Kritik am Klimaschutzgesetz

„Keine Verschiebung von Reduktionslasten in die Zukunft und damit auf die nachfolgenden Generationen“ war ein Kernsatz des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 29. April 2021. Darauf wies Roda Verheyen, Vorstand von Green Legal Impact und Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts bei der Sachverständigen-Anhörung am 8. November 2023 zur geplanten Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes hin.

Belastung der nachfolgenden Generationen

Genau diese Verschiebung der Lasten passiere aber nun mit der geplanten Novelle. Die auf Vorschlag der SPD geladenen Expertin appellierte an die Abgeordneten: „Es ist zwingend erforderlich, dieses Gesetz so nicht anzunehmen.“ Zu dem gleichen Ergebnis kam Thorsten Müller, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, der ebenfalls auf Vorschlag der SPD eingeladen war.

Aufhebung der Sektorenziele

Kern der Novelle des Klimaschutzgesetzes ist die Aufhebung der Sektorenziele, so dass nun nur noch die Jahresemissionsgesamtmengen für alle Sektoren zusammen bewertet werden und gegebenenfalls für Nachbesserungen sorgen sollen. Dies entlastet vor allem das Verkehrsministerium, dass seine Sektorenziele bisher krachend verfehlt hat.

Klimablockadepolitik

Das Klimaschutzgesetz sei „nicht ansatzweise mit der 1,5 Grad-Grenze kompatibel, sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Mit dem Gesetz gehe es offenbar darum, “säumige Ministerien vor schlechter Presse zu schonen und Klimablockadepolitik in Schlüsselsektoren wie dem Verkehr in einer mehrjährigen Gesamtrechnung„ zu verstecken. Müller-Kraenner, der auf Einladung der Linken-Fraktion Stellung nahm, sprach von drohender “Verantwortungsdiffussion„. Ähnlich sah das Tobias Pforte-von Randow vom Deutschen Naturschutzring. Der vorliegende Gesetzentwurf diene lediglich der Verschleierung ungenügender Klimaschutzbemühungen sagte der Experte, der auf Einladung der Grünen-Fraktion sprach.

Keine Aufweichung der Sektorziele

Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sprach sich dezidiert gegen eine Aufweichung der Sektorziele aus und plädierte für eine Beibehaltung der derzeitigen Methodik, die eine gezielte Anreizwirkung zur Senkung der Treibhausgasemissionen in den Sektoren habe. Dazu führte die Expertin, die auf Einladung der Grünen-Fraktion an der Anhörung teilnahm, aus, dass zur Vermeidung von Zielabweichungen die Verrechnung von Über- und Untererfüllungen nur bis zu einer bestimmten Grenze zugelassen werden sollte.

gemeinsame Verantwortung der Regierung

Eine andere Meinung hat der von der CDU eingeladene Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina/Nationale Akademie der Wissenschaften, Gerald Haug. Er nannte die sektorübergreifende Klimaschutzpolitik genauso richtig wie die daraus folgende gemeinsame Verantwortung der Regierung.

Langfristige und strukturelle Maßnahmen unzureichend

Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagte, der Reformbedarf für das Klimaschutzgesetz bestehe, weil dessen Steuerungsmechanismen zwar hohe Verbindlichkeit und Flexibilität aufwiesen, „aber an den jeweils falschen Stellen“. Jahresscharfe sektorale Emissionsminderungsziele und die Zuweisung von sektoraler ministerieller Verantwortlichkeit schafften eine Vielzahl von politischen Interventionspunkten – vor allem bei der Ausgestaltung der Sofortprogramme, die bisher das zentrale Instrument der Nachsteuerung seien. Es sei jedoch mehr als fraglich, ob dies auch zu höherer langfristiger Glaubwürdigkeit führe. „Denn Sofortprogramme schließen Lücken, die in der Regel überhaupt erst entstehen, weil die langfristigen und strukturellen Maßnahmen unzureichend sind“, sagte Pahle, der auf Einladung der FDP sprach.

Teure Zukunft

Verkehr und Gebäude seien die Sektoren, die schon in der Vergangenheit ihre Ziele nicht erreicht hätten, sodass man nach europäischen Regeln Emissionszertifikate mit deutschem Steuerzahlergeld zukaufen musste, erklärte Christoph Bals von Germanwatch, der auf Einladung der Unionsfraktion sprach. Das werde zukünftig aber viel teurer, sagte Bals. Abschätzungen gingen von bis zu zweistelligen Milliardenbeträgen aus. Eventuell drohten EU-Vertragsverletzungsverfahren und Strafzahlungen. Eine fehlende Strategie im Verkehrs- und Gebäudebereich wäre daher “grob fahrlässig„, so Bals.

Finanzausstattung der Kommunen

Am bestehenden Monitoring und Kontrollmechanismus sowie der Pflicht, innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm zur Nachsteuerung vorzulegen, müsse festgehalten werden, forderte auch Tim Bagner vom Deutschen Städtetag, der auf Einladung gemäß einer Regelung der Geschäftsordnung des Bundestags zur Teilnahme von Vertretern kommunaler Spitzenverbände an Anhörungen sprach. Wie Bagner und Nadine Schartz vom Deutschen Landkreistag forderte Alexander Kramer vom Deutschen Städte- und Gemeindebund Bund und Länder auf, für eine langfristige und hinreichende Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen.

soziale Akzeptanz

Leon Krüger vom DGB, der auf Einladung der SPD-Fraktion sprach, unterstrich das Anliegen des Gewerkschaftsbundes, dass es für die ökonomisch ausgewogene Flankierung wie auch die soziale Akzeptanz der Klimaschutzmaßnahmen unerlässlich sei, die Bevölkerung über ein Klimageld zu entlasten und so klimaschutzbezogene Mehrbelastungen zu kompensieren“.

Quellen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesverfassungsgericht

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