Kerzen Stromausfall

Stromsperren

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Urteilen von 2010 und 2014 festgestellt, dass die Versorgung mit Energie als Teil des „menschenwürdigen Existenzminimums“ anzusehen ist (1 BvL 1/09; 1 BvL 10/12). Gleichzeitig ist Energiearmut ein zunehmendes Problem in Deutschland geworden. Dies zeigt sich insbesondere an der Anzahl der Stromsperren in deutschen Haushalten. Im Jahr 2017 haben sich die Stromsperren auf insgesamt 343.865 erhöht (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion, Bundestagsdrucksache 19/8879).

Folgen einer Sperrung des Stroms

Eine Stromsperre hat für die Betroffenen oft weitreichende Folgen:

  • Unter Umständen kann nicht mehr geheizt werden.
  • Warme Mahlzeiten fallen aus.
  • Hausaufgaben werden im Dunkeln oder bei Kerzenlicht erledigt.
  • Lebensmittel können nicht mehr im Kühlschrank gelagert werden.
  • Oft sind besonders Schutzbedürftige wie Kinder, alte, behinderte oder pflegebedürftige Menschen betroffen. Diese haben außerdem oft einen überdurchschnittlich hohen Energiebedarf, ohne dass dies ausreichend berücksichtigt wird.
  • Stromsperren können dazu führen, dass Betroffene durch die anfallenden Gebühren für die Mahnung, Sperrung und Entsperrung in eine Verschuldungsspirale geraten, die das Risiko, erneut mit einer Energiesperre belegt zu werden, weiter erhöht.

Betroffen sind Menschen mit geringem Einkommen

Menschen mit geringem Einkommen sind besonders häufig von Stromsperren betroffen. Bei Beziehenden von Grundsicherungsleistungen gilt dies sogar überproportional. Häufig kommt es zu Stromsperren, wenn eine einschneidende Veränderung im Lebensumfeld, z. B. der Übergang in Rente oder Erwerbslosigkeit, eine Trennung, die Geburt eines Kindes oder Erkrankungen hinzukommen (Pressemitteilungen des Bundeswirtschaftsministerium)

EU – Vorgaben ignoriert

Die Europäische Union hat die Problematik der Energiearmut erkannt und das Problem bereits 2009 in einer Richtlinie aufgegriffen, in der die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, „nationale Aktionspläne oder einen anderen geeigneten Rahmen zur Bekämpfung der Energiearmut schaffen, die zum Ziel haben, die Zahl der darunter leidenden Menschen zu verringern“ und damit „[…] in jedem Fall eine ausreichende Energieversorgung für schutzbedürftige Kunden gewährleisten“ (2009/72/EG, Nr. 53). Eine entsprechende Umsetzung in deutsches Recht ist bislang nicht erfolgt. Die Bundesregierung sperrt sich sogar dagegen, das Ausmaß der Energiearmut genauer zu messen (Der Spiegel am 26.5.2018).

Forderungen

Der Sozialverband VdK fordert nun, genau wie die Fraktion der Grünen in einer Gesetzesinitiative,

  • den Stromanteil im Hartz IV-Regelsatz deutlich zu erhöhen mit einer aus dem Regelsatz der Grundsicherung ausgelagerten Stromkostenpauschale, welche jährlich an die Entwicklung der Stromkosten angepasst wird.
  • Mehrbedarfe aus gesundheitlichen Gründen (z. B. für elektrisch betriebene Hilfsmittel) oder bei einer dezentralen Warmwasserversorgung müssen kostendeckend bemessen werden.
  • Unterstützung beim Energiesparen, indem zielgenauer und verlässlicher Bedarfe durch Leistungen außerhalb des Regelsatzes abgedeckt werden. Hierzu zählen einmalige Leistungen wie Anschaffung oder Reparatur von weißer Ware wie Waschmaschine und Kühlschrank. Dabei soll sichergestellt werden, dass bevorzugt besonders energieeffiziente Geräte angeschafft werden.
  • eine Verlängerung der Mahn- und Sperrfristen, eine moderate Anhebung des Grenzbetrags bei ausstehenden Zahlungsverpflichtungen sowie eine Deckelung der Mahn- und Folgekosten.
  • Etablierung eines frühzeitigen Hilfesystems im Fall von sich abzeichnenden Energieschulden zwischen Energieversorgern und Jobcentern bzw. Sozialämtern unter Einwilligung der Leistungsbeziehenden, um Stromsperren zu verhindern.

Auch im Wohngeld müssen die Kosten für Warmwasser, Heizung und Strom als Energiekostenpauschale berücksichtigt werden.

Quellen: VDK, Bundestagsfraktion der Grünen, Spiegel, Bundesverfassungsgericht, EU-Richtlinien

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