Zur Zeit scheint es vielen wichtig zu sein, Bezeichnungen für alles Mögliche der politischen Agenda anzupassen. So soll die vegane Wurst nicht mehr Wurst heißen dürfen und das SGB II nicht mehr Bürgergeld. Noch nicht betroffen sind bislang die Kinderschokolade, Leberkäs, Bärchenwurst und das Verteidigungsministerium, zumindest in Deutschland.
Drei Jahre „Bürgergeld“
Wir werden also bald alle Texte und Bücher im Sozialrecht durchforsten, um aus dem Bürgergeld wieder die Grundsicherung für Arbeitssuchende zu machen oder gar die Neue Grundsicherung. Schon 2023 war es für die SPD enorm wichtig, dass die unselige Bezeichnung „Hartz IV“ aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwindet. Mit dem Begriff „Bürgergeld“ hatte man scheinbar eine elegante Lösung gefunden. Allerdings blieb die Reaktion nicht lange aus und es folgte eine Kampagne, ähnlich heftig und fake-news-behaftet wie beim „Heizungsgesetz“.
Bürgergeldempfänger seien arbeitsscheu und würden für das Nichtstun mehr bekommen als hart arbeitende Handwerker. Milliarden ließen sich einsparen, würde man die Faulenzer endlich zur Rechenschaft ziehen und ihnen die Stütze streichen. Natürlich hat sich das letztlich alles als heiße Luft und Wahlkampfgetöse herausgestellt. Aber irgendwie musste die neue Regierung ja etwas anbieten, hatte sie doch versprochen, die Grundsicherung „vom Kopf auf die Füße“ zu stellen.
Koalitionsausschuss
Als erstes wird also der Name geändert. Was die Einsparungen angeht, scheint man sich nicht ganz einig zu sein, was oder wer überhaupt gemeint ist. Im Koalitionsausschuss haben sich die Vorsitzenden der Koalitionsparteien „auf konkrete Punkte bei der Reform des Bürgergeldsystems geeinigt. Für Menschen, die arbeiten können, soll grundsätzlich der Vermittlungsvorrang gelten: Sie sollen schnellstmöglich in Arbeit gebracht werden. Außerdem gilt das Prinzip Fördern und Fordern: Wer nicht mitwirkt, muss mit schärferen Sanktionen rechnen.“
geplante Sanktionen
Die Sanktionen sollen bis zur völligen Streichung der Grundsicherung gehen. Geplant sind offenbar (laut Verein „sanktionsfrei“) folgende Sanktionen:
Bei Terminversäumnissen:
- 30 % Kürzung nach zwei Terminen
- 100 % Kürzung nach drei Terminen
- Entzug von Regelsatz und Miete nach vier Terminen
Bei Pflichtverletzungen:
- 30 % Kürzung beim ersten Verstoß
- 100 % Kürzung bei Ablehnung eines Arbeitsangebots
- Entzug von Regelsatz und Miete bei mehrfacher Ablehnung
„Sanktionsfrei“ nennt dies einen kalkulierten Verfassungsbruch. Immerhin hatte das Bundesverfassungsgericht 2019 die vollständige Streichung von Leistungen für verfassungswidrig erklärt.
unterschiedliche Gruppen
Arbeitsministerin Bas weiß das natürlich und bezieht sich im ZDF-Interview vom 12.10.25 hilfsweise auf den „Mitwirkungs“-Paragrafen § 66 des SGB I. Menschen, die nicht mehr „auffindbar“ seien, also völlig verschwunden, bräucht man ja wohl keine Leistungen mehr zahlen. Dass sie damit eine andere Klientel meint wie Kanzler März, hat sie in dem Interview eingräumt: „Wir reden von unterschiedlichen Gruppen.“
Quellen: Bundesregierung, sanktionsfrei.de, ZDF, FOKUS-Sozialrecht
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