Das Bundeskabinett beschloss in den letzten Tagen eine Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes, sowie das „Geordnete Rückkehr“ Gesetz.
Kurz vor der Europawahl hofft die Große Koalition offenbar noch ein paar Stimmen am rechten Rand abgrasen zu können. Dass das nicht funktioniert, haben die letzten Wahlen bewiesen. Die Entwürfe sollen in rasantem Tempo durch das Gesetzgebungsverfahren gebracht werden, Fristen für die Stellungnahmen von Verbänden sind äußerst knapp.
„Trotz sehr moderater Zugangszahlen und guter bestehender Strukturen für die Aufnahme von Schutzsuchenden werden die aktuellen Gesetzgebungsentwürfe verhandelt, als bestünde ein Notstand.“ schreibt ProAsyl in seiner Stellungnahme.
Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (Geordnete-Rückkehr-Gesetz)
Der vorliegende Referentenentwurf zielt darauf ab, die Zahl der ausreisepflichtigen Menschen, die Deutschland verlassen, zu steigern – und zwar insbesondere im Wege von Abschiebungen.
- Zu diesem Zweck werden gravierende Verschärfungen im Bereich der Abschiebungshaft vorgenommen, beispielsweise können Ausreisepflichtige jetzt auch in normalen Haftanstalten untergebracht werden.
- Eine neue Form der „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ wird geschaffen
- Sanktionen werden eingeführt für Personen, die bei der Passbeschaffung bzw. Identitätsklärung in vermeintlich nicht ausreichendem Maße mitwirken.
- Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt wurden und ausreisepflichtig sind, sollen keine Leistungen nach dem AsylbLG mehr erhalten. Maximal für zwei Wochen soll es für Hilfebedürftige eine „Überbrückungsleistung“ geben – aber nur einmal innerhalb von zwei Jahren. In dem Wissen also, dass diese Menschen durchaus länger als zwei Wochen hier bleiben, will das Bundesinnenministerium Leistungen verwehren.
Dagegen hat das Bundesverfassungsgericht eindeutig klargestellt:
„Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen.“
BVerfG, Urteil v. 18.07.2012, 1 BvL 10/10, Rn. 95
Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes
- Die Regelsätze werden weiterhin nicht bedarfsdeckend sein, also unter dem Existenzminimum liegen. Der Leistungssatz für den notwendigen persönlichen Bedarf (z.B. ÖPNV, Telefon, Hygieneartikel) wird zwar angehoben, dafür wird der Notwendige Bedarf (z.B. Lebensmittel) um so mehr gekürzt, so dass am Ende bei fast allen, außer für Kinder bis 5 Jahre, eine Kürzung der Leitungen dabei herauskommt.
Notwendiger Bedarf | Notwendiger persönlicher Bedarf | Gesamt | |
---|---|---|---|
Bedarfsstufe 1 (Alleinstehend oder Alleinerziehende) |
194 € (derzeit 219 €) |
150 € (derzeit 135 €) |
344 € (derzeit 354 €) |
Bedarfsstufe 2 (Paare in einer Wohnung/Unterbringung in Sammelunterkunft) |
174 € (derzeit 196 €) |
136 € (derzeit 122 €) |
310 € (derzeit 318 €) |
Bedarfsstufe 3 (Erwachsene in einer stationären Einrichtung; Erwachsene unter 25 Jahren, die im Haushalt der Eltern leben) |
155 € (derzeit 176 €) |
120 € (derzeit 108 €) |
275 € (derzeit 284 €) |
Bedarfsstufe 4 (Jugendliche zwischen 14 und 17) |
196 € (derzeit 200 €) |
79 € (derzeit 76 €) |
275 € (derzeit 276 €) |
Bedarfsstufe 5 (Kinder zwischen 6 und 13) |
171 € (derzeit 159 €) |
97 € (derzeit 83 €) |
268 € (derzeit 242 €) |
Bedarfsstufe 6 (Kinder bis 5) |
130 € (derzeit 135 €) |
84 € (derzeit 79 €) |
214 € (derzeit 214 €) |
- Die Förderlücke für Asylbewerber, Geduldete und Inhaber bestimmter humanitärer Aufenthaltserlaubnisse, die eine Ausbildung durchführen, soll geschlossen werden. Der Leistungsausschluss nach § 22 SGB XII soll zukünftig keine Anwendung mehr finden, bei Asylbewerbern, Geduldeten und Inhabern bestimmter humanitärer Aufenthaltserlaubnisse, die sich in einer förderungsfähigen Ausbildung befinden. Auch auf bestimmte Geduldete, die eine nach dem BAföG förderungsfähige Ausbildung absolvieren und nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland Leistungen nach dem BAföG erhalten, soll der Leistungsausschluss künftig nicht mehr angewendet werden.
- Um die Aufnahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit durch Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG bereits zu Beginn ihres Aufenthalts zu fördern, wird eine dem SGB XII entsprechende Freibetragsregelung bei der Einkommensanrechnung für eine ehrenamtliche Tätigkeit im AsylbLG eingeführt.
Quellen: Bundesinnenministerium, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Der Paritätische, ProAsyl, Bundesverfassungsgericht
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