Beschlossene Sachen

Der Bundesrat hat am 12.April 2019 folgenden Gesetzen zugestimmt:

Starke-Familien-Gesetz

  • Der Kinderzuschlag steigt auf bis zu 185 Euro im Monat, die Beantragung wird erleichtert.
  • Das Einkommen wird nur noch zu 45% mit dem Zuschlag verrechnet. Die ursprünglich im Gesetzesentwurf vorgesehene 100-Euro-Grenze bei der Einkommensanrechnung der Kinder (z.B. Unterhaltszahlungen oder Ferienjobs) fällt weg.
  • Die so genannte Abbruchkante wird aufgehoben, die den Kinderzuschlag bislang schlagartig entfallen lässt.
  • Das Schulstarterpaket wird von 100 auf 150 Euro erhöht.
  • Die Eigenanteile der Eltern für das Mittagessen in Kitas und Schulen sowie für die Schulbeförderung entfallen.
  • Der Anspruch auf Lernförderung besteht künftig unabhängig von einer Versetzungsgefährdung.
  • Der Zuschuss für Vereinsbeiträge steigt.

Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG)

Der Bundesrat hat dem Gesetz zugestimmt, kritisiert aber, dass die Änderungen mit den Länder im Vorfeld nicht erörtert worden sind. Außerdem warnt er vor dem zusätzlichen bürokratischen Aufwand, den einige der neuen Regelungen mit sich bringen. Sie stünden dem Ziel einer schnelleren Versorgung entgegen. Auf die Skepsis der Länder stößt auch die mit dem Gesetz einhergehende Tendenz, Aufgaben im Gesundheitsbereich auf die Ebene des Bundes zu verlagern.

Die anfangs geplante und vom Bundesrat stark kritisierte Regelung für einen gestuften und gesteuerten Zugang zur Psychotherapie hat der Bundestag gestrichen. Sie ist nun im Gesetzentwurf zur Reform der Psychotherapeutenausbildung enthalten.

  • Praxisärzte müssen künftig mindestens 25 statt 20 Stunden pro Woche für gesetzlich Versicherte zur Verfügung stehen.
  • Die telefonische Vermittlung von Arztterminen soll stark ausgebaut werden. Die seit 2016 existierenden Terminservicestellen sollen künftig rund um die Uhr telefonisch erreichbar sein, außerdem soll es ein Onlineangebot geben. Neben Fachärzten sollen sie ab 2020 auch Haus- und Kinderärzte vermitteln.
  • Augenärzte, Frauenärzte und HNO-Ärzte müssen künftig pro Woche fünf Stunden offene Sprechzeit einrichten, in der sie Patienten ohne Termine behandeln.
  • Die Festzuschüsse für Zahnersatz werden ab 1.10.2020 von 50 Prozent auf 60 Prozent erhöht.
  • Versicherte sollen künftig mit Smartphone oder Tablet auf ihre elektronische Patientenakte zugreifen können. Diesen Service müssen die Kassen spätestens 2021 anbieten.
  • Den bisherigen „Gelben Schein“, die Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung, müssen Ärzte ab 2021 nur noch digital an die Krankenkassen übermitteln.
  • Die sogenannte Präexpositionsprophylaxe (Prep) wird bei einem erhöhten HIV-Risiko zur Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Dabei wird ein Medikament eingenommen, das vor einer Ansteckung mit HIV schützt.
  • Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wird beauftragt, im Internet ein Suchverzeichnis zu Hebammen und deren jeweiligen Leistungen zu erstellen.
  • Pflegebedürftige sollen auf Kosten der Kassen auch die Angebote von Betreuungsdiensten in Anspruch nehmen können, die zum Beispiel im Haushalt helfen, einkaufen oder vorlesen. Bislang bezahlen die Kassen nur Leistungen, die von Pflegediensten erbracht werden.
  • Patienten sollen künftig die Impfstoffe aller Hersteller zur Verfügung stehen. Den Ausschluss bestimmter Lieferanten durch Verträge soll es künftig nicht mehr geben.

Teilzeit beim Bundesfreiwilligendienst

Jugendliche unter 27 Jahre, die ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr absolvieren, können das künftig in Teilzeit tun. Voraussetzung für die Teilzeitregelung ist, dass die Betroffenen aus wichtigen persönlichen Gründen keinen Dienst in Vollzeit absolvieren können – etwa weil sie ein eigenes Kind zu betreuen haben, schwerbehindert sind oder als Flüchtling nebenbei einen Deutschkurs besuchen. Bislang gilt der Teilzeitanspruch nur für ältere Freiwillige.

Unterschrift fehlt noch

Der Bundespräsident muss die Gesetze noch unterschreiben, anschließend werden sie im Bundesgestzblatt veröffentlich und können dann in Kraft treten.

Quelle: Bundesrat

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Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbständige

Die Europäische Kommission legte am 13. März 2018 einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbständige vor. Bei der Tagung des Rates „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ am 6. Dezember 2018 wurde eine politische Einigung zur Empfehlung erzielt. Der deutsche Vertreter im Rat stimmte der politischen Einigung zu und legte gleichzeitig einen Parlamentsvorbehalt ein. Der nächste Schritt war ein Gesetzentwurf, der bei Zustimmung des Parlaments dem deutschen Vertreter erlaubt, der Empfehlung endgültig zuzustimmen.

Zu dem Gesetzentwurf gab es jetzt eine Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Worum geht es?

Der Ratsvorschlag soll vor allem dem Grundsatz 12 der Europäischen Säule sozialer Rechte dienen, wonach alle Arbeitnehmer, unabhängig von der Art und Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses, aber auch Selbständige das Recht auf angemessenen Sozialschutz haben.

Die Ratsempfehlung ist rechtlich nicht bindend, für Deutschland ergibt sich daraus keine Handlungsverpflichtung.

Die Ratsempfehlung zielt darauf ab, dass die Mitgliedstaaten – im Einklang mit ihrer nationalen Zuständigkeit für die Ausgestaltung der Sozialsysteme – Arbeitnehmern und Selbständigen Zugang zum Sozialschutz gewähren. Den Mitgliedstaaten wird empfohlen sicherzustellen, dass Arbeitnehmer und Selbständige formell und tatsächlich sozial abgesichert sind, dass diese Absicherung angemessen ist und dass die Transparenz für die in den Sozialschutzsystemen geltenden Bedingungen und Vorschriften verbessert wird.

Kritik kam von Seiten der Arbeitgeber. Es bestehe bei einigen Vorschlägen der Empfehlung das Risiko, dass damit in nationale Sozialsysteme eingegriffen werde, was gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoße. Außerdem habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) schon mehrfach rechtlich eigentlich nicht bindende Empfehlungen zur Urteilsbegründung herangezogen.

Das wiesen Vertreter der Sozialversicherungsverbände zurück. Sie begrüßen es, wenn auch für Selbständige die Möglichkeit geschaffen werde, sich umfassend in der Sozialversicherung abzusichern. Der DGB fordert diesbezüglich europaweite Mindeststandards.

Ob die Kontroverse auf eine obligatorische Sozialversicherung auch für Selbständige hinausläuft oder ob es bei weitestgehender Freiwilligkeit bleibt, ist noch ungewiss.

Quellen: BundestagEuropakomission

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Unterkunftkosten als soziale Teilhabeleistung

Gerade wird in „Reparatur„- Gesetzen zum BSHG zum Thema Unterkunftkosten als soziale Teilhabeleistung einiges klargestellt. So zum Beispiel, dass die oberhalb der Angemessenheitsgrenze liegenden Aufwendungen für Wohnraum,  als Leistungen der sozialen Teilhabe übernommen werden, ganz gleich aus welchem sozialen Topf der Leistungsempfänger seine existenzsichernden Leistungen bezieht. Allerdings soll dies nur für Menschen gelten, die  in besonderen Wohnformen leben (ehemals: sationäre Einrichtung).

Nun hat das Bundessozialgericht am 4.4.2019 ein Urteil veröffentlicht, in dem klargestellt wird, dass auch in normalen“ Wohnungen Anspruch auf zuschussweise Eingliederungshilfeleistungen zur Deckung laufender Unterkunftskosten als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (soziale Teilhabe) bestehen kann.

Es geht um eine auf einen Rollstuhl angewiesene Studentin, die Bafög-Bezieherin ist. Sie lebt in einer Wohnung, die mit extrabreiten Türen und genügend Platz für zwei Rollstühle ausgestattet ist. Allerdings kostet die Wohnung deswegen etwa 230 Euro mehr als es der Bafög Wohnkostenzuschlag hergibt. Die Studentin verlangte daher, dass ihr die Mehrkosten als Eingliederungshilfeleistung erstattet werden.

Üblich war es bisher, dass der Umbau zu einer behindertengerechten Wohnung bezuschusst werden kann, oder, wenn jemand auf Assistenz angewiesen ist, dass die dadurch entsehenden höheren laufenden Kosten übernommen wurden. Beides trifft hier nicht zu. Deswegen war die Studentin mit ihrer Klage in den Vorinstanzen auch gescheitert.

Das BSG gab ihr aber nun recht. Er wies darauf hin, dass eine Wohnung nicht nur dem Schutz vor Witterungseinflüssen und der Sicherung des „Grundbedürfnisses des Wohnens“ diene, sondern grundsätzlich auch der sozialen Teilhabe, weil so eine gesellschaftliche Ausgrenzung vermieden wird. Als Leistungen der Eingliederungshilfe seien Kosten der Unterkunft allerdings nicht notwendig und deshalb auch nicht zu übernehmen, wenn der Bedarf durch andere Sozialleistungen (hier Bafög), auf die ein Anspruch bestehe, abgedeckt werden könne. Verbleibe aber ein ungedeckter Bedarf, weil allein behinderungsbedingt weitere Kosten für Wohnbedarf entstehen, die von Leistungen des Lebensunterhalts nicht vollständig erfasst werden, seien zur Sicherstellung einer gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen diese Kosten für Wohnraum zu erbringen. Diese drückten sich in der Differenz zwischen Kosten der Unterkunft, wie sie für alle Bewohner im maßgeblichen Vergleichsraum (sozialhilferechtlich) als angemessen gelten (sog. abstrakte Angemessenheit) und den behinderungsbedingt konkret angemessenen Kosten aus.

Quelle: Pressemitteilung des BSG Nr. 8/2019 v. 04.04.2019; Sächsisches Sozialgericht L 8 SO 111/15

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Bundesteilhabegesetz – Reparatur

Reparaturgesetz März 2019

Das BMAS hat Mitte März 2019 einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften“ veröffentlicht. Die Anhörung dazu fand Ende März statt. Mittlerweile ist der Gesetzentwurf unter dem Namen BTHG-Reparaturgesetz bekannt.

Tatsächlich geht es um Verbesserung offensichtlicher Fehler, aber auch um Klarstellung missverständlicher Passagen und um das Beheben einiger redaktioneller Fehler und Fehlerverweisungen. Es wurden aber auch einige Forderungen der Arbeitsgruppe Personenzentrierung beim BMAS umgesetzt.

  • Die Neuformulierung des § 42a Abs. 5 SGB XII (neuer Satz 5) stellt klar, dass für Bewohner besonderer Wohnformen bei der künftigen Berechnung der anzuerkennenden Kosten der Unterkunft die durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Warmmiete eines Einpersonenhaushalts am Ort der Räumlichkeiten ermittelt wurden. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn ein anderer Grundsicherungsträger gem. § 98 Abs. 2 SGB XII zuständig ist.
    Der Zusatz „am Ort der Räumlichkeiten“ macht klar, dass damit nicht unbedingt der Ort gemeint ist, dessen Sozialamt für die Leistung zuständig ist.

Beispiel:
Wenn jemand in Paderborn zum ersten Mal in das Leistungssystem aufgenommen wurde, er aber jetzt in Köln lebt, bleibt das Sozialamt Paderborn zuständig, muss aber die Vergleichsmieten von Köln berücksichtigen.

  • Neuformulierung des § 42a Abs. 5 SGB XII (neuer Satz 6)
    Die Übernahme der diesen Betrag übersteigenden Kosten der Unterkunft um bis zu 25 % wird von einer Ermessensleistung (vorherige Formulierung „können anerkannt werden, wenn“) zu einer Mussleistung („sind anzuerkennen, wenn“).
  • Einfügung in § 42a Abs. 2 Nummer 2 SGB XII
    Leistungsberechtigte, die Hilfe zu Lebensunterhalt (Drittes Kapitel des SGB XII) und die zugleich Leistungen der Eingliederungshilfe (SGB IX) erhalten und in einer besonderen Wohnform leben, sollen bei der Anerkennung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den Leistungsberechtigten gleichgestellt werden, die Grundsicherung (Viertes Kapitel SGB XII) beziehen.
  • Neuer Abs. 5 im § 113 SGB IX
    Bisher war nur geregelt, dass bei Leistungsempfängern der Grundsicherung (Viertes Kapitel SGB XII) die oberhalb der Angemessenheitsgrenze des § 42a Abs. 6 SGB XII liegenden Aufwendungen für Wohnraum als Leistungen der sozialen Teilhabe übernommen werden, wenn sie in besonderen Wohnformen leben (ehemals: sationäre Einrichtung). Menschen, die andere Leistungen als Grundsicherung (z.B. Hartz 4), beziehen werden nunmehr dahingehend gleich gestellt.

Reparatur durch das Starke-Familien Gesetz

Mit dem Starke-Familien-Gesetz wird eine neue Fassung von § 42b SGB XII (ab 1. Januar 2020) eingefügt. Der bisher geplante Eigenanteil zur gemeinsamen Mittagsverpflegung für Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) wird damit nicht eingefordert. Das Starke-Familien-Gesetz soll am 12.04. im Bundesrat (TOP 4) verabschiedet werden.

Reparaturgesetz Februar 2019

Als „1. BTHG-Reparaturgesetz“ könnte man bereits das  „Gesetz zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Union zur Bereitstellung von Produkten auf dem Markt und zur Änderung des Neunten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“ bezeichnen. Dieses ändert – sozusagen im Omnibusverfahren – das SGB IX und SGB XII – teilweise sofort, teilweise ab 1. Januar 2020 und zwar wie folgt:

  • Die Befristung der Leistungsgewährung der Eingliederungshilfe für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen in einer Pflegefamilie (siehe § 54 Absatz 3 SGB XII) wird rückwirkend zum 1. Januar 2019 aufgehoben.
  • Zum Austausch von Sozialdaten im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Trägern der Sozialhilfe bzw. Trägern der Eingliederungshilfe und den für die Heimaufsicht zuständigen Behörden wird eine Rechtsgrundlage eingefügt (siehe § 128 Absatz 1 SGB IX und § 78 Absatz 1 SGB XII – jeweils Fassung ab 1. Januar 2020).
  • Es erfolgt eine Klarstellung, dass Leistungserbringer zur Mitwirkung bei der Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung nach SGB IX und SGB XII verpflichtet sind (siehe § 128 Absatz 1 SGB IX und § 78 Absatz 1 SGB XII – jeweils Fassung ab 1. Januar 2020).
  • Der Straftatenkataloge in § 75 Absatz 2 SGB XII und § 124 SGB IX wird mit sofortiger Geltung um die neuen Straftatbestände der sexuellen Belästigung (§ 184i StGB) und der Straftaten aus Gruppen (§ 184j StGB) erweitert.

Dieses Gesetz wurde am 15.2. im Bundesrat behandelt und sollte, sobald es im Bundesgesetzblatt erschienen ist, in Kraft treten.

Übergangsregelungen geplant

Zumindest in NRW, wahrscheinlich aber auch in den anderen Bundesländern, ist eine Übergangsregelung in Arbeit, die wohl im Mai veröffentlicht wird. Grund ist, dass die Umsetzung wesentlicher Teile des BTHGs bis zum 1.1.2020 nicht zu schaffen ist. So sollen die Vereinbarungen mit den Leistungserbringern für weitere 3 Jahre weiter gelten. Das heißt, die Vergütung an die Wohnheime wird sich erst mal nicht grundlegend ändern. Die Zahlungen werden aber schon mal rein rechnerisch in Fachleistungen, Leistungen für Wohnraum und existenzsichernde Leistungen aufgeteilt, wobei bei den letzteren der geltende Barbetrag und der Bekleidungszuschuss herausgerechnet wird. Der Barbetrag und Bekleidungszuschuss wird wie bisher bis Ende 2022 an die Bewohner ausgezahlt.

Sobald die Übergangsregelung tatsächlich gilt, werden wir ausführlicher darüber berichten und darüber, was in dies Hinsicht in den anderen Bundesländern vor sich geht.

Quelle: www.umsetzungsbegkeitung.de, BMAS

BTHG-Umsetzung – bisher sind auf FOKUS Sozialrecht erschienen:

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