Seit 2016 arbeitet das Familienministerium an einer Reform der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII). Schon der erste Entwurf scheiterte an der massiven Kritik, unter anderem von Fachverbänden, die vor der Auflösung der individuellen Rechtsansprüche und Auflösung der Finanzierungsstrukturen warnten.
Im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode haben CDU/CSU und SPD vereinbart, die Kinder- und Jugendhilfe weiterzuentwickeln und dabei insbesondere den Kinderschutz und die Unterstützung von Familien zu verbessern.
Langwieriger Prozess
Im April 2017 wurde ein Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen“ vorgelegt. Aufgrund anhaltender Kritik wurde der Entwurf jedoch von der Tagesordnung im Bundesrat genommen. Unter anderem wurde die Einschränkung der Jugendhilfe bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge scharf kritisiert.
Nach vielen Expertisen und Stellungnahmen, z.B. vom Deutschen Sozialgerichtstag e.V. (DSGT) wurde im November 2018 vom Familienministerium der Dialogprozess „Mitreden & Mitgestalten“ zur Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe gestartet. Auf der Plattform www.mitreden-mitgestalten.de wurde fortlaufend über den Dialogprozess informiert, die Fachöffentlichkeit konnte sich am Dialog beteiligen.
Am 10. Dezember hat Bundesjugendministerin Dr. Franziska Giffey in Berlin bei einer Fachkonferenz mit 230 Expertinnen und Experten den Abschlussbericht entgegengenommen und gemeinsam mit Caren Marks, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesjugendministerin, erste Ergebnisse ausgewertet. Damit kann ein neues Kinder- und Jugendstärkungsgesetz erarbeitet werden, das die Bundesjugendministerin im Frühjahr 2020 vorlegen wird.
Ziele der Reform
Als wichtigste Ziele bei der Erarbeitung des neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes wurden genannt:
- Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien
- Besserer Kinder- und Jugendschutz
- Stärkung von Pflege- und Heimkindern
- Mehr Prävention vor Ort
- Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen
Weitere Zielsetzungen sind unter anderem:
- unabhängige Ombudsstellen sollen gesetzlich verankert werden,
- die Heimaufsicht soll wirkungsvoller werden,
- die Kostenbeteiligung von Pflege- und Heimkindern soll von 75 auf 25 Prozent reduziert werden,
- Schaffung von Rechtssicherheit für die Präventionsarbeit,
- inklusive Kinder- und Jugendhilfe: Hilfen aus einer Hand bei der Unterstützung Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen
Zielgruppe
In Deutschland leben 21,9 Millionen Menschen zwischen 0-27 Jahren. Zielgruppe des Gesetzes sind rund 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche in dieser Altersgruppe, die zusätzlichen Unterstützungsbedarf haben:
- 1,1 Million Kinder und Jugendliche in Deutschland wachsen unter schwierigen sozialen Umständen auf und sind darauf angewiesen, dass staatliche Stellen sie und ihre Familien unterstützen. Das gilt zum Beispiel für Kinder, die in Heimen groß werden oder für Kinder, deren Eltern nicht so für sie sorgen können, wie es nötig wäre, so dass das Jugendamt bei der Erziehung Unterstützung gibt.
- 360.000 Kinder und Jugendliche haben eine seelische, geistige oder körperliche Behinderung. Bisher sind nur die rund 100.000 Kinder mit einer seelischen Behinderung durch das Kinder- und Jugendhilferecht erfasst. Die ca. 260.000 Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung sind bisher nicht durch das Kinder- und Jugendhilferecht erfasst, sondern nur in der so genannten „Behindertenhilfe“.
- 31.000 junge Menschen werden im Zuge ihres 18. Geburtstags als sogenannte „Careleaver“ aus der Kinder- und Jugendhilfe entlassen, einige brauchen aber weiterhin Betreuung und Unterstützung.
Quellen: Familienminiesterium, mitreden-mitgestalten, FOKUS-Sozialrecht
Abbildung: fotolia – credon2012