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Eingliederungshilfe – leistungsberechtigter Personenkreis

Im Rahmen der Reform der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) sollte nicht nur eine Neudefinition des Behinderungsbegriffs, sondern auch des Kriteriums der „Wesentlichkeit“ beim leistungsberechtigten Personenkreis in der Eingliederungshilfe in Anlehnung an die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und in Orientierung an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) erfolgen.

Konsens im Gesetzgebungsverfahren des BTHG war, dass durch eine Neudefinition der bisherige leistungsberechtigte Personenkreis in der Eingliederungshilfe nicht verändert werden soll.

Leistungsberechtigter Personenkreis soll unverändert bleiben

Nach intensiven Erörterungen im parlamentarischen Verfahren des BTHG wurde letztlich in Artikel 25a § 99 BTHG nur eine richtungsweisende Regelung zur Neudefinition des leistungsberechtigten Personenkreises aufgenommen, deren unbestimmte Rechtsbegriffe erst zum 1. Januar 2023 nach einer wissenschaftlichen Untersuchung der rechtlichen Wirkungen auf den leistungsberechtigten Personenkreis konkretisiert werden sollten. Diese Untersuchung, die von der Arbeitsgemeinschaft ISG und transfer in Kooperation mit Prof. Dr. Welti und Dr. med. Schmidt-Ohlemann durchgeführt wurde, kam jedoch 2018 zu dem Ergebnis, dass das in Artikel 25a § 99 BTHG angelegte Konzept nicht gewährleisten könne, dass der leistungsberechtigte Personenkreis gegenüber dem Status Quo unverändert bleibt (vgl. BTDrs. 19/4500). Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses wird § 99 SGB IX in der Fassung des Art. 25a BTHG nicht zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Ohne Änderung würde daher die ursprünglich nur als Übergangslösung gedachte seit 1. Januar 2020 in Kraft getretene Fassung des § 99 SGB IX, die auf das bisherige Recht im SGB XII verweist, zur Dauerlösung werden. Damit würde nicht nur der Bezug zum Fürsorgesystem (SGB XII) erhalten bleiben, sondern durch den Verweis auf das ab dem 1. Januar 2020 nicht mehr geltende Recht perspektivisch auch die Transparenz über die Zugangskriterien zu Leistungen der Eingliederungshilfe verloren gehen.

Beteiligungsprozess und Arbeitsgruppe

Zur Klärung dieser Frage hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Ende 2018 einen Beteiligungsprozess gestartet, aus der die Arbeitsgruppe „Leistungsberechtigter Personenkreis in der Eingliederungshilfe“ hervorgegangen ist. Nun liegen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe vor.

Ziel der Arbeitsgruppe war es, dass sich Vertreterinnen und Vertreter der Menschen mit Behinderungen, der kommunalen Leistungsträger, der Leistungserbringer und der Länder sowie Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und Praxis auf die Grundzüge eines Modells zur Ausgestaltung des leistungsberechtigten Personenkreises verständigen. Das Ergebnis ist ein Arbeitspapier, das den Entwurf des § 99 SGB IX sowie den Entwurf der Verordnung über die Leistungsberechtigung in der Eingliederungshilfe enthält.

Das Arbeitspapier erläutert die bisherige Rechtslage und den Handlungsbedarf, der sich durch das BTHG ergeben hat. Die konkreten Vorschläge zur künftigen Ausgestaltung der Regelungen des Leistungszugangs stehen vor dem Hintergrund, dass sich der leistungsberechtigte Personenkreis in der Eingliederungshilfe nicht verändern soll.

Zentrale Ergebnisse

  • Die Kriterien für den Zugang zu Leistungen der Eingliederungshilfe werden so angepasst, dass sie sich an den Begrifflichkeiten der UN-BRK und der ICF orientieren.
  • Neben der gesetzlichen Regelung im künftigen § 99 SGB IX wird es eine konkretisierende Rechtsverordnung geben.
  • Für einen Rechtsanspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe ist auch künftig das Vorliegen einer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX nicht ausreichend. Zusätzlich muss ein weiteres Kriterium erfüllt sein.
  • Der Begriff der „wesentlichen“ Behinderung, der für einen Zugang zu Eingliederungshilfeleistungen erforderlich ist, wird künftig legal in § 99 Abs. 1 SGB IX definiert.
  • Liegt keine „wesentliche“ Behinderung vor, können Personen mit einer anderen geistigen, seelischen, körperlichen oder Sinnesbehinderung auch künftig Leistungen der Eingliederungshilfe im Ermessensweg erhalten.
  • Entscheidend für das vorliegen einer „wesentlichen“ Behinderung ist, dass die Beeinträchtigung in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren zu einer wesentlichen Einschränkung der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft führt, statt, wie in den bisherigen Regelungen formuliert zur Einschränkung der Teilhabefähigkeit.

Folgeprozess

Eine vollständige Einigung des Verordnungstextes konnte im Rahmen der Arbeitsgruppe nicht mehr erreicht werden. Zur Klärung der verbliebenen offenen Fragen soll ein Folgeprozess stattfinden. Dabei sollen in erster Linie die strittigen Textpassagen evaluiert werden. Hierbei soll untersucht werden, ob sich durch die unterschiedlichen innerhalb der Arbeitsgruppe vertretenen Formulierungen in der Praxis Veränderungen mit Blick auf den leistungsberechtigten Personenkreis in der Eingliederungshilfe ergeben würden.

Quellen: umsetzungsbegleitung-bthg.de, FOKUS-Sozialrecht

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