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(Keine) Reformen im SGB II

Im Januar dieses Jahres präsentierte das BMAS einen Gesetzentwurf zur Änderung des SGB II (Elftes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze). Wir berichteten am 30. Januar 2021 darüber.

Kein Änderungsgesetz vor den Wahlen

Der Entwurf ist mittlerweile in der Versenkung verschwunden. Er gelangte in der
laufenden Legislaturperiode nicht mehr zur Beratung und Verabschiedung in den Deutschen Bundestag, obwohl mit ihm das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Reform des Sanktionsrechts – Urteil des Ersten Senats vom 5. November 2019, 1 BvL 7/16 – umgesetzt werden sollte.

Außerdem sollte der in der Pandemie vorübergehend eingeführte vereinfachte Zugang zum Arbeitslosengeld II dauerhaft festgelegt werden. Und es sollte weitere Anpassungen und Klarstellungen zur Weiterentwicklung des Eingliederungsprozesses geben.

Ausschuss-Anhörung

Stattdessen haben nun die Oppositionsfraktionen mehrere Anträge für Reformen im System der Grundsicherung für Arbeitssuchende gestellt. Auch mehrere Verbände melden Änderungsbedarf in der Grundsicherung an. Dazu gab es am 7. Juni 2021 eine Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

Anträge der Opposition:

  • Einführung von Bagatellgrenzen bei Rückforderungen (FDP),
  • 25-Prozent-Freibetrag für Rentner (AfD),
  • sanktionsfreie Mindestsicherung und Verhinderung von Grundsicherungskürzungen bei Rentnern (Linke),
  • Garantiesicherung statt Hartz IV (Grüne).

Forderungen der Verbände:

  • Der Deutsche Caritasverband e. V. will unter anderem einen Paradigmenwechsel in der Grundsicherung, der das „Fördern“ deutlich markanter ins Zentrum rückt. Integrationserfolge dürften nicht länger durch die Drohungen mit Verwaltungsakten und einem starren Sanktionsregime behindert werden.
  • Der Deutsche Landkreistag unterstützt, wie die meisten anderen Verbände auch, die Einführung einer Bagatellgrenze für Rückforderungen. „Dies würde zu mehr Bürgerfreundlichkeit und zur Vermeidung unnötiger Bürokratie beitragen.“
  • Die Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. fordert unter anderem „eine Regelsatzermittlung, die Zirkelschlüsse vermeidet und eine untere Haltelinie gewährleistet und eine Festlegung von Kosten der Unterkunft, die die tatsächlichen Gegebenheiten am Wohnungsmarkt zum Maßstab nimmt“.
  • Der Deutsche Städtetag schreibt: „Die Städte zweifeln daran, ob der restriktive Umgang der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit jungen Menschen zielführend ist“, deren Ungleichbehandlung im SGB II müsse beendet werden.
  • Die Bundesagentur für Arbeit befürwortet das System des „Förderns und Forderns“ in der Grundsicherung, schlägt aber dennoch eine Entschärfung des Sanktionsrechts bei unter 25-Jährigen und auch die Einführung einer Bagatellgrenze für Rückforderungen vor.
  • Der Sozialverband VdK Deutschland e. V. schreibt: „Die Aussetzung der Vermögensprüfung und die Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten im Zuge des erleichterten Zugangs zur Grundsicherung im Zuge der Corona-Pandemie waren sehr sinnvolle Maßnahmen, die unbedingt in einem neuen Grundsicherungssystem fortgesetzt werden müssten.“
  • Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält es unter anderem für notwendig, die Regelsätze neu zu ermitteln, eine Kindergrundsicherung und ein Recht auf Weiterbildung einzuführen. Während Die Linke jedoch fordere, das neue Leistungsniveau in Höhe einer Pauschale von 1.200 Euro aus der Armutsgrenze abzuleiten, halte der DGB eine Herleitung aus den Verbrauchausgaben für sachgerechter – wenn die Referenzgruppen neu definiert würden und bestimmte Standards erfüllten.
  • Der Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD) fordert, „die Regelsätze mittels eines transparenteren Statistikmodells zu ermitteln, das sich am tatsächlichen Bedarf orientiert und auf willkürliche, sachlich nicht begründbare Abschläge und normative Streichungen verzichtet“.
  • Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung „unterstützt die Erhöhung des Personalschlüssels beziehungsweise die Reduktion des Betreuungsschlüssels, weil damit zum einen die gesetzliche Forderung nach einer festen Ansprechperson besser erfüllt werden könnte und zum anderen die Beratungsqualität erhöht werden könnte“.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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