Gerade wird in „Reparatur„- Gesetzen zum BSHG zum Thema Unterkunftkosten als soziale Teilhabeleistung einiges klargestellt. So zum Beispiel, dass die oberhalb der Angemessenheitsgrenze liegenden Aufwendungen für Wohnraum, als Leistungen der sozialen Teilhabe übernommen werden, ganz gleich aus welchem sozialen Topf der Leistungsempfänger seine existenzsichernden Leistungen bezieht. Allerdings soll dies nur für Menschen gelten, die in besonderen Wohnformen leben (ehemals: sationäre Einrichtung).
Nun hat das Bundessozialgericht am 4.4.2019 ein Urteil veröffentlicht, in dem klargestellt wird, dass auch in normalen“ Wohnungen Anspruch auf zuschussweise Eingliederungshilfeleistungen zur Deckung laufender Unterkunftskosten als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (soziale Teilhabe) bestehen kann.
Es geht um eine auf einen Rollstuhl angewiesene Studentin, die Bafög-Bezieherin ist. Sie lebt in einer Wohnung, die mit extrabreiten Türen und genügend Platz für zwei Rollstühle ausgestattet ist. Allerdings kostet die Wohnung deswegen etwa 230 Euro mehr als es der Bafög Wohnkostenzuschlag hergibt. Die Studentin verlangte daher, dass ihr die Mehrkosten als Eingliederungshilfeleistung erstattet werden.
Üblich war es bisher, dass der Umbau zu einer behindertengerechten Wohnung bezuschusst werden kann, oder, wenn jemand auf Assistenz angewiesen ist, dass die dadurch entsehenden höheren laufenden Kosten übernommen wurden. Beides trifft hier nicht zu. Deswegen war die Studentin mit ihrer Klage in den Vorinstanzen auch gescheitert.
Das BSG gab ihr aber nun recht. Er wies darauf hin, dass eine Wohnung nicht nur dem Schutz vor Witterungseinflüssen und der Sicherung des „Grundbedürfnisses des Wohnens“ diene, sondern grundsätzlich auch der sozialen Teilhabe, weil so eine gesellschaftliche Ausgrenzung vermieden wird. Als Leistungen der Eingliederungshilfe seien Kosten der Unterkunft allerdings nicht notwendig und deshalb auch nicht zu übernehmen, wenn der Bedarf durch andere Sozialleistungen (hier Bafög), auf die ein Anspruch bestehe, abgedeckt werden könne. Verbleibe aber ein ungedeckter Bedarf, weil allein behinderungsbedingt weitere Kosten für Wohnbedarf entstehen, die von Leistungen des Lebensunterhalts nicht vollständig erfasst werden, seien zur Sicherstellung einer gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen diese Kosten für Wohnraum zu erbringen. Diese drückten sich in der Differenz zwischen Kosten der Unterkunft, wie sie für alle Bewohner im maßgeblichen Vergleichsraum (sozialhilferechtlich) als angemessen gelten (sog. abstrakte Angemessenheit) und den behinderungsbedingt konkret angemessenen Kosten aus.
Quelle: Pressemitteilung des BSG Nr. 8/2019 v. 04.04.2019; Sächsisches Sozialgericht L 8 SO 111/15
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