Fallpauschalen, Personaluntergrenze und Corona

Die akute Corona-Krise macht deutlich, dass eine Krankenhausfinanzierung, die auf Erlösorientierung oder gar Gewinnorientierung baut, keine gute Idee ist.

Fallpauschalen

Die Finanzierung der Krankenhäuser geschieht seit 2004 über Fallpauschalen. Mit diesem System werden Diagnosen in „Fallgruppen“ gruppiert und pauschal vergütet. Der Effekt ist: Patienten rechnen sich – egal wie krank sie sind – in diesem System vor allem, wenn an ihnen viele „Prozeduren“ durchgeführt werden. In der Fallpauschalen-Logik sind das alle Eingriffe von einer Spritze über Magenspiegelungen bis hin zu großen Operationen. Nicht ökonomisch interessant ist es, wenn Krankenhausärzte mit Patienten sprechen, über die richtige Diagnose nachdenken und in der Fachliteratur nachforschen, oder wenn sie Patienten erst beobachten, bevor sie in ungezielten Aktionismus verfallen.

Erst recht nicht wirtschaftlich und betriebswirtschaftlich unsinnig ist es, wenn Kapazitäten freigehalten werden, um bei Krisen, wie der augenblicklichen, gewappnet zu sein.

Zu viele Krankenhäuser?

Mitte letzten Jahres schlug folglich eine Bertelsmann-Studie Alarm: es gebe „Überkapazitäten“ an Bettenplätzen und Krankenhausstandorten in Deutschland. Stattdessen weniger Betten konzentriert an weniger Krankenhausstandorten würden ermöglichen, mit dem vorhandenen Personal die Pflegebedingungen für PatientInnen und Beschäftigte zu verbessern und sogar noch Geld zu sparen.

Folgerichtig, das heißt der kapitalistischen neo-liberalen Ideolgie folgend, mussten in den letzten Jahren schon viele Krankenhäuser schließen. Häufig betraf dies Geburtsstationen und Kinderkliniken.

Dabei sollte die Versorgung von Kranken, genau wie die Betreung von Pflegebedürftigen, aber auch andere Bereiche, wie die Versorgung mit Wasser, Energie und der Öffentliche Personenverkehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein. In diesen Bereichen haben Gewinnstreben und Erlösorientierung nichts zu suchen.

Personaluntergrenzen

Die Bundesregierung hatte zu Beginn des Jahres 2019 Personaluntergrenzen für Krankenhäuser eingeführt, als zentrales Instrument zur Verbesserung der Pflegepersonalausstattung der Krankenhäuser. Diese Untergrenzen hat das Bundesministerium jetzt kurzfristig aufgehoben. Wie das Ministerium mitteilte, sollten Kliniken bei der Personalplanung flexibel auf die Ausbreitung des Coronavirus reagieren können. Deshalb würden sie in dieser Lage bis auf Weiteres vom Aufwand der Dokumentation und von anderen Auflagen in der Pflege entlastet. Die Untergrenzen galten insbesondere für die Intensiv-Stationen.

Vereinfacht gesagt bedeutet die Personaluntergrenzen-Vorschrift, dass Stationen mit zu wenig Personal geschlossen werden müssen. Nun da diese Regel nicht mehr gilt, versuchen eineige Krankenhäuser schnell Kasse zu machen. Es wird operiert, was das Zeug hält. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe hält die Aussetzung der Vorschrift für völlig falsch. Besser sei es, planbare Operationen zu verschieben um so Kapazitäten zu schaffen ohne die Qualität herunter zu fahren.

Quellen: DBFK, Bertelsmann-Stiftung, FOKUS-Sozialrecht, BMG

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Erleichterung beim Kurzarbeitergeld

Rekordtempo bei der Verabschiedung des „Gesetzes zur befristeten  krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ (19/17893). Das Gesetz wurde am heutigen Freitag, 13.3.2020, in 1.,2. und 3. Lesung im Bundestag und wenig später im Bundesrat verabschiedet. Die Bundesregierung begründet dies mit den durch die schnell zunehmende Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten konjunkturellen Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft.

Maßnahmen

Konkret sieht die Gesetzesinitiative eine Änderung im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (neuer Absatz 5 im § 109)  vor, die es durch eine Verordnung der Bundesregierung ermöglicht,

  • dass nur zehn Prozent der Beschäftigten eines Betriebes vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen. Bisher ist vorgesehen, dass mindestens ein Drittel der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen.
  • Zudem soll auf den Aufbau von negativen Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes ganz oder teilweise verzichtet werden können.
  • Weiter sollen den Arbeitgebern die Sozialversicherungsbeiträge vollständig oder teilweise erstattet werden können.

Durch Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (neuer § 11a) wird die Möglichkeit für eine Verordnung durch die Bundesregierung geschaffen, damit Kurzarbeitergeld auch an Leiharbeitskräfte gezahlt werden kann. Voraussetzung für eine solche Verordnung ist eine krisenhafte Situation, die für Branchen oder Regionen übergreifend erhebliche Auswirkungen auf Beschäftigungsverhältnisse und den Arbeitsmarkt hat.

Aus der Begründung:

„Trotz der insgesamt robusten Arbeitsmarktsituation steht die deutsche Wirtschaft vor konjunkturellen Herausforderungen, die sich durch die schnell zunehmende Verbreitung des Coronavirus COVID19 aktuell deutlich verstärken. Erkrankungen oder Quarantäne von Beschäftigten haben unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeit von Unternehmen. Zugleich zeigen sich verstärkt mittelbare Folgen für einzelne Branchen und Regionen etwa durch die Absage von Messen und Großveranstaltungen oder ein eingeschränktes Reiseverhalten. Noch nicht absehbar ist, wie sich möglicherweise abreißende Lieferketten oder ein Auftragsrückgang auf die Konjunktur und damit auf den Arbeitsmarkt auswirken.“

Die Verordnungsermächtigung ist zeitlich bis zum 31. Dezember 2021 befristet.

Noch Anfang der Woche hieß es, die Regelungen zum Kurzarbeitergeld würden in dem vom BMAS vorgelegten Gesetzentwurf zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung („Arbeit von morgen“) umgesetzt. Der Gesetzentwurf sollte deshalb am 11.03.2020 vom Bundeskabinett beschlossen werden und in einem verkürzten Verfahren in der ersten Aprilhälfte in Kraft treten. Nun wurde wegen der Dringlichkeit ein eigenständiges Gesetz gebastelt, dass sofort in Kraft treten kann.

Quellen: Bundestag, Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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Grundsicherung – mehr als doppelt so viele hätten Anspruch

Ende letzten Jahres veröffentlichte das Deutsche Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) eine Studie zur Inanspruchnahme von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

62 Prozent verzichten auf Grundsicherung

Die Untersuchung ergab, dass knapp 62 Prozent oder hochgerechnet etwa 625.000 Privathaushalte, denen die Grundsicherung im Alter zustünde, diese nicht in Anspruch nehmen.
Besonders hoch ist die Quote bei Personen, die älter als 76 Jahre (73 Prozent) oder verwitwet (77 Prozent) sind. Auch ein niedriger Bildungsstatus geht damit einher, dass die Grundsicherung seltener in Anspruch genommen wird.

Vor allem aber nehmen diejenigen, die monatliche Beträge bis 200 Euro aus der Grundsicherung zu erwarten haben, diese häufig nicht in Anspruch (80 Prozent).

Dagegen nehmen vier von fünf Haushalten mit Ansprüchen von mehr als 600 Euro nehmen diese auch in Anspruch.

zu aufwendig, zu bürokratisch

Vielen ist das Verfahren vermutlich zu aufwendig – gerade bei kleinen Beträgen – oder sie wissen gar nicht, dass sie den Rechtsanspruch haben. Auch die Angst, als „Almosenempfänger“ abgestempelt zu werden, könne eine Rolle spielen.

Unter Umständen spielt auch noch die Angst eine Rolle, dass ihre Kinder die staatliche Hilfe zurückzahlen müssten. Die Gefahr besteht in der Regel nicht mehr. Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz wurde die Einkommensgrenze, unter der unterhaltspflichtige Angehörige nicht zu den Kosten für Sozialhilfe-Leistungen herangezogen können zum 1.1.2020 auf 100.000 EUR angehoben.

Um diesem Missstand zu begegnen, wären bessere Informationen und vereinfachte Verfahren nötig.

Vorschläge

Vorschläge der Verfasser der Studie sind unter anderem:

  • Die Bewilligungsphase von derzeit zwölf Monate verlängern, da sich die Einkommenssituation der Seniorinnen und Senioren in der Regel nicht mehr häufig grundlegend ändert.
  • Keine aufwendige Vermögensprüfung, da Vermögende in der Regel hohe Kapitaleinkünfte haben, die schon in der Einkommensprüfung zu Buche schlagen

Eine vereinfachte Antragstellung und weniger Bürokratie könnte ein effizienter Weg sein, um die verdeckte Altersarmut etwas einzudämmen. Abschaffen kann man sie nur, wenn die Leistungen ohne Beantragung ausgezahlt würden.

Nähmen tatsächlich alle Grundsicherungsberechtigten ihre Ansprüche wahr, würde dies den Staat rund zwei Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich kosten.

Quellen: DIW, SOLEX

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Kurzfristige Maßnahmen wegen Covid-19

Die Bundesregierung gibt zur Eindämmung des SARS-CoV-2-Virus hauptsächlich Empfehlungen heraus. Entscheiden müssen die örtlichen Verantwortlichen. Appeliert wird auch an jeden Einzelnen. Es geht um

  • Einhaltung der Hygiene (Händewaschen)
  • Vermeiden des Besuchs von großen Menschenansammlungen.
  • Empfehlung, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abzusagen.

Konkrete Maßnahmen gibt es aber seit heute (9.3.2020) aber auch:

Krankschreibung per Telefon

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband haben sich heute darauf verständigt, dass ab sofort Patienten mit leichten Erkrankungen der oberen Atemwege nach telefonischer Rücksprache mit ihrem Arzt eine Bescheinigung auf Arbeitsunfähigkeit (AU) bis maximal sieben Tage ausgestellt bekommen können. Sie müssen dafür nicht die Arztpraxen aufsuchen. Die Regelung gilt für Patienten, die an leichten Erkrankungen der oberen Atemwege leiden und keine schwere Symptomatik vorweisen oder Kriterien des Robert-Koch-Instituts (RKI) für einen Verdacht auf eine Infektion mit COVID-19 erfüllen. Diese Vereinbarung gilt ab sofort und zunächst für vier Wochen.

Maßnahmen des Koalitionsauschusses für betroffene Unternehmen

Die Bundesregierung wird bis Ende 2021 Verordnungsermächtigungen einführen, mit der sie die Voraussetzungen für den Bezug von  Kurzarbeitergeld absenken und die Leistungen wie folgt erweitern kann:

  • Absenken des Quorums der im Betrieb Beschäftigten, die vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen, auf bis zu 10 %·
  • Teilweise oder vollständiger Verzicht auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden
  • Ermöglichung des Kurzarbeitergeldbezugs auch für Leiharbeitnehmer
  • Vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit.
  • Die Verordnungen selbst sollen zunächst bis Ende 2020 befristet werden.

Bei den am 29.01.2020 bereits beschlossenen Verbesserungen bei Kurzarbeit in Kombination mit Weiterbildung wird es bleiben. Sie sollen gesetzlich umgesetzt werden. Die Regelungen zum Kurzarbeitergeld werden in dem vom BMAS vorgelegten Gesetzentwurf zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung („Arbeit von morgen“) schnellstmöglich umgesetzt. Der Gesetzentwurf soll deshalb am 11.03.2020 vom Bundeskabinett beschlossen werden und in einem verkürzten Verfahren in der ersten Aprilhälfte in Kraft treten.

Quellen: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Bundesregierung

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Eingliederungshilfe – leistungsberechtigter Personenkreis

Im Rahmen der Reform der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) sollte nicht nur eine Neudefinition des Behinderungsbegriffs, sondern auch des Kriteriums der „Wesentlichkeit“ beim leistungsberechtigten Personenkreis in der Eingliederungshilfe in Anlehnung an die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und in Orientierung an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) erfolgen.

Konsens im Gesetzgebungsverfahren des BTHG war, dass durch eine Neudefinition der bisherige leistungsberechtigte Personenkreis in der Eingliederungshilfe nicht verändert werden soll.

Leistungsberechtigter Personenkreis soll unverändert bleiben

Nach intensiven Erörterungen im parlamentarischen Verfahren des BTHG wurde letztlich in Artikel 25a § 99 BTHG nur eine richtungsweisende Regelung zur Neudefinition des leistungsberechtigten Personenkreises aufgenommen, deren unbestimmte Rechtsbegriffe erst zum 1. Januar 2023 nach einer wissenschaftlichen Untersuchung der rechtlichen Wirkungen auf den leistungsberechtigten Personenkreis konkretisiert werden sollten. Diese Untersuchung, die von der Arbeitsgemeinschaft ISG und transfer in Kooperation mit Prof. Dr. Welti und Dr. med. Schmidt-Ohlemann durchgeführt wurde, kam jedoch 2018 zu dem Ergebnis, dass das in Artikel 25a § 99 BTHG angelegte Konzept nicht gewährleisten könne, dass der leistungsberechtigte Personenkreis gegenüber dem Status Quo unverändert bleibt (vgl. BTDrs. 19/4500). Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses wird § 99 SGB IX in der Fassung des Art. 25a BTHG nicht zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Ohne Änderung würde daher die ursprünglich nur als Übergangslösung gedachte seit 1. Januar 2020 in Kraft getretene Fassung des § 99 SGB IX, die auf das bisherige Recht im SGB XII verweist, zur Dauerlösung werden. Damit würde nicht nur der Bezug zum Fürsorgesystem (SGB XII) erhalten bleiben, sondern durch den Verweis auf das ab dem 1. Januar 2020 nicht mehr geltende Recht perspektivisch auch die Transparenz über die Zugangskriterien zu Leistungen der Eingliederungshilfe verloren gehen.

Beteiligungsprozess und Arbeitsgruppe

Zur Klärung dieser Frage hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Ende 2018 einen Beteiligungsprozess gestartet, aus der die Arbeitsgruppe „Leistungsberechtigter Personenkreis in der Eingliederungshilfe“ hervorgegangen ist. Nun liegen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe vor.

Ziel der Arbeitsgruppe war es, dass sich Vertreterinnen und Vertreter der Menschen mit Behinderungen, der kommunalen Leistungsträger, der Leistungserbringer und der Länder sowie Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und Praxis auf die Grundzüge eines Modells zur Ausgestaltung des leistungsberechtigten Personenkreises verständigen. Das Ergebnis ist ein Arbeitspapier, das den Entwurf des § 99 SGB IX sowie den Entwurf der Verordnung über die Leistungsberechtigung in der Eingliederungshilfe enthält.

Das Arbeitspapier erläutert die bisherige Rechtslage und den Handlungsbedarf, der sich durch das BTHG ergeben hat. Die konkreten Vorschläge zur künftigen Ausgestaltung der Regelungen des Leistungszugangs stehen vor dem Hintergrund, dass sich der leistungsberechtigte Personenkreis in der Eingliederungshilfe nicht verändern soll.

Zentrale Ergebnisse

  • Die Kriterien für den Zugang zu Leistungen der Eingliederungshilfe werden so angepasst, dass sie sich an den Begrifflichkeiten der UN-BRK und der ICF orientieren.
  • Neben der gesetzlichen Regelung im künftigen § 99 SGB IX wird es eine konkretisierende Rechtsverordnung geben.
  • Für einen Rechtsanspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe ist auch künftig das Vorliegen einer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX nicht ausreichend. Zusätzlich muss ein weiteres Kriterium erfüllt sein.
  • Der Begriff der „wesentlichen“ Behinderung, der für einen Zugang zu Eingliederungshilfeleistungen erforderlich ist, wird künftig legal in § 99 Abs. 1 SGB IX definiert.
  • Liegt keine „wesentliche“ Behinderung vor, können Personen mit einer anderen geistigen, seelischen, körperlichen oder Sinnesbehinderung auch künftig Leistungen der Eingliederungshilfe im Ermessensweg erhalten.
  • Entscheidend für das vorliegen einer „wesentlichen“ Behinderung ist, dass die Beeinträchtigung in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren zu einer wesentlichen Einschränkung der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft führt, statt, wie in den bisherigen Regelungen formuliert zur Einschränkung der Teilhabefähigkeit.

Folgeprozess

Eine vollständige Einigung des Verordnungstextes konnte im Rahmen der Arbeitsgruppe nicht mehr erreicht werden. Zur Klärung der verbliebenen offenen Fragen soll ein Folgeprozess stattfinden. Dabei sollen in erster Linie die strittigen Textpassagen evaluiert werden. Hierbei soll untersucht werden, ob sich durch die unterschiedlichen innerhalb der Arbeitsgruppe vertretenen Formulierungen in der Praxis Veränderungen mit Blick auf den leistungsberechtigten Personenkreis in der Eingliederungshilfe ergeben würden.

Quellen: umsetzungsbegleitung-bthg.de, FOKUS-Sozialrecht

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Krankentransport-Richtlinie

Die überarbeiteten Richtlinien über die Verordnung von
Krankenfahrten, Krankentransportleistungen
und Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinie) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sind am 5.3.2020 in Kraft getreten. Eine Änderung wurde nötig aufgrund der Erweiterung des Entlassmanagements durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), sowie der eingeführten Genehmigungsfiktion für Krankenfahrten bei dauerhafter Mobilitätsbeeinträchtigung durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG).

Entlassmanagement

Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz erhalten auch Ärzte und Psychotherapeuten in Krankenhäusern die Möglichkeit, bei Entlassung von Patientinnen und Patienten eine Krankenbeförderungsleistung zu verordnen, sofern die Beförderung des Patienten aus medizinischen Gründen notwendig ist. Bislang durften nur Vertrags(zahn)ärzte sowie Vertragspsychotherapeuten eine Verordnung einer Krankenbeförderung ausstellen.

Genehmigungsfiktion

Mit Inkrafttreten des Pflegepersonals-Stärkungsgesetzes (PpSG) am 1. Januar 2019 gilt für dauerhaft mobilitätsbeeinträchtigte Personen eine sogenannte Genehmigungsfiktion: Bei anerkannter Schwerbehinderung (Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“, Pflegegrad 3 mit dauerhafter Mobilitätsbeeinträchtigung, 4 oder 5) gilt die Genehmigung der Krankenfahrt mit einem Taxi oder Mietwagen mit Ausstellung der Verordnung als erteilt. Diese gesetzliche Regelung wurde nun in der Krankentransport-Richtlinie nachvollzogen.

Fahrten bei Rehamaßnahmen

Fahrten im Zusammenhang mit Rehabilitationsmaßnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bedürfen bislang keiner ärztlichen Verordnung. Hieran ändert die aktualisierte KT-RL nichts. Daher müssen sich Betroffene zur Klärung ihrer An- und Abreise weiterhin mit ihrer Krankenkasse in Verbindung setzen.

Muster 4

Die Anlage I der KT-RL regelte bisher sehr kleinteilig die Inhalte der Verordnung einer Krankenbeförderung (Muster 4). Dies wurde mit der Anpassung der KT-RL dahingehend geändert, dass die Anlage nur noch die wesentlichen Inhalte des Musters 4 vorgibt. Dies entspricht dem Vorgehen bei anderen Richtlinien.

Quellen: G-BA, Haufe

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Zu früh gefreut – das Wiederholungsrezept

Mit dem Masernschutzgesetz, das zum 1.März in Kraft getreten ist, wurde Ärzten gleichzeitig gesetzlich erlaubt, Wiederholungsrezepte auszustellen geebnet.

Was ist das Wiederholungsrezept?

Vertragsärzte können für Versicherte Verordnungen von Arzneimitteln ausstellen, mit denen eine bis zu dreimal zu wiederholende Abgabe erlaubt ist. Das heißt, mit einem Rezept kann ein chronisch kranker Patient viermal im Jahr in der Apotheke die Medikamente abholen, die er benötigt. Die Verordnungen sind als Verordnungen zur wiederholten Abgabe zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen durch Apotheken beliefert werden. Ob eine entsprechende Verordnung von Arzneimitteln bei einer Patientin oder einem Patienten in Frage kommt, muss von der behandelnden Ärztin bzw. von dem behandelnden Arzt im Einzelfall beurteilt werden. In Frage kommen Verordnungen zur wiederholten Abgabe insbesondere für chronisch kranke Patienten in stabilem Gesundheitszustand und bei gleichbleibender Medikation mit für eine Wiederholungsverschreibung geeigneten Wirkstoffen.

Patienten, die nun hofften, sie könnten durch das Wiederholungsrezept Zeit und Mühe sparen, weil sie nicht mehr für jedes Rezept in der Arztpraxis warten müssen, haben sich zu früh gefreut. Vorläufig werden Wiederholungsrezepte erst mal nicht ausgestellt, beziehungsweise lassen sich in der Apotheke nicht einlösen.

Verhandlungen nicht abgeschlossen

Grund dafür ist, dass die Verhandlungen zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen, der Ärzte und der Apotheken noch nicht abgeschlossen sind. Unklar ist noch unter anderem

  • wie Wiederholungsrezepte aussehen sollen,
  • wie damit umgegangen werden soll und
  • wie das Abrechnungsverfahren laufen soll.

Zurzeit wird die Ausgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten so gehandhabt, dass der Kunde das Rezept in der Apotheke abgibt und das Medikament erhält. Das Rezept bleibt in der Apotheke und wird von ihr bei der Krankenkasse zur Abrechnung eingereicht. Bis die Kasse zahlt, tritt die Apotheke also in Vorleistung.

Bei einem Wiederholungsrezept dürfte die Apotheke das Rezept allerdings erst nach etwa einem Jahr zur Abrechnung einreichen, nämlich erst dann, wenn alle vier Verordnungen auf dem Rezept sozusagen aufgebraucht sind. Bei teuren Medikamenten können da schon mal einige tausend Euro zusammenkommen, die zunächst die Apotheke bezahlen muss, bevor sie die Kosten nach über einem Jahr endlich erstattet bekommt.

Für den Patienten läuft es darauf hinaus, dass er seine Medikamente auf jeden Fall immer in der Apotheke abholen muss, bei der er das Wiederholungsrezept abgegeben hat. Das könnte beispielsweise in Urlaubszeiten schwierig werden.

Appell der Apotheker

Bis diese Fragen nicht geklärt sind und solange die Verhandlungen darüber laufen, appelliert deswegen der Deutsche Apothekerverband (DAV) an alle Mediziner, kein wie auch immer geartetes Wiederholungsrezept auszustellen. Denn solange unklar ist, wie Apotheker die Mehrfachabgabe dokumentieren und ihren Abrechnungsanspruch einlösen sollen, werde nur unnötig Chaos und Verärgerung bei den Patienten provoziert.

Quellen: BMA, Deutscher Apothekerverband (DAV), SOLEX

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