EuGH über Familiennachzug

Bisher gab die deutsche Aufenthaltsgesetzgebung und die zugehörigen Verwaltungsvorschriften es nicht her, dass eine Familienzusammenführung auch möglich ist, wenn das Kind inzwischen volljährig geworden ist. Mit diesen Regelungen verstößt Deutschland gegen EU-Recht. Dies geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hervor, dass nun veröffentlicht wurde.

„…verstößt gegen Unionsrecht“

Die Ablehnung der Erteilung eines nationalen Visums zum Zweck der Familienzusammenführung an den Elternteil eines während dieses Verfahrens volljährig gewordenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings verstößt gegen das Unionsrecht. Gleiches gilt für den Fall, dass ein solcher Antrag von einem minderjährigen Kind gestellt wird, das volljährig geworden ist, bevor sein Vater als Flüchtling anerkannt wurde und vor Stellung des Antrags auf Familienzusammenführung.

Ziel der Richtlinie

In seinem Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass das Ziel der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2013 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung darin besteht, die Familienzusammenführung zu begünstigen und Drittstaatsangehörigen, insbesondere Minderjährigen, Schutz zu gewähren. Der Gerichtshof weist auch darauf hin, dass die Richtlinie im Licht des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens in Verbindung mit der Verpflichtung zur Berücksichtigung des Kindeswohls auszulegen und anzuwenden ist.

180-Grad-Wende

Der Zeitpunkt der Antragstellung und nicht der Zeitpunkt der Entscheidungsfindung sei entscheidend für die Beurteilung der Minderjährigeneigenschaft des betreffenden Flüchtlings.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl sprach, laut Spiegel-online, von einer „guten Nachricht für zerrissene Familien“. Dies bedeute für Deutschland eine „180-Grad-Wende“.

Weiteres Urteil

Auch ein weiteres EuGH-Urteil stärkt die Rechte minderjähriger Flüchtlinge. Ein Antrag eines Minderjährigen auf internationalen Schutz darf nicht mit der Begründung als unzulässig abgelehnt werden, dass seinen Eltern bereits in einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt worden ist.

Der auf einem in einem anderen Mitgliedstaat bereits gewährten Schutz beruhende Unzulässigkeitsgrund ist nämlich nur dann erlaubt, wenn der Antragsteller selbst bereits internationalen Schutz genießt.

Quellen: EuGH, Spiegel vom 1.8.2022

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