BVerfG: Wahlrecht für betreute Menschen gilt bereits zur Europawahl – Antrag bzw. Einspruch notwendig

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat per einstweiliger Anordnung am 15. April 2019 die Vorschriften zum Wahlrechtsausschluss von behinderten und psychisch kranken Menschen zur Europawahl gekippt (Az.: 2 BvQ 22/19). Bereits Ende Januar 2019 hatte das Gericht ja bereits Wahlrechtsausschlüsse bei der Bundestagswahl wegen Verstoß gegen den Gleichberechtigungssatz verworfen. Mehr als 80.000 Betroffene können daher nun an der Europawahl am 26. Mai teilnehmen. Voraussetzung ist aber, dass sie einen entsprechenden Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis bzw. Einspruch gegen das Wählerverzeichnis gestellt haben.

Die Fraktion der Grünen/Bündnis 90, FDP und Linke hatten einen Eilantrag gestellt, damit auch behinderte Menschen, für die ein Betreuer alle Angelegenheiten des Lebens regelt, sowie im Maßregelvollzug untergebrachte, psychisch kranke und schuldunfähige Straftäter an der Europawahl teilnehmen können. Aufgrund der Dringlichkeit hat das Bundesverfassungsgericht nun die Entscheidung als sogenanntes „Stuhlurteil“ gefällt; danach wird der Tenor bereits im Anschluss an die Verhandlung verkündet. Die genaue Urteilsbegründung folgt später nach.

Die Regelungen im deutschen Europawahlgesetz, wonach in allen Angelegenheiten unter Betreuung stehende Menschen und schuldunfähige Straftäter nicht an den Europawahlen teilnehmen dürfen, sind nicht anzuwenden, so der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts. Personen, die bisher von den Wahlrechtsausschlüssen für in allen Angelegenheiten Betreute und für in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte schuldunfähige Straftäter betroffen waren, können nach erfolgreichem Antrag bzw. Einspruch an der Europawahl am 26. Mai 2019 teilnehmen.

Notwendig: Antrag bzw. Einspruch aktiv stellen

Personen, für die bisher ein Wahlrechtsausschluss im Melderegister eingetragen war, werden nicht automatisch bzw. von Amts wegen in das Wählerverzeichnis aufgenommen. Sofern sie bei der Europawahl ihre Stimme abgeben wollen, müssen sie einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen (§ 17 Absatz 1 Europawahlordnung) oder Einspruch gegen das Wählerverzeichnis einlegen (§ 21 Europawahlordnung).

Auf den Seiten des Bundeswahlleiters ist zu entnehmen, wer einen Antrag stellen bzw. Einspruch gegen das Wählerverzeichnis erheben kann. Beide notwendigen aktiven Handlungen sind an Fristen gebunden:

  • Nicht Sesshafte, Personen, die sich in einer Justizvollzugsanstalt oder einer entsprechenden Einrichtung befinden sowie Personen mit Wohnsitz im Ausland können bis 5. Mai 2019 (21. Tag vor der Wahl) einen schriftlichen Antrag bei der Gemeinde ihres Hauptwohnortes stellen. Dabei sind Familiennamen, Vornamen, Geburtsdatum und die genaue Anschrift zu nennen. Der Antrag ist persönlich und handschriftlich zu unterzeichnen. Sofern erforderlich, ist Hilfestellung durch andere Personen (Bevollmächtigte, rechtliche Betreuer) möglich.
  • Personen, die mit Hauptwohnsitz in Deutschland gemeldet sind und nicht zu den oben genannten Personengruppen gehören, können vom 6. bis 10. Mai 2019 einen Einspruch – schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Gemeindebehörde – gegen das Wählerverzeichnis einlegen. Der Einspruch ist persönlich und handschriftlich zu unterzeichnen. Auch hier ist – sofern erforderlich – Hilfestellung durch andere Personen möglich.

Auf den Seiten des Bundeswahlleiters stehen sowohl für den Antrag als auch für den Einspruch Mustervorlagen zur Verfügung: www.bundeswahlleiter.de

Beschluss Bundesrat: Erhöhung der Betreuervergütung ja .. aber erst ab 2020 .. und weitere Änderungswünsche

Am 12. April 2019 befasste sich der Bundesrat erstmalig mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erhöhung der Vergütung von Betreuern und Verfahrenspflegern. Entgegen der Empfehlung der Ausschüsse sieht der Bundesrat nun nur noch an einigen Punkten Änderungsbedarf, wie sich aus dem Beschluss Drs. 101/19 (B) ergibt.

Generelle Änderungs-/Erweiterungswünsche

Generell ist der Bundesrat der Auffassung, dass berufliche Betreuer einen wichtigen Beitrag zu einer qualitativ hochwertigen rechtlichen Betreuung und damit auch zum sozialen Zusammenhalt leisten. Sie haben Anspruch auf eine an-gemessene Vergütung ihrer Leistungen, die auch die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung berücksichtigt. Im Sinne einer fairen und transparenten Entlohnung begrüßt der Bundesrat darüber hinaus grundsätzlich eine Pauschalierung der Vergütungen.

Allerdings darf die Kostenbelastung durch die Vergütungserhöhung nicht nur den Bundesländern überlassen werden – so die Ansicht des Bundesrates.  Er hält es für unerlässlich, diese Mehrbelastung über eine Anpassung des Umsatzsteueranteils der Länder auszugleichen (der Gesetzentwurf sieht für die Länder eine jährliche Mehrbelastung von rund 157 Millionen Euro vor).

Die staatliche Erstattung von Kosten auch im Bereich der Betreuung müsse am Maßstab der Erforderlichkeit gemessen werden. Eine Kostenerstattung durch die Länder komme aus Sicht des Bundesrates deshalb nur mit Blick auf solche Aufgaben in Betracht, die unmittelbar durch die Wahrnehmung der Aufgaben des „rechtlichen“ Betreuers veranlasst und sowohl hinsichtlich des zeitlichen Umfangs als auch des Qualifikations- und Vergütungsniveaus notwendig sind. Für eine umfassende Betreuung, die auch im weiteren Sinne Aspekte der sozialen Fürsorge, der Pflege oder Behandlung einbezieht, wären gegebenenfalls andere Kostenträger als die Länder zuständig. Eine umfassende Neuordnung der sozialen und rechtlichen Betreuung müsse aus Sicht des Bundesrates gegebenenfalls über Strukturreformen und nicht über Veränderungen der Vergütungen für die rechtliche Betreuung angestrebt werden.

Die Neuregelung dürfe sich nicht auf eine Erhöhung der Vergütungen be-schränken. Vielmehr müssten vorhandene strukturelle Probleme gelöst werden. Der Bundesrat verweist dabei insbesondere darauf, Anreize für Vorsorgevollmachten und eine stärkere Betreuung im Familienkreis zu schaffen, damit die Fallzahlen der Berufsbetreuer nicht weiter steigen.

Konkrete Änderungswünsche des Gesetzesentwurfs

Die Aufwandspauschale für Verfahrenspfleger soll nach Ansicht des Bundesrates auf 3,50 Euro begrenzt werden; die von der Bundesregierung geplante Erhöhung auf 4,00 Euro hält er für nicht für gerechtfertigt.

Der Bundesrat spricht sich dafür aus, das Gesetz frühestens zum 1. Januar 2020 in Kraft treten zu lassen, da die Haushaltsplanungen der Bundesländer für das laufende Jahr bereits abgeschlossen seien.

Für die Evaluierung soll mehr Zeit bleiben, der Evaluierungszeitraum soll daher nicht vier, sondern fünf Jahre betragen.

Kritik an der Berechnung der Erhöhung

Kritik äußerte der Bundesrat an der in der Gesetzesbegründung dargelegten Berechnung der Vergütungserhöhung um 17 Prozent – konkret die Aufschläge für die Rechnungsposten „Overhead-Kosten“ und „Sachkosten“.

Besonders bemängelt wurde, dass „Overhead-Kosten“ – also Gemeinkosten – für die Leitungsfunktion und weitere nicht näher bestimmbare Kosten im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach § 1908f Abs. 1 Nr. 1 BGB (Kosten für Aufsicht, Weiterbildung und Versicherung der Mitarbeiter) in die Berechnung der Pauschalen eingeflossen seien. Die Kosten entstünden jedoch nur dann, wenn ein Betreuungsverein gem. § 1908f BGB anerkannt werden wolle.

Ob mit dieser Kritik die prozentuale Erhöhung noch „gedrückt“ wird, ist derzeit unklar. Mit dieser Argumentation werden sich der Bundestag aber sicher noch befassen.

Das ist vom Tisch

Viele Dinge, die die Bundesratsausschüsse empfohlen hatte, fanden keine Zustimmung im Bundesrat, ist damit also vom Tisch. Zu nennen sind hier insbesondere Fallzahlenbegrenzungen sowie die Einstufung in die Vergütungsgruppen nicht mehr durch die Rechtspfleger erfolgen, sondern durch ein Weisungsrecht der zuständigen Landesbehörden.

.. und so geht es weiter

Die Stellungnahme des Bundesrates geht nun an die Bundesregierung, die sich in ihrer Gegenäußerung damit auseinandersetzt. Beide Dokumente werden schließlich dem Bundestag zur Entscheidung vorlegt (2./3. Lesung).

1. Lesung im Bundestag: Gesetzentwurf zur besseren Vergütung von Betreuern

Am 25.03.2019 wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung“ dem Bundestag unter der Drucksachen-Nummer 19/8694 zugeleitet.

Am Donnerstag, 4. April 2019 erfolgt die 1. Lesung im Bundestag. Nach 45-minütiger Debatte soll der Entwurf zur weiteren Beratung zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen werden.

Der voraussichtliche Zeitplan gestaltet sich damit wie folgt:

  • 01.03.2019: Erstes Einbringen in den Bundesrat
  • 04.04.2019: Erste Lesung im Bundestag
  • Beratung in den Ausschüssen (vor allem Rechtsausschuss)
  • Zweite und dritte Lesung im Bundestag
  • 12.04.2019: Zweite Befassung durch den Bundesrat
  • Verkündung im Bundesgesetzblatt
  • Inkrafttreten: 1. Tag des ersten auf die Verkündung folgenen Kalendermonat

Heim oder Betreuer: Wer ist für die Verwaltung der Barbeträge verantwortlich? Mit Hinweis auf die Rechtslage ab 1.1.2020

Das Verwaltungsgericht Minden hat sich in seinem Beschluss vom 13. März 2019 mit der Verwaltung von Barbeträgen eines Heimbewohners beschäftigt und dabei noch einmal dargelegt, wann der Heimträger in der Aufgabenpflicht steht und wann der rechtliche Betreuer. Aber Achtung: diese Rechtsauffassung gilt in Einrichtungen für behinderte Menschen nur noch bis zum 31.12.2019 (siehe dazu die Ausführungen unten).

Verwaltung der Barbeträge: Aufgaben des Heimträgers im Rahmen der sozialen Betreuung

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WTG müssen Leistungsanbieter die soziale Betreuung der Bewohner ihrer Einrichtungen sicherstellen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG gehört zu Betreuung und Betreuungsleistungen auch die soziale Betreuung.

  • Soziale Betreuung umfasst Tätigkeiten, die Menschen in einer selbstbestimmten Lebensführung und insbesondere der Erfüllung ihrer sozialen und kognitiven Bedürfnisse unterstützen sowie der Förderung einer unabhängigen Lebensführung und der vollen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dienen.
  • Nicht umfasst sind allgemeine unterstützende Tätigkeiten, die nicht vorwiegend auf Grund eines durch hohes Alter, Pflegebedürftigkeit oder eine Behinderung begründeten Unterstützungsbedarfs erbracht werden.

Die Verwaltung der Barbeträge eines jeden Bewohners einer Wohn- und Betreuungseinrichtung ist eine der sozialen Betreuung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG zuzuordnende Unterstützungsleistung, weil sie mit derjenigen typischerweise vergleichbar ist, die einem hilfe- bzw. unterstützungsbedürftigen Bewohner außerhalb einer Einrichtung bei der Verwaltung seines „Taschengeldes“ von Familienangehörigen oder sonst nahe stehenden Personen zuteilwerden würde – so das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung.

Ein etwa bestellter Betreuer – auch mit dem Aufgabenbereich der Vermögensbetreuung – ist demgegenüber nicht zur tatsächlichen Verwaltung dieser Barbeträge verpflichtet: Eine Betreuung zur Vermögenssorge verpflichtet den Betreuer nicht, an Stelle des Heimträgers Barbeträge zu verwalten, die dem Betreuten zur persönlichen Verfügung bewilligt worden sind.

Die Pflicht eines Einrichtungsträgers zur Barbetrags- bzw. „Taschengeld“-Verwaltung bis in Höhe normaler „Taschengeldbeträge“ beschränkt sich auf Verwaltungsmaßnahmen, die üblicherweise im Zusammenhang mit solchen „kleineren“ Beträgen anfallen, also

  • die Entgegennahme von baren und unbaren Einzahlungen zu diesem Zweck,
  • die sichere Verwahrung des eingezahlten Geldes,
  • jederzeit mögliche Auszahlungen an jeden Bewohner aus seinem Barbetragsguthaben und
  • die Führung individueller Kontolisten (Kontosalden), die jedem Bewohner den Überblick über seinen ihm aktuell zur Verfügung stehenden verwalteten Barbetrag ermöglichen.

Geldgeschäfte, Verwaltung höherer Geldbeträge: Aufgabe des rechtlichen Betreuers

Darüber hinausgehende speziellere Geldgeschäfte, die üblicherweise von Geldinstituten (Banken, Sparkassen) erledigt werden, gehören hingegen nicht zu der einer Betreuungseinrichtung obliegenden Barbetragsverwaltung und sind nicht Teil der von der Einrichtung zu leistenden sozialen Betreuung, weil derartige Geldgeschäfte nicht notwendig sind, um die Bewohner einer Betreuungseinrichtung bei der Erfüllung ihrer sozialen und kognitiven Bedürfnisse zu unterstützen, ihre unabhängige Lebensführung zu fördern und sie weiterhin am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu lassen.

Deshalb umfasst die soziale Betreuung in Gestalt der Barbetragsverwaltung nicht die Verwahrung und Verwaltung hoher Geldbeträge im vierstelligen oder gar noch höheren Euro-Bereich. Eine Betreuungseinrichtung ist kein Geldinstitut.

Bewohner einer Einrichtung, die derartige Geldgeschäfte vornehmen lassen möchten, müssen sich, ggf. mit Hilfe von rechtlichen Betreuern oder sonstigen rechtlichen Vertretern, insoweit an die üblichen Geldinstitute wenden.

>> Zum Volltext des Beschlusses: Verwaltungsgerichts Minden vom 13.03.2019 (Az. 6 L 1550/18)

Systemwechsel zum 1.1.2020 – Trennung von Fachleistung und existenzsichernder Leistung führt zu neuen Aufgaben des rechtlichen Betreuers

Am 1.1.2020 tritt die 3. Stufe des Bundesteilhabegesetzes in Kraft. Mit diesem Reformschritt wird die Eingliederungshilfe vom SGB XII (Sozialhilfe) in den Teil 2 des SGB IX überführt. Dieser Teil 2 ist betitelt mit „Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)“.

Mit dieser Überführung in das SGB IX wird mit dem Teil 2 ein neues eigenes Leistungsrecht für die Eingliederungshilfe geschaffen, in dem klar zwischen Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen getrennt wird. Eingliederungshilfeleistungen sind dann nur noch Fachleistungen; nur diese können dann von den Leistungserbringern mit den Eingliederungshilfeträger abgerechnet werden.

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts richten sich dann nach den allgemeinen Vorschriften des SGB XII – also je nach Vorliegen der Voraussetzungen Hilfe zum Lebensunterhalt (3. Kapitel SGB XII) oder Grundsicherung im Alter und dauerhafter Erwerbsminderung (4. Kapitel SGB XII) oder Grundsicherungsleistungen nach SGB II („Hartz IV), falls Erwerbsfähigkeit noch gegeben ist.

Was wird 2020 mit dem Barbetrag?

Diese Aufsplittung in Fach- und existenzsichernde Leistungen hat auf die „Barbetragsproblematik“ folgende Auswirkungen:

Für viele Bewohner in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe ist er eine wichtige Größe: der Barbetrag. Darüber können sie in der Regel frei verfügen und persönliche Dinge kaufen, von Musik-CDs über Süßigkeiten bis zu Kosmetikartikel. Der zurzeit gültige Barbetrag beträgt 112,30 EUR, das sind gemäß § 27b SGB XII 27 Prozent der Regelbedarfsstufe 1. Er stellt einen teilweisen Ausgleich dafür dar, dass hilfebedürftige Menschen in stationären Einrichtungen keinen Regelsatz erhalten und ohne Barbetrag ohne verfügbare finanzielle Mittel dastehen würden.

Mit der Trennung von Fachleistung der Eingliederungshilfe und Lebensunterhalt wird es ab dem Jahr 2020 in der neuen Wohnform als Nachfolgeregelung zur heutigen stationären Einrichtung keinen Barbetrag mehr geben. Allerdings fällt der Barbetrag nicht ersatzlos weg, sondern er wird durch den an die Leistungsberechtigten in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu zahlenden Regelsatz ersetzt. Dies ist die Konsequenz der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen untereinander und unabhängig von der Wohnform. Leben sie in Wohnungen, erhalten sie bereits heute einen monatlichen Regelsatz und keinen Barbetrag. Dies wird ab 2020 auch für Menschen mit Behinderungen in der neuen Wohnform gelten, welche die heutige stationäre Einrichtung ablöst.

Aufgrund der Trennung der bislang in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe erbrachten Komplexleistung entfallen die derzeit bestehenden Unterschiede in der Deckung der Lebensunterhaltsbedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung) bei Leistungsberechtigten, die in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe untergebracht sind, gegenüber Leistungsberechtigten, die in Wohnungen leben.

Für den notwendigen Lebensunterhalt nach § 27a Absatz 1 Satz 1 SGB XII von Erwachsenen bedeutet dies, dass alle für die Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums erforderlichen Aufwendungen durch die Bedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu decken sind. Dies sind insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Wohnungsausstattung einschließlich Fernseher und Computer, sowie Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens, wozu auch in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft zählt. Darin eingeschlossen sind alle durch die Regelbedarfe abgedeckten Bedarfslagen, die hierfür erforderlichen Aufwendungen sind aus dem monatlichen Regelsatz zu finanzieren.

Ab dem Jahr 2020 gilt dies auch für Menschen mit Behinderungen, die heute in einer stationären Einrichtung leben. Diesem Personenkreis sind neben dem Regelsatz nach der ab 1.1.2020 für diesen Personenkreis geltenden Regelbedarfsstufe 2 alle weiteren Lebensunterhaltsbedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII anzuerkennen, für die im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt werden. Dies schließt Bedarfe für Unterkunft und Heizung mit ein.

Damit die Leistungsberechtigten wieder in den Genuss eines Barbetrag zur persönliche Verfügung kommen können, wird in der Gesamtplankonferenz auch darüber beraten, welcher Anteil vom Regelsatz der Leistungsanbieter für seine Leistungen erhält und welcher Anteil den Leistungsberechtigten danach als Bargeldleistung für die Deckung der vom Leistungsanbieter nicht abgedeckten persönlichen Bedarfen verbleibt. Dies ist ausdrücklich im § 121 Abs. 4 Ziffer 6 SGB IX in der Fassung ab 1.1.2020 so festgelegt. Das Beratungsergebnis wird im Gesamtplan, der dann Grundlage für den Verwaltungsakt ist, dokumentiert und dadurch rechtlich verbindlich. Gleichzeitig wird mit der Beratung in der Gesamtplankonferenz auch Transparenz und Kontrolle darüber hergestellt, für welche Leistung der Leistungsanbieter Beträge in welcher Höhe in Rechnung stellt, die dann aus dem monatlichen Regelsatz zu finanzieren sind.

Auswirkungen auf die rechtliche Betreuung

Für die rechtliche Betreuung bedeutet dies, dass bereits vor dem Jahreswechsel vom rechtlichen Betreuer dafür gesorgt werden muss, dass

  • ein Antrag auf Grundsicherungsleistungen gestellt wird
  • ggfs. ein Konto eingerichtet wird, auf den die existenzsichernden Leistungen eingezahlt werden
  • mit dem Leistungserbringer entsprechende Verträge/Vertragsänderungen hinsichtlich der Wohnleistungen erstellt wird bzw. dass bei Zugang von Schreiben des Leistungserbringers diese geprüft und unterzeichnet werden
  • bei Teilhabeplan- bzw. Gesamtplankonferenz die Rechte des Betreuten gewahrt werden bzw. seinen Wünschen entsprochen wird
  • … und vieles mehr, was evtl. jetzt noch gar nicht absehbar ist, weil in den einzelnen Bundesländern die Rahmenverträge usw. noch nicht ausgehandelt sind.

Wer sich zur neuen Rechtslage fit machen möchte, dem sei dieses WALHALLA Praktikerseminar empfohlen:

>> BTHG 2020: Was kommt auf rechtliche Betreuer und Bevollmächtigte zu?

Termine und Orte:
20.11.2019, München >> Jetzt anmelden
04.12.2019, Frankfurt am Main >> Jetzt anmelden
27.01.2020, Hamburg  >> Jetzt anmelden
29.01.2019, Kassel >> Jetzt anmelden


Erhöhung der Vergütung von beruflichen Betreuern und Vormündern: Gesetzentwurf liegt vor

Über zehn Jahre hat sich an der Vergütung nichts geändert. Und nun geht es doch schneller als erwartet: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung – an den Bundesrat übermittelt am 1. März 2019 – wurde als besonders eilbedürftig qualifiziert und mit Fristablaufsdatum 12. April 2019 versehen. Dies deutet stark darauf hin, dass der Zeitplan der Bundesregierung darauf abzielt, das Gesetzgebungsverfahren mit 2. Einbringen in den Bundesrat am 12. April 2019 abzuschließen.

Der Zeitplan würde dann wie folgt lauten:

  • Erstes Einbringen in den Bundesrat
  • Erste Lesung im Bundestag
  • Beratung in den Ausschüssen (vor allem Rechtsausschuss)
  • Zweite und dritte Lesung im Bundestag
  • 12.04.2019: Zweite Befassung durch den Bundesrat
  • Verkündung im Bundesgesetzblatt
  • Inkrafttreten: 1. Tag des ersten auf die Verkündung folgenen Kalendermonat (also vorauss. Mai oder spätestens Juni 2019)

Quelle: Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung (Drs. 101/19)

Abbildung: pixabay.com – geralt

Rückforderung von Blindengeld rechtens – Leistungen der Pflegeversicherung 

Ein bereits bewilligtes und gezahltes Blindengeld kann zurückgefordert werden, wenn der Antragsteller den Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung verschwiegen hat. Dies entschied das Verwaltungsgericht Aachen (VG) mit Urteil vom 19. Februar 2019.

Leistungen der Pflegeversicherung werden auf den Blindengeldanspruch zum Teil angerechnet. Daher kann ist eine rückwirkenden Aufhebung des Blindengeldes zulässig, wenn der Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung pflichtwidrig nicht mitgeteilt wird.

Der Sachverhalt:

Die im Jahr 1928 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Falls beantragte im Oktober 2007 die Gewährung von Blindengeld. Der Landschaftsverband Rheinland wies die Klägerin bei Antragstellung und wiederholt auch in den Folgejahren darauf hin, dass Leistungen der Pflegeversicherung auf den Blindengeldanspruch zum Teil angerechnet würden und sie den Bezug solcher Leistungen demensprechend mitteilen müsse. Im Jahr 2016 stellte sich heraus, dass die Klägerin seit Oktober 2008 Leistungen der Pflegeversicherung erhielt. Der Landschaftsverband Rheinland forderte daraufhin zu viel gezahltes Blindengeld in Höhe von rund 13.000 Euro zurück.

Das Urteil:

Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht Aachen entschied, dass die Voraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides erfüllt seien, da die Frau ihrer Pflicht zur Mitteilung der Änderung des Verhältnisse sei die Klägerin grob fahrlässig nicht nachgekommen. Ihre Sehbehinderung stehe dieser Bewertung nicht entgegen. Ihr sei bekannt gewesen, dass der Bezug von Pflegeleistungen Auswirkungen auf die Höhe des Blindengeldes habe und dementsprechend dem Landschaftsverband mitzuteilen gewesen sei. Nachdem ihr Pflegeleistungen ab 1. Oktober 2008 (elf Monate nach Bewilligung des Blindengeldes), bewilligt worden waren und sie nur wenige Monate später, nämlich im Mai 2009, erneut auf ihre diesbezügliche Mitteilungspflicht hingewiesen worden war, hätte es sich ihr aufdrängen müssen, dass dieser Sachverhalt dem Landschaftsverband mitzuteilen sei.

Als grob fahrlässig wäre es unabhängig hiervon auch anzusehen, wenn die Klägerin sich nicht darum gekümmert hätte, wie sie trotz ihrer Sehbehinderung Kenntnis von dem Inhalt behördlicher Schreiben erhalten könnte, um den ihr bekannten Obliegenheiten gegenüber den Sozialleistungsträgern nachkommen zu können.

Quelle: Pressemitteilung des Gerichts v. 19.02.2019

Fingerabdruckscan bei Asylbewerbern ist jetzt erlaubt

Seit 27. Februar 2019 sind die Regelungen zur Überprüfung der Identität mittels Fingerabdruckdaten im Asylbewerberleistungsgesetz (§ 9 Abs. 3 und § 11 Abs. 3a AsylbLG) in Kraft. Dies geht aus der Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt I Nr. 5 hervor.

Die Bekanntmachung lautet:

„Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat festgestellt, dass die technischen Voraussetzungen der Ausstattung für die nach § 10 des Asylbewerberleistungsgesetzes zuständigen Behörden mit Geräten zur Überprüfung der Identität mittels Fingerabdruckdaten geschaffen sind. Somit wird nach Artikel 31 Absatz 5 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) bekannt gemacht, dass die Artikel 4 [red. Anm. = Einfügung von Satz 2 in § 9 Abs. 3 und Einfügung von Abs. 3a in § 11 AsylbLG], … dieses Gesetzes am 27. Februar 2019 in Kraft treten.“

Mit dem oben genannten Änderungsgesetz wird geregelt, dass es zu den Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs. 1 SGB I gehört, dass Personen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beantragen bzw. bereits erhalten, auf Verlangen der zuständigen Leistungsbehörde die Abnahme der Fingerabdrücke dulden müssen, wenn dies zur Prüfung ihrer Identität – siehe § 11 Abs. 3a neu AsylbLG – erforderlich ist (§ 9 Abs. 3 Satz 2 neu AsylbLG).

Der neu eingefügte Absatz 3a AsylbLG lautet:

„(3a) Soweit nach einem Datenabruf aus dem Ausländerzentralregister Zweifel an der Identität einer Person, die Leistungen nach diesem Gesetz als Leistungsberechtigter nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4, 5 oder 7 beantragt oder bezieht, fortbestehen, erhebt die zuständige Behörde zur weiteren Überprüfung der Identität Fingerabdrücke der Person und nimmt eine Überprüfung der Identität mittels der Fingerabdruckdaten durch Abfrage des Ausländerzentralregisters vor. Die Befugnis nach Satz 1 setzt keinen vorherigen Datenabgleich mit der Ausländerbehörde nach Absatz 3 voraus. Von den Regelungen des Verwaltungsverfahrens in den Sätzen 1 und 2 kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.“

Abbildung: pixabay – OpenClipart-Vectors

Basiskonto: Gerichtsurteil begrenzt Höhe der Kontogebühren

Nach Ansicht des Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) ist das Basiskonto bei der Deutschen Bank zu teuer. Die Kosten seien unangemessen hoch und damit unwirksam.

Ein monatlicher Grundpreis von 8,99 Euro sowie Kosten von 1,50 Euro für eine beleghafte Überweisung im Rahmen eines Basiskontos sind unangemessen hoch und damit unwirksam. Basiskonten müssen zwar nicht als günstigstes Kontomodell eines Kreditinstituts angeboten werden, die Preise sollen aber das durchschnittliche Nutzerverhalten dieser Kontoinhaber angemessen widerspiegeln – so das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) im am 27.02.2019 verkündetem Urteil. Das Gericht richtet sich hier nach der gesetztlichen Vorgabe im Zahlungskontengesetz. Danach muss ein Basiskonto nicht kostenfrei angeboten werden. Die Entgelte müssen aber laut Gesetz „angemessen“ sein und sich am Nutzerverhalten orientieren.

Was „angemessen“ ist, legt das OLG Frankfurt in seinem Urteil wie folgt aus: Ausgangspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit seien die marktüblichen Entgelte sowie das Nutzerverhalten unter Berücksichtigung des Umfangs der von der Bank zu erbringenden Leistungen. Besondere Bedeutung erlange hier, dass „die wirtschaftliche Lage der betroffenen Verbraucher, die Basiskonten beantragen, regelmäßig angespannt ist, weshalb zugrunde gelegt werden kann, dass sie regelmäßig nur wenige Zahlungen über das Basiskonto abwickeln“.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Das letzte Wort in der Sache könnte der BGH sprechen, da die Rechtssache zur Revision zugelassen wurde. Man erhofft sich dadurch auch ein Grundsatzurteil, was dann künftig auch den Banken bundesweit den Weg weist.

Quelle: Pressemitteilung OLG Frankfurt/Main v. 27.02.2019

Abbildung: pixabay – wewewegrafikbaydeh

Bundeskabinett beschließt Gesetzentwurf zur besseren Vergütung von Betreuern

Am 27. Februar 2019 hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur besseren Vergütung von Betreuern beschlossen. Damit ist das parlamantarische Verfahren offiziell eingeläutet.

Erstmals kann der Entwurf am 15. März in die nächste Bundesrats-Sitzung eingebracht werden. Erwartet wird, dass das Gesetz noch vor der parlamentaritschen Sommerpause verabschiedet ist – die letzte Bundesratssitzung findet am 28. Juni 2019 statt.

Quelle: Pressemitteilung des Bundeskabinetts am 27.2.2019

Wahlrechtsausschluss für Betreute in allen Angelegenheiten verfassungswidrig!

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 29. Januar 2019 entschieden, dass die Regelung des Wahlrechtsausschlusses in § 13 Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) für in allen ihren Angelegenheiten Betreute verfassungswidrig ist.

Im am 21. Februar 2019 veröffentlichten Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts festgestellt, dass die von dieser Regelung betroffenen Beschwerdeführer durch ihren Ausschluss von der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag in ihren Rechten verletzt sind.

Nach Ansicht des Gerichts kann zwar ein Ausschluss vom aktiven Wahlrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, wenn bei einer bestimmten Personengruppe davon auszugehen ist, dass die Möglichkeit zur Teilnahme am Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen nicht in hinreichendem Maße besteht.

§ 13 Nr. 2 BWahlG genüge aber den Anforderungen an gesetzliche Typisierungen nicht, weil der Kreis der von der Regelung Betroffenen ohne hinreichenden sachlichen Grund in gleichheitswidriger Weise bestimmt wird.

Aufgrund einer Verletzung

  1. des Grundsatzes der Allgemeinheit sowie
  2. des Verbots der Benachteiligung

liege eine Verfassungswidrigkeit vor.

1. Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit

Betreuerbestellung versus Vollmacht macht den Entzug des Wahlrechts zufällig und damit verfassungswidrig

§ 13 Nr. 2 BWahlG schließt eine Person vom Wahlrecht aus, wenn diese nicht nur krankheits- oder behinderungsbedingt unfähig ist, alle ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen, sondern wenn darüber hinaus aus diesem Grund ein Betreuer in allen Angelegenheiten bestellt wurde.

Aufgrund des im Betreuungsrecht durchgängig geltenden Erforderlichkeitsgrundsatzes unterbleibt eine Betreuerbestellung aber, soweit der Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen auf andere Weise, insbesondere durch die Erteilung einer Betreuungs- oder Vorsorgevollmacht oder hinreichende Versorgung im Familienkreis, Rechnung getragen werden kann. In diesem Fall ist § 13 Nr. 2 BWahlG nicht anwendbar und das Wahlrecht bleibt erhalten.

Letztlich ist der Wahlrechtsentzug damit davon abhängig, ob wegen des Vorliegens eines konkreten Betreuungsbedarfs die Bestellung eines Betreuers erfolgt oder ob diese aufgrund fehlender Erforderlichkeit unterbleibt. Dieser im Tatsächlichen von Zufälligkeiten abhängige Umstand stellt aber keinen sich aus der Natur der Sache ergebenden Grund dar, der geeignet ist, die wahlrechtliche Ungleichbehandlung gleichermaßen Betreuungsbedürftiger zu rechtfertigen.

Organisationserwägungen dürfen nicht gelten

Demgegenüber kann auch nicht geltend gemacht werden, der Gesetzgeber knüpfe mit seiner Entscheidung an ein streng formales Merkmal an, das klar, einfach feststellbar und bei der Organisation von Wahlen besonders praktikabel sei.

Zwar ist der Gesetzgeber berechtigt, die Durchführbarkeit der Massenveranstaltung Wahl durch typisierende Regelungen sicherzustellen, die nicht allen Besonderheiten Rechnung tragen müssen. Der Gesetzgeber muss solchen verallgemeinernden Regelungen aber realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen.

Zudem müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit stehen. Voraussetzung hierfür ist, dass die durch die Typisierung eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sind, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und das Ausmaß der Ungleichbehandlung gering ist.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Bei der Bundestagswahl 2013 waren insgesamt 81.220 Vollbetreute von einem Wahlrechtsausschluss gemäß § 13 Nr. 2 BWahlG betroffen. Welchen Anteil dieser Personenkreis an der Gesamtzahl der Personen hat, die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten nicht in der Lage sind, ist nicht feststellbar. Auch der Gesetzgeber hat sich mit dieser Frage nicht befasst. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Gruppe der umfassend Betreuungsbedürftigen, bei der mangels Erforderlichkeit eine Betreuerbestellung unterbleibt, nicht wesentlich kleiner oder sogar größer ist als die Gruppe der vom Wahlrecht ausgeschlossenen Vollbetreuten. Der Eingriff in den Gleichheitssatz ist dabei auch nicht geringfügig, da den Betroffenen durch den Wahlrechtsausschluss das vornehmste Recht des Bürgers im demokratischen Staat dauerhaft entzogen wird.

2. Verletzung des Verbots der Benachteiligung

Neben der Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl verstößt § 13 Nr. 2 BWahlG auch gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG.

Die Regelung führt zu einer Schlechterstellung von Menschen mit Behinderungen. Dieser Eingriff in den Regelungsgehalt des Schlechterstellungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG sei aus den vorstehenden Gründen nicht gerechtfertigt.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.02.2019