bei Invalidität,
  • bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten,
  • bei Arbeitslosigkeit,
  • bei der Ausbildungsförderung und
  • beim Bafög.

Um bis zu einer Neuregelung der Beziehungen und eventuellen neuen vertraglichen Vereinbarungen für die Betroffenen eine Übergangslösung zu schaffen hat das BMAS nun einen Gesetzentwurf vorgelegt mit dem schönen Titel:
Entwurf eines Gesetzes zu Übergangsregelungen in den Bereichen Arbeit, Bildung, Gesundheit, Soziales und Staatsangehörigkeit nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union

Folgende Regelungen sollen verabschiedet werden:

  • Für den Erwerb, die Aufrechterhaltung, die Dauer oder das Wiederaufleben von Ansprüchen der Kranken-, Pflege-, Unfall-, Renten- oder Arbeitslosenversicherung von Personen, die bereits vor dem Austritt im Sinne der oben genannten Verordnungen relevante Zeiten in Großbritannien zurückgelegt haben, sollen diese vor dem Austritt zurückgelegten Zeiten auch nach dem Wegfall der oben genannten Verordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (in Bezug auf Großbritannien) berücksichtigt werden, als ob Großbritannien weiterhin ein Mitgliedstaat der EU wäre.
  • Zudem sollen Personen, die vor dem Austritt in der deutschen gesetzlichen Renten- oder Krankenversicherung oder der sozialen Pflegeversicherung versichert waren, nicht allein auf Grund des Austritts ihren Versicherungsstatus verlieren oder unfreiwillig einer Doppelversicherungspflicht unterliegen.
  • In der gesetzlichen Rentenversicherung sollen bei Personen, die vor dem Austritt sowohl Zeiten nach den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland als auch nach den Rechtsvorschriften Großbritanniens zurückgelegt haben, Zeiten auch in den ersten fünf Jahren nach dem Austritt weiter berücksichtigungsfähig sein.
  • Die Lücke in der Gesundheitsversorgung, die für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Austritt und die dadurch entfallende Sachleistungsaushilfe entsteht, soll durch eine Regelung zur Kostenerstattung geschlossen werden.
  • Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung wird geregelt, dass neben den in Großbritannien eingetretenen Sachverhalten auch die in einem anderen Mitgliedstaat der EU, in einem Vertragsstaat des EWR oder in der Schweiz eingetretenen entsprechenden Sachverhalte im unfallversicherungsrechtlichen Feststellungsverfahren zugunsten des Versicherten berücksichtigt werden.
  • Durch weitere Regelungen im Arbeitsförderungsrechtsoll es möglich sein, auch über den Austrittstermin Großbritannien hinaus bereits begonnener betrieblicher Berufsausbildungen abzuschließen bzw. weiter zu unterstützen.
  • Außerdem soll die Grundlage geschaffen werden, Auszubildenden auch nach dem Austritt für einen in Großbritannien bereits vorher begonnenen Ausbildungsabschnitt gegebenenfalls noch bis zu dessen Abschluss Leistungen nach dem BAföG zu gewähren.
  • Zudem sollen auch Auszubildende, die vor dem Austritt nur wegen ihrer britischen Staatsangehörigkeit als Unionsbürger oder als Familienangehörige persönlich nach dem BAföG anspruchsberechtigt waren und eine förderungsfähige Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland betrieben haben, noch nach dem Austritt bis zum Abschluss des zu diesem Zeitpunkt laufenden Ausbildungsabschnitts weiter Leistungen nach dem BAföG erhalten können.

Damit in den Fällen, in denen Anträge auf Einbürgerung noch vor dem Austritt gestellt worden sind, längere Bearbeitungszeiten nicht zu Lasten von britischen Einbürgerungsbewerbern in Deutschland oder von deutschen Einbürgerungsbewerbern in Großbritannien gehen, soll nach diesem Gesetz in diesen Fällen auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt und Mehrstaatlichkeit hingenommen werden.

Es soll sich hierbei um ein eigenständiges Gesetz handeln, also nicht etwa Modifizierungen anderer Gesetze. Das Gesetz soll an dem Tag in Kraft treten, wenn der Austritt Großbritanniens aus der EU ohne ein Austrittsabkommen wirksam wird.

Quelle: Bundestag

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Starke-Familien-Gesetz im Bundesrat

Der Bundesrat begrüßt die von der Bundesregierung geplante Anhebung des Familienzuschlags, fordert aber noch Nachbesserungen:

Der Regierungsentwurf sieht weniger Anrechnung von Kindeseinkommen, (§ 6a Abs. 3 BKGG n.F.) vor. Der Bundesrat fordert nun, die geplante Obergrenze von 100 Euro, die bei der Anrechnung des Kindeseinkommens auf den Kinderzuschlag unberücksichtigt bleiben, zu streichen.

Die Regelung betrifft vor allem Alleinerziehende. Anders als die meisten Kinder aus Paarfamilien haben Kinder Alleinerziehender Einkommen in Form von Unterhalt oder Unterhaltsvorschuss, der den Kinderzuschlag in der Regel entfallen lässt. Diese Problematik wird durch den Gesetzentwurf angegangen, aber nicht mit der notwendigen Konsequenz. Die Regelung greift zu kurz, da die Anrechnungsquote zwar von 100 auf 45 Prozent reduziert wird, der Betrag, der unberücksichtigt bleiben darf, aber auf 100 Euro begrenzt ist. Älteren Kindern, denen relativ hohe Unterhalts- beziehungsweise Unterhaltsvorschussbeträge zustehen, wird deshalb auch nach der Neuregelung in erheblichem Umfang Einkommen angerechnet, so dass diese nicht besser gestellt sind als vorher.

Um auch die Alleinerziehenden mit älteren Kindern zu erreichen, muss die Begrenzung des unberücksichtigten Betrags auf 100 Euro entfallen. Die Streichung dieser Obergrenze hat zur Folge, dass die Höhe des Kinderzuschlags auch bei dieser Altersgruppe steigt und die Summe von Kindeseinkommen, Wohngeld und Kinderzuschlag künftig auch bei älteren Kindern höher liegt als nach der aktuellen Rechtslage. Gleichzeitig bewirkt sie, dass das Hinzutreten eines Anspruchs auf Unterhaltsvorschuss nicht mehr – wie es bisher in manchen Konstellationen der Fall ist – zu einer Reduzierung der Summe von Unterhaltsvorschuss, Wohngeld und Kinderzuschlag führt und sich somit im Ergebnis nachteilig auf die finanzielle Situation des Haushalts auswirkt. Dieses Schnittstellenproblem, das seit Langem besteht und durch die Reform des Unterhaltsvorschusses im Jahr 2017 nochmals an Bedeutung gewonnen hat, wird damit ebenfalls beseitigt.

Der Bundesrat fordert bessere Information und mehr Entbürokratisierung. Dass der Kinderzuschlag auch nach der Reform von voraussichtlich nur ca. 35 Prozent der Berechtigten in Anspruch genommen werde, könne nicht hingenommen werden.

Auch die Änderungen beim Bildungs- und Teilhabeangebot halten die Länder noch für verbesserungswürdig. So sollten auch bei Klassenfahrten keine gesonderten Anträge mehr erforderlich sein. Außerdem sei sicherzustellen, dass die Teilnahme an Lernfördermaßnahmen nicht daran scheitert, dass Schülerinnen und Schüler die Fahrtkosten nicht aufbringen können, um das Lernangebot anzunehmen. Die Beförderungskosten müssten deshalb ebenfalls übernommen werden. Zudem fordert der Bundesrat eine Regelung, wonach die Kosten fürs Mittagessen auch dann übernommen werden, wenn es nicht von der Schule selbst angeboten wird. Nach der derzeitigen Rechtslage besteht der Leistungsanspruch nur, wenn die Mittagsverpflegung der Schule obliegt. Die monatliche Unterstützung zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben muss nach Ansicht der Länder angehoben werden. Die bislang gewährten 10 Euro seien zu niedrig, um Aktivitäten wie Musikunterricht oder Sport nachzugehen.

Quelle: Bundesrat

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Terminservicegesetz wird weiter beraten

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) wurde erneut in einer Expertenanhörung des Gesundheitsausschuss beraten.

Bei der Gesetzesvorlage geht es eignetlich um schnellere Vermittlung von Patienten an Ärzte und um Verkürzung von Wartezeiten.
Der Gesetzentwurf (19/6337) beinhaltet aber auch weitergehende, teils sachfremde Regelungen, die über Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen eingereicht wurden und die am 13.2.2019 Teil der Beratung waren.

Mehrheitsbeteiligung des Bundes
bei der gematik

Die angestrebte Mehrheitsbeteiligung des Bundes von 51 Prozent an der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) wird von vielen Fachverbänden kritisch gesehen. Faktisch werde die gematik damit zur staatlichen Oberbehörde. Die Selbstverwaltung  der Gesetzlichen Krankenversicherungen werrde damit praktisch ausgeschaltet. Verantwortlich für die langsame Umsetzung der Digitalisierung im Gesundheitswesen seien die Industrie und die komplexen Zulassungsverfahren angesichts der hohen Sicherheitsanforderungen.

Aufhebung der Ausschreibungsoption im Hilfsmittelbereich

In vielen Hilfsmittelbereichen seien Ausschreibungen ein bewährtes Instrument für eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Versorgung. Sinnvoll wäre eine am individuellen Bedarf orientierte verpflichtende Beratung und Versorgung durch die Leistungserbringer mit mehrkostenfreien Hilfsmitteln. Ferner sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, Mehrkostenregelungen in bestimmten Produktbereichen auszuschließen. (GKV)

Hebammen

Der Deutsche Hebammenverband (DHV) kritisiert, die eng begrenzte Aufnahme der Geburtshelferinnen in den Wirkungsbereich des TSVG sei nicht an den Bedürfnissen der Hebammen orientiert und bringe auch keine Verbesserung für werdende Mütter und Familien. Dem Entwurf zufolge sollen die Hebammen ihre Kontaktdaten an den GKV-Spitzenverband übermitteln, der diese dann in einer „Vertragspartnerliste“ veröffentlicht. Hebammen könnten schon jetzt leicht gefunden werden. Es gäbe aber nicht genug Hebammen. Mit der Veröffentlichung von Daten würden keine zu zusätzlichen Betreuungskapazitäten geschaffen. Es werde sich nur die Zahl der Absagen erhöhen und damit der Frust bei Eltern. Der DHV forderte eine aktive Vermittlung zwischen Eltern und Hebammen nach dem Modell der Terminservicestellen.
Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) forderte eine umfassende Stärkung der Hebammenhilfe. Frauen berichteten, wie schwierig und langwierig es sei, eine Hebamme zu finden. Das gelte für die Schwangerschaftsvorsorge, die Geburtshilfe und die Nachsorge. Die geplante Hebammenliste im Internet sei ein wichtiger Schritt, aber nicht ausreichend. Es gebe weiteren Handlungsbedarf.

Quelle: Bundestag, Fokus Sozialrecht: 27.9.201823.11.2018, 5.12.2018, 10.12.2018

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Wie haben sich die Kinderrechte in Deutschland seit 2014 entwickelt?

Dieser Frage geht der 5. und 6. Staatenbericht über die Entwicklung der Kinderrechte in der Bundesrepublik Deutschland nach, der in der Sitzung des Bundeskabinetts am 13. Februar 2019 verabschiedet wurde. Er gibt einen Überblick über die Umsetzung der in der UN-Kinderrechtskonvention verankerten Rechte von Kindern in Deutschland.

Deutschland ist seit 1992 Vertragsstaat der UN-Kinderrechtskonvention und damit verpflichtet, alle fünf Jahre bei den Vereinten Nationen einen entsprechenden Bericht einzureichen. Aus diesem muss hervorgehen, welche Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte getroffen wurden und wie der Fortschritt bewertet wird.

Dieser Pflicht kommt die Bundesregierung nun nach und berichtet zu folgenden Aspekten:

  • Bürgerliche Rechte und Freiheiten von Kindern
  • Gewalt gegen Kinder
  • Familiengefüge und Alternative Fürsorge
  • Kinder mit Behinderung, Gesundheit, Wohlfahrt
  • Bildung, Freiheit und kulturelle Aktivitäten für Kinder
  • Besondere Schutzmaßnahmen (beispielsweise für Flüchtlingskinder, Straßenkinder oder Kinder aus Minderheitengruppen)

Laut BMFSJ wurden erstmals vor der Erstellung des Staatenberichts die Perspektiven von Kindern und Jugendlichen direkt mit einbezogen. Dazu wurden repräsentative Studien, in denen Kinder und Jugendliche befragt wurden, ausgewertet und zusätzliche Befragungen von Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Auch die Bundesländer wurden an der Erstellung des Staatenberichts beteiligt. Zudem konnten Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft Stellungnahmen im Berichtsverfahren abgeben.

Der Staatenbericht beinhaltet eine umfangreiche Datensammlung. Diese fasst die wichtigsten Statistiken und Erhebungen mit Bezug auf die Situation von Kindern in Deutschland und die Umsetzung ihrer Rechte zusammen.

Die Bundesregierung wird das Dokument den Vereinten Nationen vorlegen. Der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes wird den Bericht sichten. Achtzehn gewählte Expertinnen und Experten prüfen dabei, ob Deutschland die Einhaltung und Stärkung der in der UN-Kinderrechtskonvention verankerten Rechte umgesetzt hat. Das Gremium hat darüberhinaus das Recht, Empfehlungen für einen noch weitergehenden Schutz von Kindern in Deutschland auszusprechen.

>> Volltext zum 5. und 6. Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes [PDF, 407 Seiten]

Quelle: Meldung der Bundesregierung vom 13.02.2019

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Kindergeld für EU-Ausländer

Im deutschen Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder im Einkommenssteuergesetz (EStG) findet sich nichts darüber, was passiert, wenn ein Familienvater in einem fremden Land seine Arbeit verliert. Bekommmt er dann auch weiterhin Kindergeld für die Kinder, die in seiner Heimat leben?

Durch den Begriff „Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer“ im Wortlaut des § 1 Abs. 3 BKGG bzw. § 62 Abs. 2 EStG läßt sich schließen, dass Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten (§ 1 AufenthG, einschließlich der neuen Beitrittsländer unter den Voraussetzungen des § 13 AufenthG), der EWR-Staaten (§ 12 AufenthG, also Norwegen, Island, Liechtenstein) sowie der Schweiz (§ 28 AufenthV) von einem etwaigen Ausschluss vom Kindergeldbezug nicht betroffen sind. Oder anders ausgedrückt: Dieser Personenkreis hat vollen Anspruch auf Kindergeld, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.

In der EU-Verordnung Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, Artikel 67 steht eindeutig: „Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.“
Auch hier wird nicht explizit die Möglichkeit erwähnt, dass jemand unter Umständen im fremden Land jahrelang ohne Arbeit lebt.

Auf die oben genannte EU-Verordnung hat sich nun ein seit 2003 in Irland lebender Rumäne bezogen, dessen zwei Kinder in Rumänien blieben. Er wurde 2009 arbeitslos und erhielt ein Jahr lang eine beitragsabhängige Arbeitslosenunterstützung. Anschließend bezog er für drei Jahre eine beitragsunabhängige Arbeitslosenunterstützung und schließlich für zwei Jahre eine Unterstützung bei Krankheit. In der Zeit des Bezugs der beitragsunabhängigen Arbeitslosenunterstützung versagten ihm die irischen Behörden das Kindergeld.

Nun bekam der Mann vor dem Europäischen Gerichtshof recht: Der EuGH hat entschieden, dass EU-Ausländer weder eine Beschäftigung ausüben noch aufgrund oder infolge einer Beschäftigung eine Geldleistung beziehen müssen, um Anspruch auf Familienleistungen für ihre in einem anderen EU-Staat wohnenden Kinder zu haben. Die Verordnung bestimme, dass eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats hat, als ob sie in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.

Quelle: EuGH-Urteil v. 07.02.2019 (C‑322/17), SOLEX

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Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten

Im Oktober 2018 berichteten wir kurz über die Forderung des Spitzenverbandes der Krankenkassen (GKV), dass Versicherte künftig auf Versorgungsbezüge generell nur noch den halben Beitragssatz inklusive Zusatzbeitrag zahlen sollten. Im Bundestag wurde kürzlich eine Debatte zu diesem Thema (Antrag der Linken) abgesagt, weil ein Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorliege, die Debatte daher überflüssig sei.

Bei der Durchsicht des Referentenentwurfs („Gesetz zur Beitragsentlastung der Betriebsrentnerinnen und -rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung“ v. 15.01.2019) und der darauf folgenden Reaktionen bekommt man den Eindruck, dass der Entwurf so gestrickt ist, dass er nicht durchkommt. Es geht natürlich um die Finanzierung.

Schon die Berechnungen des GKV bezifferten die Kosten auf 3 Milliarden Euro. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass 2,5 Millarden aus Steuern finanziert werden, 500 Millionen durch die Krankenkassen. Diese Finanzierung wird sowohl vom Finanzministerium als auch von den Krankenkassen abgelehnt. Die Kassen wären auch durch andere Regelungen betroffen. Neben der Beitragshalbierung (§ 248 SGB V) bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ab 2020 (für versicherungspflichtige wie für freiwillige Mitglieder), sieht der Gestzentwurf vor:

  • Erhöhung des jährlichen Bundeszuschusses für die pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen von 14,5 auf 17 Mrd. Euro
  • Senkung der gesetzlichen Mindestreserve des Gesundheitsfonds von 25 Prozent auf 20 Prozent einer Monatsausgabe.
  • Ausweitung des Verbots der Anhebung des kassenindividuellen Zusatzbeitragssatzes
  • Ausweitung der im Zusammenhang mit der Erhebung von Zusatzbeiträgen bestehenden Sonderkündigungsrechte der Mitglieder
  • Ausweitung der Informationspflichten der Kassen für die Fälle, in denen der kassenindividuelle Zusatzbeitragssatz nicht im gleichen Maße wie der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz sinkt.

Das BMG begründet seinen Gesetzentwurf nicht damit, dass die Zahlung des vollen Beitragssatzes nicht rechtens sei, es verweist ausdrücklich auf entsprechende Bestätigungen durch das Bundesverfassungsgericht und das Bundessozialgericht.
Ziel sei es vielmehr, die Attraktivität betrieblicher Altersvorsorge zu erhöhen und damit die Altersarmut zu bekämpfen.

Quelle: BMG, Fokus Sozialrecht, Referentenentwurf über: portal sozialpolitik

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Gerechte Grundrente

Bundesarbeitsminister Hunertus Heil legte Anfang Februar ein Eckpunkte-Papier zur Grundrente vor. Das hat für eine Menge Diskussionsstoff gesorgt.

Was steht drin?

Zuschlag bei der Rente

Die Rente wird um einen Zuschlag erhöht, wenn die Versicherten mindestens 35 Jahre „Grundrentenzeiten“ vorweisen können – das sind Pflichtbeitragszeiten vor allem aus Beschäftigung, Kindererziehung und Pflegetätigkeit. Grundlage der Berechnung sind die in den „Grundrentenzeiten“ erworbenen Entgeltpunkte. Die Grundrente wird ohne Bedürftigkeitsprüfung ermittelt.

Verbesserungen beim Wohngeld

Rentnerinnen und Rentnern, die mindestens 35 Jahre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben, soll künftig ein pauschaler Freibetrag beim Wohngeld gewährt werden. In der Höhe sollte sich der Freibetrag an dem bereits für schwerbehinderte Menschen existierenden Freibetrag von 125 Euro orientieren. Die Miet- bzw. Einkommensgrenzen zum Wohngeld sollten regelmäßig angepasst werden.

Freibetrag in der Grundsicherung

Wer 35 Jahre lang in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war, soll einen Freibetrag in der Grundsicherung erhalten. Der Freibetrag soll 25 Prozent der individuellen Rente umfassen, maximal aber aktuell 106 Euro (25 Prozent der Regelbedarfsstufe 1).

Kritikpunkte

  • Hauptsächlich wird die starre Grenze von 35 Jahre Pflichtbeitragszeiten kritisiert. Menschen, die einen Monat zu wenig nachweisen können, gingen leer aus. Laut Spiegel-online wurden im September 2018 etwas mehr als 400.000 Rentner gezählt, die auf Grundsicherung angewiesen sind. Von denen würden nur etwa 130.000 von den Vorschlägen profitieren, weil sie 35 Jahre nachweisen können. Alle anderen gingen leer aus.
  • das Gießkannenprinzip: Ohne Bedürftigkeitsprüfung kann man zwar einiges an Bürokratie einsparen, andererseits kämen aber auch einige in den Genuss der Besserstellung, die es überhaupt nicht nötig haben.
  • die Kosten der Reform von vom BMAS selbst geschätzten mehreren Milliarden Euro haben selbsternannte Haushaltsexperten schon in Panik versetzt.

Ganz oder gar nicht?

Gerechter wäre höchstwahrscheinlich ein genereller dynamischer Freibetrag von der Rente bei der Grundsicherung, ähnlich wie er bei Hartz IV – Bezug schon existiert. Wenn sich die Höhe des Freibetrags nach der Höhe der Rente richtete, spielten auch bei dem Modell die Anzahl der Beitragsjahre eine Rolle, allerdings nicht nach der Regel: Ganz oder gar nicht.

Quellen: Spiegel-Online, BMAS

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Bayerisches Familiengeld nicht auf Sozialleistungen / Hartz IV anrechenbar

Seit dem 1. September 2018 wird das Bayerische Familiengeld ausgezahlt. Seitdem besteht auch der Streit zwischen der Bayrischen Staatsregierung und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), ob diese Leistung auf Sozialleistungen – insbesondere SGB II-Leistungen – als Einkommen angerechnet werden muss oder nicht.

Die Konstruktion des Familiengeldes

Das Familiengeld ist unabhängig vom Einkommen und der Art der Betreuung, wird also an alle Familien ausgezahlt, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Freistaat Bayern gewährt den Eltern für jedes Kind vom 13. bis zum 36. Lebensmonat (also 2. und 3. Lebensjahr) 250 Euro pro Monat, ab dem dritten Kind 300 Euro pro Monat. Das Familiengeld erhalten Eltern für ihre Kinder, die ab dem 1. Oktober 2015 geboren sind.

Anrechenbarkeit auf SGB II-Leistungen?

Zwar ist im Bayerischen Familiengeldgesetz folgender Passus zu finden: „Das Familiengeld dient … nicht der Existenzsicherung. Es soll auf existenzsichernde Sozialleistungen nicht angerechnet werden.“ (Satz 3 und 4 von Art. 1 BayFamGG).

Ob dies tatsächlich so ist, war heftig umstritten. Das BMAS zumindest vertrat die Ansicht, dass sehr wohl eine Anrechnbarkeit gegeben sei und erließ gegenüber den Jobcentern auch eine entsprechende Weisung. Dieser Konflikt führte in Bayern dazu, dass Familien, die auf Grundsicherungsleistungen angewiesen waren, unterschiedlich behandelt wurden:

  • Die Jobcenter rechneten das Familiengeld als Einkommen an, so dass dieses nicht ausgezahlt wurde.
  • Die sog. Optionskommunen, die selbst Träger der Grundsicherung sind, mussten sich nicht an die Weisung des BMAS halten; sie folgten den Regelungen des BayFamGG und berücksichtigten das Familiengeld nicht als zusätzliche Einnahme. Folge: Betroffenen in den Städten Ingolstadt, Schweinfurt, Erlangen, Kaufbeuren bzw. in den Landkreisen Würzburg, Ansbach, München, Miesbach, Günzburg und Oberallgäu wurde  Familiengeld ausgezahlt.

Nachdem der Freistaat Bayern damit gedroht hatte noch im Februar 2019 Klage vor dem Bundessozialgericht einzulegen, kam es am 30 Januar 2019 zu einer Einigung.

Der Kompromiss sieht eine Präzisierung im Gesetzestext des BayFamGG vor: die Auszahlung des Familiengeldes soll dem Zweck einer „förderlichen frühkindlichen Betreuung des Kindes“ zugeordnet werden.

Im Gegenzug verzichtet der Bund ab sofort bei Neuanträgen auf die Anrechnung des Familiengeldes.

Bei Bestandsfällen wird das Familiengeld nachgezahlt (von den Jobcentern zurückerstattet), nachdem die Gesetzesänderung rückwirkend in Kraft getreten ist. Wann dies der Fall ist, ist noch offen. Am 5. Februar 2019 soll zunächst das Kabinett den Änderungen zustimmen.

Quelle: Pressemitteilung des StMAS Nr. 48 vom 1.2.2019

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BAföG-Reform Regierungsentwurf

Am 15.November vergangen Jahres berichteten wir hier über ein Eckpunktepapier des Bundesbildungsministeriums zur Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG). Nun liegt ein konkreter Regierungsentwurf vor.

Die Anpassung des BAföG bedeutet demnach eine erhebliche Anhebung der Bedarfssätze und Einkommensfreibeträge.

Dies soll in drei Stufen erfolgen, die im ersten Schritt im Jahr 2019 und zusätzlich nochmals in den Jahren 2020 und 2021, jeweils zum 1.August wirksam werden sollen. Die dritte Erhöhungsstufe ist schon mal eine wesentliche Veränderung zum Eckpunktepapier. Allerdings bleibt es bei den Bedarfssätzen bei einer zweimaligen Erhöhung, 2019 um 5%, 2020 um 2%. (Eine Tabelle mit allen Zahlen findet sich im Entwurf auf den Seiten 23 und 24.)

Bei den Einkommensfreibeträgen geht der Gesetzentwurf weit über das Eckpunktepapier hinaus. So sollen die Freigrenzen jetzt nicht mehr nur in zwei Schritten um 9% angehoben werden, sondern in drei Schritten um insgesamt 15%.

Der Wohnzuschlag für nicht bei den Eltern wohnende BAföG-Geförderte soll 2019 überproportional um 30 Prozent von derzeit 250 Euro auf 325 Euro angehoben werden, dabei wird es aber bleiben. In den Ecpunkten war noch die Rede von einem „ersten Schritt“.

Die Kranken-und Pflegeversicherungszuschläge werden entsprechend den infolge der angehobenen BAföG-Sätze ebenfalls steigenden Pflichtbeiträgen zur Krankenversicherung der Studierenden angehoben (auf 84, bzw. 25 Euro) und berücksichtigen dabei künftig auch die durchschnittlichen Zusatzbelastungen durch den seit 2015 möglichen kassenindividuellen Zusatzbeitrag. Zudem werden insbesondere für Auszubildende, die in der Regel ab dem 30. Lebensjahr nicht mehr in der Krankenversicherung der Studierenden versicherungspflichtig sind und als freiwillig Versicherte höhere Beiträge zahlen müssen, künftig entsprechend höhere Zuschläge vorgesehen (155 Euro).

Der Förderungshöchstsatz wird, wenn das Gestz so verabschiedet wird,  von derzeit 735 Euro auf insgesamt 853 Euro (2019) und 861 Euro (2020) monatlich steigen. Der „offizielle“ BAföG-Höchstsatz, nach dem die Beiträge für die studentische Kranken- und Pflegeversicherung berechnet wird, liegt allerdings niedriger, und zwar genau um die Zuschüsse für Kranken- und Pfledeversicherung. Zur Zeit bei 649 Euro, nach den Erhöhungen bei 744, bzw. 752 Euro.

Wie schon im letzten Herbst angekündigt, sollen die Rückzahlungskonditionen für Studierende den wirtschaftlichen Entwicklungen und der individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit während der Rückzahlungsphase angepasst und sozial gerechter ausgestaltet werden. Es soll eine frühere Tilgung durch diejenigen erreicht werden, denen dies möglich ist, während diejenigen, die trotz redlichen Bemühens ihr anteiliges Darlehen nicht spätestens innerhalb von zwanzig Jahren tilgen können, endgültig von ihrer dann noch offenen Schuldenlast befreit werden sollen.

Quellen: BMBF, Fokus-Sozialrecht

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Karies bei Kleinkindern

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat den Anspruch auf zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen und Vorsorgemaßnahmen für Kinder ausgeweitet und die Angebote altersgruppenspezifisch neu strukturiert. Mit dem Ziel, das Auftreten von frühkindlicher Karies zu verringern, werden erstmals auch Kleinkinder unter drei Jahren einbezogen. Die Neufassung der Richtlinie zur zahnärztlichen Früherkennung bei Kindern wurde letzte Woche in Berlin beschlossen.

zur Zeit gültige Richtlinien

Nach den zur Zeit geltenden Richtlinien über die Früherkennungsuntersuchungen auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten haben
Kinder zwischen dem 3. und vollendeten 6. Lebensjahr Anspruch auf drei zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen. Zum Leistungsumfang gehört insbesondere, dass die Zahnärztin oder der Zahnarzt die Mundhöhle untersucht, das Kariesrisiko des Kindes einschätzt, zu Ernährungsrisiken durch zuckerhaltige Speisen und Getränke und zur richtigen Mundhygiene berät und gegebenenfalls fluoridhaltige Zahnpasta zur Schmelzhärtung empfiehlt. Bei hohem Kariesrisiko können die Zähne des Kindes ab dem 30. Lebensmonat zweimal pro Kalenderhalbjahr zusätzlich mit Fluoridlack behandelt werden.

Neuregelung:

Zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen können zukünftig bereits ab dem 6. Lebensmonat wahrgenommen werden.

Im Rahmen der neu eingeführten Früherkennungsuntersuchungen vor dem 34. Lebensmonat soll die Zahnärztin oder der Zahnarzt die Betreuungspersonen beispielsweise auch über die Ursachen von Erkrankungen im Mund aufklären und in der Anamnese die Anwendung von Fluoridierungsmitteln wie Zahnpasta erfragen.

Das Auftragen von Fluoridlack zur Zahnschmelzhärtung wird für Kinder zwischen dem 6. und 34. Lebensmonat Kassenleistung. Der neue Anspruch besteht zweimal je Kalenderhalbjahr.

Schon 2016 legte der G-BA in der Kinder-Richtlinie fest, dass Kinder bei der sogenannten U5, U6 und U7, also ab dem 7. Lebensmonat, von der Kinderärztin oder dem Kinderarzt zur Abklärung von Auffälligkeiten an Zähnen oder Mundschleimhaut an eine Zahnärztin oder einen Zahnarzt verwiesen werden können.

Mit dem Präventionsgesetz von 2015 hatte der Gesetzgeber den G-BA beauftragt, Näheres zur Ausgestaltung der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen zur Vermeidung von frühkindlicher Karies zu regeln. (§ 26 Abs.2 SGB V).

Der jetzt vorliegende Beschluss wird dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger, frühestens jedoch am 1. Juli 2019, in Kraft.

Quelle: Gemeinsamer Bundesausschuss

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