Bundessozialgericht zu Fachkräftemangel im Gesundheitswesen

Das Bundessozialgericht hat in zwei Urteilen deutlich gemacht, dass es keine Lösung des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen ist, wenn Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser Einstellungen von Pflegepersonal oder Ärzten umgehen wollen, in dem sie die Arbeit an Honorarkräfte vergeben. Hier der Vorbericht vom 30.5.2019.

Sozialrechtliche Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht könnten nicht außer Kraft gesetzt werden, um eine Steigerung der Attraktivität des Berufs durch eine von Sozialversicherungsbeiträgen „entlastete“ und deshalb höhere Entlohnung zu ermöglichen. So das BSG in seinen Pressemitteilungen zu den Urteilen (Aktenzeichen B 12 R 11/18 R und Aktenzeichen B 12 R 6/18 R).

Sowohl Krankenhausärzte als auch Pflegepersonal seien in die Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses oder der stationären Pflegeeinrichtung eingebunden. Unternehmerische Entscheidungsspielräume sind dabei regelmäßig nicht gegeben. Freiräume bei der Aufgabenerledigung reichen dafür nicht.

Ärzte, die als Honorarärzte in einem Krankenhaus tätig sind, oder Pflegekräfte, die als Honorarpflegekräfte in stationären Pflegeeinrichtungen tätig sind, sind in diesen Tätigkeiten nicht als Selbstständige anzusehen, sondern unterliegen als Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht.
Dies ergibt sich aus § 7 Absatz 1 SGB IV: „Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“

An dieser Beurteilung ändere auch ein Mangel an Pflegefachkräften nichts.

Quelle: BSG

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Bundesrat zu Wahlassistenz, BAföG, Renten

Bundesratsbeschlüsse vom 7. Juni 2019

Wahlassistenz

Menschen mit Behinderung können sich künftig bei Abgabe ihrer Stimme zu Bundestags- und Europawahlen helfen lassen. Das Gesetz gilt zum Beispiel für Personen, die nicht lesen können oder sonst aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage sind, ihre Stimme in der Wahlkabine abzugeben.
Außerdem sind behinderte Menschen, die in allen Angelegenheiten von einer Hilfsperson betreut werden, nicht mehr pauschal von den Wahlen ausgeschlossen. Gleiches gilt für schuldunfähige Straftäter, die in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Weiterhin nicht wählen dürfen Bürgerinnen und Bürger, denen dieses Recht per Richterspruch entzogen wurde – zum Beispiel nach einer Verurteilung wegen Landesverrats oder Wahlfälschung. Das Gesetz soll zum 1. Juli 2019 in Kraft treten.
In einer begleitenden Entschließung bittet der Bundesrat die Bundesregierung, die konkrete Formulierung zur zulässigen Assistenz in zwei Punkten noch einmal zu überprüfen:

  • Nach Artikel 6 des Gesetzes wird § 107a Absatz 1 StGB um folgenden Satz 2 ergänzt: „Unbefugt wählt auch, wer im Rahmen zulässiger Assistenz entgegen der Wahlentscheidung des Wahlberechtigten oder ohne eine geäußerte Wahlentscheidung des Wahlberechtigten eine Stimme abgibt.“ Durch diese Formulierung ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, wie jemand gegen (oder ohne) die Wahlentscheidung des Wahlberechtigten eine Stimme abgeben und dabei gleichzeitig innerhalb des in § 14 Absatz 5 BWahlG-neu und in § 6 Absatz 4a EuWG-neu definierten Rahmens „zulässiger Assistenz“ handeln kann.
  • Durch die Einführung des Tatbestandsmerkmals der „Assistenz“ in die Strafnorm des § 107a Absatz 1 Satz 2 StGB-neu anstatt der Verwendung des Tatbestandsmerkmals der „Hilfeleistung“ aus § 14 Absatz 5 BWahlG-neu und § 6 Absatz 4a EuWG-neu stellt sich die Frage, ob damit ein anderer Bedeutungsgehalt verbunden sein soll und worin gegebenenfalls der Unterschied besteht.

BAföG

Der Bundesrat hat den Weg für die vom Bundestag beschlossene BAföG-Reform freigemacht. Sie zielt darauf ab, Studenten und Schülern aus sozial schwachen Familien mehr staatliche Unterstützung zu gewähren und den Kreis der BAföG-Empfänger zu erweitern.

In einer begleitenden Entschließung macht der Bundesrat jedoch deutlich, dass er noch weiteren Reformbedarf beim BAföG sieht:

  • Der Kreis der Anspruchsberechtigten müsse dauerhaft und sinnvoll erweitert werden
  • Dem vielfältigen Ausbildung- und Weiterbildungsangebot sollten entsprechende Förderungsinstrumente zur Ausbildungsfinanzierung gegenüberstehen.
  • BAföG müsse auch für Teilzeitstudiengänge und schulische Teilzeitausbildungen geöffnet werden, um die Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie zu verbessern. Auch über die Anhebung der Altersgrenzen sollte nachgedacht werden.
  • BAföG-Unterstützung müsse bei allen rechtlich zugelassenen Modellen eines Orientierungsstudiums möglich sein. Dies würde es den Studierenden erleichtern, das passende Studium zu finden und wiederum Studienabbrüche zu vermeiden.
  • Die Höhe der BAföG-Leistungen sollten automatisch an die tatsächliche Preis- und Einkommensentwicklung ankoppeln.

Das Gesetz soll stufenweise in Kraft treten, beginnend am 1.8.2019.

höhere Renten

Ab  1.7.2019 steigen die Rentenbezüge in Westdeutschland um rund 3,18 und in Ostdeutschland um 3,91 Prozent. Die Rentenwerte steigen im Westen dadurch auf 33,05 Euro im Westen und im Osten auf 31,89 Euro. Mit der Anhebung erreichen die Renten im Osten 96,5 Prozent des Westniveaus.

Quellen: Bundesrat, FOKUS Sozialrecht

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Neues Vergütungssystem für Betreuer passiert den Bundesrat

Heureka – wir haben ein Gesetz! Nach vielen Diskussionen und Einwürfen hat der Bundesrat heute (07.06.2019) dem „Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung“ zugestimmt. Und zwar in der Fassung, wie sie von der Bundesregierung eingebracht wurde.

Das bedeutet insbesondere: Inkrafttreten voraussichtlich am 1. August 2019 (gesetzestechnisch korrekt am „Tages des ersten auf den Monat der Verkündung folgenden Kalendermonats, dessen Zahl mit der des Tages der Verkündung übereinstimmt, oder, wenn es einen solchen Kalendertag nicht gibt, Datum des ersten Tages des darauffolgenden Kalendermonats“, Artikel 4 des Gesezes).

Das Gesetz erhöht die Vergütung für Berufsbetreuer um durchschnittlich 17 Prozent und modernisiert das Abrechnungssystem: Statt der bisherigen Einzelabrechnungen gibt es künftig monatliche Fallpauschalen. Dies soll es den Ländern ermöglichen, die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Betreuungsfälle zu berücksichtigen und angemessen zu vergüten.

Wichtig: Auf Vergütungsansprüche, die vor dem 1. August 2019 erbracht wurden, ist noch das VBVG in seiner bis dahin geltenden Fassung bis zum Ende des angefangenen Betreuungsmonats anzuwenden.


Hinweis auf das aktuelle Betreuerseminar

Topaktuell bieten wir dazu ein WALHALLA Praxis-Seminar an:

Vergütung des Betreuers, Vormunds und Verfahrenspflegers – Aktuelle gesetzliche Änderungen und weiter geltende Rechtsprechung

Dieses Seminar vermittelt eine systematische Kenntnis zum neuen Vergütungsrecht, klärt Streitfragen und erörtert praktische Beispiele. Bisher ergangene Rechtsprechung wird dahingehend überprüft, ob sie auch auf die neue Rechtslage zutrifft und entsprechend diskutiert.

Referent: Reinhold Spanl                                
Termin und Ort: 23.07.2019 in Kassel

Gleich anmelden – die Plätze sind begrenzt!

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Ausbildungsgelderhöhung bedroht Werkstätten

Die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen befürchten wirtschaftliche Nachteile durch die geplante Anhebung des Ausbildungsgeldes. Das wurde während einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 3. Juni 2019 deutlich. Zur Diskussion stand ein Gesetzentwurf (19/9478) der Bundesregierung zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes.

Durch den Entwurf sollen die jüngsten Änderungen beim Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) nach- und mitvollzogen werden und Verfahrensvorschriften vereinfacht werden.

Das Ausbildungsgeld ist eine staatliche Leistung, warum also die Sorgen?
Das Entgelt, dass ein Beschäftigter in einer Werkstatt für behinderte Menschen verdient besteht aus einem Grundbetrag und einem Aufstockungsbetrag. Zusätzlich bekommt jeder das Arbeitsförderungsgeld. Nun ist die Höhe des Grundbetrags, den die Werkstatt erwirtschaften muss, an die Höhe des Ausbildungsgeldes gekoppelt (§ 221 Abs.2 SGB IX), das ab dem 1.August 2019 von derzeit 80 Euro auf 117 Euro erhöht wird.
Nach Meinung von Vertretern der Werkstätten sei eine solche Erhöhung auf dem Markt nicht durchsetzbar, weil sie die Produkte und Dienstleistungen  der Werkstätten so weit verteuerten, dass sie viele Aufträge verlören. Erhöhungen dieser Dimension seien am Markt nicht durchsetzbar.

Helfen würde schon, wenn die Erhöhung des Ausbildungsgeldes auf den Januar 2020 verschoben werde. Noch besser sei eine stufenweise Erhöhung, verteilt über die nächsten drei Jahre. Am besten aber sei es, das Entlohnungssystem der Werkstätten insgesamt neu zu organisieren. Sowohl das Ausbildungsgeld als auch der Grundbetrag müsse öffentlich finanziert werden.

Die Redaktion der Nachrichten der Kooperation Behinderter im Internet e.V. erinnert auf kobinet-nachrichten.org daran, dass seit 35 Jahren engagierte Werkstattfachleute fordern, den Beschäftigten in den Werkstätten ein existenzsicherndes Arbeitsentgelt zu gewährleisten und die diskriminierende Taschengeld-Entlohnung zu beenden. Das durchschnittliche monatliche Arbeitsentgelt eines Werkstattbeschäftigten beträgt zur Zeit etwa 220 Euro. (Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen – BAG WfbM)

Auch das das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) hält das System der Behindertenwerkstätten aus menschenrechtlicher Perspektive für bedenklich. Die Entlohnungssituation, aber auch die inklusionswidrige Sonderwelt der Behindertenwerkstätten insgesamt, steht im Widerspruch zum Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes und zum Gesetz zum UNO-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Quellen: Bundestag, kobinet, BAG WfbM, DIMR

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Anhörung wegen Abschiebungen

Am Montag, 3.6.2019 kommt es im Innenausschuss zu einer Expertenanhörung zu dem von Innenminister geplanten „Geordnete Rückkehr Gesetz“. (Siehe auch den Beitrag vom 17.4.2019

Gesetzentwurf

Der vorliegende Referentenentwurf zielt darauf ab, die Zahl der ausreisepflichtigen Menschen, die Deutschland verlassen, zu steigern – und zwar insbesondere im Wege von Abschiebungen.

  • Zu diesem Zweck werden gravierende Verschärfungen im Bereich der Abschiebungshaft vorgenommen, beispielsweise können Ausreisepflichtige jetzt auch in normalen Haftanstalten untergebracht werden.
  • Eine neue Form der „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ wird geschaffen
  • Sanktionen werden eingeführt für Personen, die bei der Passbeschaffung bzw. Identitätsklärung in vermeintlich nicht ausreichendem Maße mitwirken.
  • Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt wurden und ausreisepflichtig sind, sollen keine Leistungen nach dem AsylbLG mehr erhalten.

Offener Brief

Im Vorfeld veröffentlichte ein Bündnis von 22 zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter der Paritätische, die Diakonie, Amnesty International, Pro Asyl, AWO und das Deutsche Kinderhilfswerk, einen offenen Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Darin fordern sie die Abgeordneten auf, den Gesetzentwurf abzulehnen. Das Gesetz grenze sogar Familien und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dauerhaft von der Teilhabe am  gesellschaftlichen Leben aus. Unverhältnismäßige Sanktionen würden eingeführt eine uferlose Ausweitung der Haftgründe. Die Unterzeichner fordern:

  1. Kein verfassungswidriger Ausschluss von Sozialleistungen
  2. Keine menschenunwürdigen Regelungen zur Abschiebungshaft
  3. Keine Einführung einer prekären „Duldung Light“
  4. Keine langen Vorduldungszeiten für Ausbildungs‐ und Beschäftigungsduldung

Ausführliche Erläuterungen zu den Forderungen hier.

Rüge der Menschenrechtskommissarin

Am 22. Mai äußerte sich die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, besorgt über das geplante Gesetz. Im Entwurf vorgesehen sein, dass Informationen über Abschiebungen künftig als «Staatsgeheimnisse»
eingestuft werden könnten, Nichtregierungs- und zivilen Organisationen könnte nach Einschätzung von Mijatovic eine rechtliche Verfolgung wegen Beihilfe drohen, sollten sie Details wie den Zeitpunkt der geplanten Rückführung
weitergeben. Die aktuelle Formulierung des Gesetzesentwurfs habe das
Potenzial, Tätigkeiten solcher Gruppierungen zu kriminalisieren.

Die Menschenrechtskommissarin rügte außerdem, dass durch das Gesetz
Migranten vor ihrer Rückführung leichter in Abschiebehaft genommen
werden könnten. Es gebe nur wenige Hinweise, dass erweiterte Möglichkeiten für Abschiebehaft zu mehr erfolgreichen Ausweisungen führten, erklärte Mijatovic. Sie bemängelte auch, dass Betroffene über Tag und Uhrzeit ihrer Abschiebung im Dunkeln gelassen werden sollen.

Quellen: Bundesinnenministerium, AMnesty INternational, EU-Info.Deutschland

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