Schatte von Mutter, Vater, Kind vor einer Wand mit den Sternen Europas

„Verbaler Beitrag zur Spaltung der Gesellschaft“

So bezeichnet eine Kommentatorin der Tagesschau heute, am 28. Mai 2025, das Pressestatement von Innenminister Dobrindt zu dem gerade erfolgten Kabinettsbeschluss zur Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten. Die Bundesregierung habe, so Dobrindt, Entscheidungen getroffen zur Reduzierung der illegalen Migration. Dabei verdeutlicht der Tagesschau-Kommentar, dass gerade der Familiennachzug eine der wenigen kontrollierten Instrumente regulärer Migration ist, die Deutschland hat.

Inhalt der geplanten Gesetzesänderung

Zunächst soll künftig im Aufenthaltsgesetz nicht nur die Steuerung, sondern auch die Begrenzung der Zuwanderung als gesetzliches Ziel genannt werden. Diese Ergänzung soll in der Praxis dazu beitragen, migrationspolitische Entscheidungen stärker an den Belastungsgrenzen von Staat, Gesellschaft und Integrationssystemen auszurichten.

Ebenfalls beschlossen wurde eine vorübergehende Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre. Damit soll eine Überlastung von Aufnahmeeinrichtungen und Integrationsangeboten vermieden werden – insbesondere in den Ländern und Kommunen. Härtefallregelungen bleiben selbstverständlich bestehen, um besondere individuelle Lebenslagen weiterhin zu berücksichtigen.

Was bedeutet subsidiärer Schutz?

Subsidiären Schutz erhalten Menschen, denen weder Asyl noch Flüchtlingsschutz gewährt werden kann, die aber in ihrem Herkunftsland ernsthafter Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wären – etwa durch Folter oder die Todesstrafe (§ 4 Asylgesetz).

Kritik schon im Vorfeld

Die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland wenden sich gegen den Plan den Familiennachzug von vielen Geflüchteten auszusetzen. In der Folge müssten Bürgerkriegsflüchtlinge längere Zeit getrennt von ihren engsten Familienmitgliedern leben. Das sei ethisch überaus fragwürdig und wirke sich auch negativ auf die Integration aus. Das Grundgesetz stelle die Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.

Stellungnahme des Paritätischen

Der Paritätische Gesamtverband fasste die Kritik in einer Stellungnahme zusammen:

  • Das Vorhaben verstößt gegen das grund- und menschenrechtlich garantierte Recht auf Wahrung der Familieneinheit (Art. 8 EMRK, Art. 3, 10 UN-KRK, Art. 7, 24 Abs. 2 GRCh und Art. 6 GG) der Betroffenen, die in der Regel schon seit Jahren auf ein Visum zum Familiennachzug warten.
  • Sichere Zugangswege, wie der Familiennachzug, sind die einzigen Einreisemöglichkeiten für Schutzsuchende, insbesondere für Frauen und Kinder, bei denen sie sich nicht auf lebensgefährliche Wege begeben müssen.
  • Die Aussetzung entlastet weder Gerichte noch Behörden, sondern führt zu erheblicher Mehrbelastung durch unzählige Eilverfahren und Verfahren zur Aufnahme im Einzelfall gemäß §§ 22, 23 AufenthG.
  • Eine dauerhafte Trennung von der Familie schadet der Integration derjenigen, die bereits hier leben und perspektivisch auch bleiben werden.

Rechtliche Bedenken

Schon als im Januar die CDU scheiterte, mit Hilfe der AFD das „Zustrombegrenzungsgesetz“ durchzusetzen, in dem ebenfalls die Aussetzung des Familiennachzugs festgeschrieben war, schrieben Expertinnen im Verfassungsblog über das rechtlich dünne Eis, auf dem sich ein solcher Vorstoß bewegt, und darüber ob eine solche Regelung tatsächlich im öffentlichen Interesse sei. Denn: Familiennachzug erleichtert Integration, wirkt  gewaltpräventiv und dem demographischen Wandel entgegen. Das öffentliche Interesse an einer erneuten Aussetzung ist daher als marginal zu bewerten; das öffentliche Interesse und das Interesse der betroffenen Familien an einer Aufrechterhaltung und Ausweitung des Familiennachzugs überwiegen deutlich.

Behörden besser austatten

Im Kommentar der Tagesschau schreibt Bianca Schwarz dazu: „Dobrindt begründet die Maßnahme auch mit der Überlastung der Behörden. Gegenvorschlag: Warum nicht endlich etwas tun gegen die Überlastung der Behörden? Warum die Ausländerbehörden nicht nach zehn Jahren Debatte endlich mal mit mehr Personal ausstatten?“

Quellen: Bundeskabinett, Tagesschau, Paritätischer Gesamtverbvand, dejure, Verfassungsblog, wikipedia, gesetze-im-internet.de

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