Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge berichtet über ein Eckpunktepapier des Bundesarbeitsministeriums (BMAS), in dem die Zusammenführung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII in ein neues Lebensunterhaltskapitel geplant ist. Ziel der Reformabsichten ist es, mit einem neuen Lebensunterhaltskapitel im SGB XII „für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Verwaltung ein transparentes und einheitliches Existenzsicherungssystem für nicht erwerbsfähige Personen“ zu schaffen.
Im aktuell gültigen SGB XII gibt es tatsächlich noch erhebliche Unterschiede zwischen den Vorschriften zur Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und denen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel).
Die Sozialhilfe besteht aus
- Hilfe zum Lebensunterhalt,
- Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung,
- Hilfen zur Gesundheit,
- Hilfe zur Pflege,
- Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und
- Hilfe in anderen Lebenslagen
Grundsicherung nur auf Antrag
Die Sozialhilfe setzt ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Ausnahme: Grundsicherung. Diese wird nur auf Antrag gewährt.
Diese Antragserfordernis erschwert in der Praxis den Zugang zur Grundsicherung für einen besonders vulnerablen Personenkreis, die die Regelaltersgrenze erreicht haben oder dauerhaft erwerbsgemindert sind. Der Antrag wirkt hier unter Abweichung von Grundprinzipien des Sozialhilferechts auf den Monatsersten des Kalendermonats zurück, in dem er gestellt wird. Beides führt in der Praxis zu unterschiedlichen und unbefriedigenden Ergebnissen bei der Bewilligung der Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel SGB XII. Insbesondere bei einem Wechsel der Zuständigkeit innerhalb eines Monats, aber auch im Hinblick auf die Berücksichtigung anderer Leistungen, wie z.B. Unterkunftskosten, ergäbe sich durch eine Vereinheitlichung eine wesentliche Vereinfachung des Verfahrens.
Vorläufige Entscheidung
Ein weiterer Unterschied ist, dass es im Vierten Kapitel die Möglichkeit der „Vorläufigen Entscheidung“ (§ 44a SGB XII) gibt, nicht aber bei der Hilfe zum Lebensunterhalt. Bei existenzsichernden Leistungen ist es wichtig, dass Leistungsansprüche zeitnah erfüllt werden, sobald der Bedarf entsteht. Lässt sich die Entscheidung hierüber nicht bald erreichen, muss der Leistungsträger die Nichtabsicherung des Existenzminimums zumindest vorläufig sicherstellen.
Kosten der Unterkunft
Auch im Bereich der Kosten für Unterkunft und Heizung (§§ 35 und 42a SGB XII) könnten Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels SGB XII angenähert werden. Im Vierten Kapitel werden Regelungen für verschiedene Wohnformen getroffen, die
sich im Dritten Kapitel SGB XII und dem SGB II nicht wiederfinden. Eine Harmonisierung z.B. bei der Frage bei Wohngemeinschaften, der Differenzmethode und der Kopfteilmethode wäre im Sinne einer Gleichbehandlung sehr erstrebenswert.
besondere Wohnformen
Dazu empfiehlt der Deutsche Verein, dass bei der Begrenzung der Aufwendungen für die Unterkunft für besondere Wohnformen auf 125 % der durchschnittlichen Warmmiete eines Einpersonenhaushalts nicht ausreichend berücksichtigt wird, dass für besondere Wohnformen höhere bauliche Standards gesetzlich vorgeschrieben und darüber hinaus in Bezug auf Barrierefreiheit andere Flächen und Ausstattungen als für normale Wohnungen zu beachten sind. Die hierdurch entstehenden höheren Kosten sind systematisch dem Bereich der Existenzsicherung zuzuordnen und nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 113 Abs. 5 SGB IX zu refinanzieren. Idealerweise sollte daher die Begrenzung auf 125 % gestrichen werden.
Harmonisierung mit SGB II
Inwieweit diese Punkte bei den Gesetzes-Plänen des BMAS berücksichtigt werden, ist noch nicht klar, die Absicht, das neue Lebensunterhaltskapitel neu zu konzeptionieren und zu modernisieren, sei aber zu begrüßen, so der DV. In dem Zusammenhang weist er auch noch einmal darauf hin, dass genauso die Notwendigkeit einer Harmonisierung mit dem SGB II besteht, vorwiegend im Bereich des Einkommens und Vermögens. Eine Angleichung der Freibetrags- und
Schonvermögensbeträge sei nicht nur aus Teilhabeaspekten angebracht, sondern sie trage bei gemischten Bedarfsgemeinschaften sowie beim Wechsel zwischen den Leistungssystemen zur Verwaltungsvereinfachung und einer besseren Nachvollziehbarkeit der Regelungen für die Leistungsbeziehenden bei.
Quellen: Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge
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