Am Mittwoch, dem 8. Mai 2019 wird der 14. Senat des Bundessozialgerichts mündlich in zwei Verfahren verhandeln und anschließend entscheiden (Aktenzeichen B 14 AS 6/18 R, B 14 AS 13/18 R).
In beiden Fällen bezogen die Klägerinnen mit ihren Familien laufend Arbeitslosengeld II vom beklagten Jobcenter. Zu Beginn des Schuljahrs, in dem sie die 11. Klasse des Gymnasiums besuchten, beantragten sie Geld für Schulbücher, die sie selbst kaufen müssten, weil in Niedersachsen in der Oberstufe keine Lernmittelfreiheit besteht.
Das Jobcenter lehnte den Antrag ab: Schulbücher seien vom Regelbedarf umfasst. Der Betrag könne angespart werden können, auch sei der Erwerb gebrauchter Bücher zumutbar. Ein mögliches Darlehen nach § 24 Absatz 1 SGB II werde nicht begehrt.
Das LSG hat das Jobcenter verurteilt, den Klägerinnen circa 135 beziehungsweise 200 Euro für Schulbücher zu zahlen. Schulbücher seien vom Regelbedarf offensichtlich unzureichend erfasst. Diese Lücke sei wegen der gebotenen verfassungskonformen Auslegung durch eine analoge Anwendung des Härtefall-Mehrbedarfs nach § 21 Absatz 6 SGB II zu schließen.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 21 Absatz 6 SGB II. Dessen Voraussetzungen lägen nicht vor und eine analoge Anwendung scheide mangels planwidriger Regelungslücke aus. Vorrang habe vielmehr ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 SGB II.
Das Sozialgericht Hannover, Beschluss vom 31.08.2005 – S 46 AS 531/05 ER entschied in einem ähnlichen Fall, dass die Behörde notwendige Lernmittel als unaufschiebbare Notlage auf Darlehensbasis erbringen muss, wenn keine Ansparung oder geschütztes Vermögen vorhanden ist. Damals gab es allerdings noch keine Leistungen für Bildung und Teilhabe.
Hinweise zur Rechtslage
§ 20 Absatz 1 SGB II lautet:
„Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.“
§ 21 Absatz 6 SGB II lautet:
„Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.“
§ 24 Absatz 1 SGB II lautet:
„Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Weiter gehende Leistungen sind ausgeschlossen.“
§ 28 Absatz 3 Satz 1 SGB II lautet:
„Für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf werden bei Schülerinnen und Schülern 70 Euro zum 1. August und 30 Euro zum 1. Februar eines jeden Jahres berücksichtigt.“
Quelle: Bundessozialgericht
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