Das respiratorische Synzytialvirus (RSV) ist eines der vielen Auslöser für erkältungsähnliche Infektionen. Bei Kleinkindern und vor allem bei Säuglingen kommt es häufig zu schwereren Verläufen, die gerade bei Säuglingen eine stationäre Behandlung erfordern können. Während des 1. Lebensjahres haben 40–70 % und bis zum Ende des 2. Jahres nahezu alle Kinder einmal die Erkrankung durchgemacht. Dies schützt zwar nicht vor erneuter Ansteckung, aber der Krankheitsverlauf wird dadurch weniger stark als bei der Erstinfektion.
Häufung von Krankenhausaufenthalten
Die Maßnahmen gegen Covid-19 haben kurzfristig auch Infektionen mit anderen Keimen gemindert. Social Distancing, das Tragen von Masken sowie weitere Präventionsmaßnahmen helfen gegen eine ganze Reihe von Atemwegsinfektionen. Doch als Ende 2022 die meisten Länder die Schutzmaßnahmen aufhoben, verbreitete sich RSV stark. Besonders betroffen waren Kinder, die in den vorherigen beiden Jahren nicht mit dem Virus in Kontakt gekommen waren. Allein in den USA verdreifachte sich die Zahl der RSV-bedingten Krankenhausaufenthalte im November 2022 im Vergleich zu den Werten vor der Corona-Pandemie drei Jahre zuvor.
Weltweit sterben jährlich schätzungsweise 600.000 Menschen direkt oder indirekt durch RSV-Infektionen.
RSV-Antikörper
Bei Kindern kann die Gabe von RSV-Antikörpern vor einer Infektion das Risiko, schwer zu erkranken, senken. Nachdem der RSV-Antikörper Nirsevimab seit kurzem auf dem Markt verfügbar ist, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) seinen bisherigen Therapiehinweis zum RSV-Antikörper Palivizumab neu gefasst. Damit stellt der G-BA klar, für welche Kinder mit einem hohen Risiko für schwere Krankheitsverläufe die Verordnung von RSV-Antikörpern von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird. Ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf durch RSV besteht beispielsweise bei Frühgeborenen sowie bei Säuglingen, die bestimmte Arten von Herzfehlern oder Trisomie 21 haben. Der Beschluss zur Neufassung des Therapiehinweises wird dem Bundesministerium für Gesundheit zur rechtlichen Prüfung vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Kassenleistung nur bei Risiko-Kindern
Der monoklonale Antikörper Nirsevimab kann, wenn er vor einer RSV-Infektion gegeben wird, durch eine sogenannte passive Immunisierung eine Erkrankung der unteren Atemwege verhindern oder abschwächen. Eine generelle Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für solche Wirkstoffe zur Prävention sieht der Gesetzgeber jedoch nicht vor. Ausnahmen bestehen nur bei einer aktiven Immunisierung mittels Schutzimpfungen und der HIV-Präexpositionsprophylaxe durch antivirale Arzneimittel. An diese gesetzlichen Vorgaben müssen sich die Vertragsärztinnen und -ärzte, aber auch der G-BA halten. Der G-BA kann daher in seinem Therapiehinweis trotz einer weitergehenden Zulassung von Nirsevimab nur definieren, bei welchen Patientengruppen die Gabe des RSV-Antikörpers in den Bereich der medizinischen Vorsorgeleistung bzw. der Krankenbehandlung fällt, weil bei ihnen ein hohes Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf besteht. Bei Kindern ohne besondere Risikofaktoren ist die Gefahr eines schwerwiegenden Erkrankungsverlaufs – und damit auch der potenzielle Nutzen der Antikörpergabe – gering. Deshalb sind hier die Voraussetzungen für eine Verordnung unter den gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht gegeben.
STIKO-Empfehlung wird erwartet
Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut befasst sich derzeit ebenfalls mit den Möglichkeiten der RSV-Prophylaxe. Der vom G-BA verantwortete Therapiehinweis regelt allein den Einsatz der Antikörper Nirsevimab und Palivizumab zur Vermeidung schwerer Krankheitsverläufe als sogenannte Sekundärprävention. Dabei gelten die gesetzlichen Vorgaben zur Arzneimittelversorgung, eine Empfehlung der STIKO ist hierfür nicht notwendig. Demgegenüber setzt der Einsatz von RSV-Impfstoffen zur Primärprävention als GKV-Leistung eine positive Impf-Empfehlung durch die STIKO voraus. Sollte es eine STIKO-Empfehlung zur RSV-Impfung geben, würde der G-BA diese in seiner Schutzimpfungs-Richtlinie entsprechend berücksichtigen.
Fast zu spät für diesen Winter
Da der Wirkstoff Nirsevimab erst seit September 2023 auf dem Markt ist, kommt die G-BA Empfehlung für diese Saison reichlich spät. Die typische Saison für RSV-Erkrankungen dauert etwa von November bis April. Die RSV-Prophylaxe mit Nirsevimab wird von einigen gesetzlichen Krankenkassen unabhängig vom G-BA-Therapiehinweis zwischenzeitlich auch als Satzungsleistung übernommen.
Quellen: Spektrum.de, G-BA, National Library of Medicine
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