Mann im Rollstuhl am Arbeitsplatz

Klage gegen Schlechterstellung bei Erwerbsminderungsrenten

Der Sozialverband VdK Deutschland und der Sozialverband Deutschland (SoVD) wollen gemeinsam juristisch gegen eine Schlechterstellung von Erwerbsminderungsrentnern vorgehen. Dabei geht es um die Stichtagsregelung im Rentenpaket, dass zu 1.1.2019 in Kraft trat.

Zurechnungszeit

Konkret geht es um die Zurechnungszeit. Versicherte, die schon in jungen Jahren berufs- oder erwerbsunfähig werden, haben dann in aller Regel nur eine so kurze Versicherungszeit zurückgelegt, dass die nach der regulären Rentenformel errechnenden Rentenansprüche nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Damit derart Betroffene dennoch ausreichende Rente erhalten, kennt das Rentenrecht die so genannte Zurechnungszeit. Sie stellt sicher, dass dem Betroffenen zu seinen schon erworbenen rentenrechtlichen Zeiten noch die Zeit hinzugerechnet wird, die vom Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bis zum Beginn der Regelaltersrente fehlt. Im Rahmen der Rentenberechnung wird die Zurechnungszeit mit dem individuellen Durchschnittswert der Entgeltpunkte bewertet.

Rentenpaket 2019

Zum 1.1.2019 wurde das Ende der Zurechnungszeit in § 59 SGB VI, entsprechend der Anhebung der Regelaltersrente, auf die Vollendung des 67. Lebensjahrs festgelegt. Allerdings mit folgenden Übergangsregelungen (§ 253a SGB VI):

  1. Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente im Jahr 2018 oder ist bei einer Hinterbliebenenrente die versicherte Person im Jahr 2018 verstorben, endet die Zurechnungszeit mit Vollendung des 62. Lebensjahres und drei Monaten.
  2. Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente im Jahr 2019 oder ist bei einer Hinterbliebenenrente die versicherte Person im Jahr 2019 verstorben, endet die Zurechnungszeit mit Vollendung des 65. Lebensjahres und acht Monaten.
  3. Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente nach dem 31. Dezember 2019 und vor dem 1. Januar 2031 oder ist bei einer Hinterbliebenenrente die versicherte Person nach dem 31. Dezember 2019 und vor dem 1. Januar 2031 verstorben, wird das Ende der Zurechnungszeit jedes Jahr um einen Monat angehoben, bis sie 2031 die Regelaltersrente 67 erreicht.

Streitpunkt

Der Streitpunkt ist der große Unterschied zwischen Punkt 1 und Punkt 2 der Regelung.
Einen Entgeltpunkt erhält ein Rentner mit einem Durchschnittseinkommen für 1 Jahr Beitragszahlung. Für einen Entgeltpunkt bekommt man monatlich 1 mal den Rentenwert (zur Zeit: 33,05 Euro im Westen). Jemand der 40 Jahre einen Durchschnittsverdienst hatte bekommt also 40 Entgeltpunkte mal Rentenwert, das sind 1.322 Euro Rente. Wird jemand im Alter von 50 Jahren erwerbsunfähig, kommt es darauf an, wann die Erwerbsunfähigkeit eintrat.

  • Trat sie im Dezember 2018 ein, gilt die Zurechnungszeit bis Vollendung des 62. Lebensjahres und drei Monaten,
  • trat sie im Januar 2019 ein, gilt die Zurechnungszeit bis Vollendung des 65. Lebensjahres und acht Monaten.

Das macht eine Unterschied vonmehr als 2 Entgeltpunkten aus und bedeutet einen monatlichen Unterschiedsbetrag bei der Rente von ca 80 Euro.

Rechtsweg

VdK und SoVD halten diese Schlechterstellung für verfassungswidrig. Gemeinsam strengen beide Verbände Musterverfahren an. Das Ziel lautet: Entscheidung in Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht soll klären, ob diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Bis es soweit ist, kann es aber noch dauern. Das deutsche Sozialrecht sieht nicht vor, eine Rechtsfrage direkt dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Deshalb bleibt nur der Rechtsweg durch alle Instanzen.

Quellen: Vdk, SOLEX

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