Streit um Grundsicherung

Menschen, die mindestens 18 Jahre alt und im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt waren, hatten einen Anspruch auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung, zumindest bis zum 30.6.2017.
Am 1.7.2017 wurde im Rahmen des „Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“ der Punkt 3 in den § 45 SGB XII eingefügt. Danach erfolgt eine Prüfung über die volle Erwerbsminderung nicht, wenn „…Personen in einer Werkstatt für behinderte Menschen den Eingangs- und Berufsbildungsbereich durchlaufen oder im Arbeitsbereich beschäftigt sind…“

Die Auffassung der Sozialhilfeträger ist seitdem: da die Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung erst nach Beendigung des Berufsbildungsbereichs festgestellt werden könne, erfolge für Menschen mit Behinderung im Eingangs- und Berufsbildungs- und Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) kein Ersuchen an einen Rentenversicherungsträger auf gutachterliche Feststellung der Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung.

Das bedeutet, dass Menschen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen seitdem unter Umständen nur mit dem Werkstatt-Entgelt auskommen müssen, in den meisten Fällen weniger als 100 Euro im Monat.

Nun hat das Sozialgericht Detmold entschieden, dass die Rechtsauffassung der Sozialhilfeträger nicht haltbar ist (Urteil vom 14. August 2018, Aktenzeichen: S 2 SO 15/18).
Die Auslegung des Sozialhilfeträgers, im Falle des § 45 S. 3 Nr. 3 SGB XII bestehe eine Situation, in der eine volle Erwerbsminderung nicht festgestellt werden könne, da die Sozialbehörde nicht selbst prüfen und auch kein Ersuchen an den Rententräger richten dürfe, aber gar nicht feststehe, ob dauerhaft volle Erwerbsminderung vorliege, geht zur Überzeugung des Gerichts fehl. Nähme man den reinen Wortlaut des § 45 Satz 3 SGB XII, so würde lediglich das Ersuchen entbehrlich. Dann müsste aber die Sozialbehörde selbst die volle Erwerbsminderung auf Dauer prüfen, da dann lediglich die Zuständigkeitsverschiebung aufgehoben worden wäre.

Bei systematischer Auslegung ist jedoch deutlich zu erkennen, dass der Gesetzgeber in den genannten Fällen keine weitere Prüfung mehr wünscht, sondern die volle Erwerbsminderung auf Dauer unterstellt.

So wird vom Gesetzgeber bei der Nr. 3 genauso wie bei den Nr. 1 und 2 und 4 des § 45 S. 3 SGB XII die volle Erwerbsminderung unterstellt. Denn bei einem schwerbehinderten Menschen, der in den Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen worden ist, ist bereits davon auszugehen, dass dieser dauerhaft voll erwerbsgemindert ist. Die Werkstatt für behinderte Menschen ist ein geschützter Bereich für die behinderten Menschen, der nicht zum allgemeinen Arbeitsmarkt gehört.

Ähnlich äußerten sich zuvor schon das Sozialgericht Augsburg, das Sozialgericht Gießen und das Landessozialgericht Hessen.

Die Lebenshilfe schreibt dazu: „Die Rechtsauffassung des BMAS, der sich die Sozialämter anschließen, halten die Bundesvereinigung Lebenshilfe und andere Fachverbände für falsch. Wir gehen davon aus, dass die dauerhafte und volle Erwerbsminderung bei Menschen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich von Werkstätten vorliegt. Sie muss nicht erst durch eine Begutachtung festgestellt werden.“

Es sollte diesbezüglich bald eine gesetzliche Klarstellung erfolgen.

Quelle: Lebenshilfe

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Bundesrat mit Mammut-Programm

Am 21.9.2018 tagt der Bundesrat zum ersten Mal nach der Sommerpause. Auf der Tagesordnung stehen über 100 Punkte, darunter das Haushaltsgesetz für 2019 und einige in der letzten Zeit bekannt gewordene Regierungsentwürfe aus dem Bereich der Sozialgesetzgebung.
(Die Links verweisen einerseits auf die Gesetzesentwürfe und gegebenenfalls auf Stellungnahmen der Ausschüsse, andererseits auf die Artikel, die zu diesem Thema hier erschienen sind.)

Teilhabechancengesetz

Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Schaffung neuer Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt (Teilhabechancengesetz – 10. SGB II-ÄndG):

Die Bundesregierung plant Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber, die Langzeitarbeitslose sozialversichert beschäftigen. Es sollen Menschen gefördert werden, die sieben Jahre ohne Arbeit auf Hartz IV angewiesen und mindestens 25 Jahre alt sind. Auch für Personen, die erst seit zwei Jahren arbeitslos sind, soll es Lohnkostenzuschüsse geben.
Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik kritisiert den Entwurf in mehreren Punkten. So hält er es für verfehlt, das Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ erst nach sieben Jahren Arbeitslosigkeit greifen zu lassen.

Familienentlastungsgesetz

Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Familienentlastungsgesetz – FamEntlastG):

Das Kindergeld soll ab Juli 2019 um zehn Euro pro Kind und Monat angehoben werden. Für das erste und zweite Kind beträgt es dann 204 Euro, für das dritte 210 und für das vierte und jedes weitere Kind 235 Euro monatlich. Auch der steuerliche Kinderfreibetrag wird angepasst, er steigt 2019 und 2020 um jeweils 192 Euro. Außerdem ist eine Erhöhung des Grundfreibetrags geplant. Von derzeit 9000 Euro jährlich soll dieser im nächsten Jahr auf 9168 Euro steigen, 2020 dann auf 9408 Euro.
Zu der geplanten Maßnahme zum Ausgleich der kalten Progression merkt der Finanzausschuss an, dass die geplante Maßnahme höhere und höchste Einkommen unangemessen entlaste.

GKV-Versichertenentlastungsgesetz

Entwurf eines Gesetzes zur Beitragsentlastung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versichertenentlastungsgesetz – GKV-VEG):

Die Bundesregierung plant eine Entlastung für die gesetzlich Krankenversicherten im kommenden Jahr. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen den Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung wieder je zur Hälfte zahlen. Von den Neuregelungen profitieren sollen auch Selbständige mit geringen Einnahmen, die freiwillig Mitglied in einer gesetzlichen Krankenkasse sind. Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass Krankenkassen mit einem besonders großen Finanzpolster Reserven abbauen müssen.
Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Plenum, zu dem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Darin spricht er sich unter anderem dafür aus, dass die Finanzreserven der Krankenkassen nicht in dem Maße wie von der Bundesregierung vorgeschlagen abgebaut werden sollten.

Pflegepersonal-Stärkungsgesetz

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz – PpSG):

Die Bundesregierung hat ein Sofortprogramm Pflege aufgelegt, um die Arbeitsbedingungen im Pflegesektor zu verbessern. Der Kern sind rund 13.000 zusätzliche Stellen für stationäre Pflegeeinrichtungen. Bezahlen sollen sie die Krankenkassen. Zur Verbesserung der Pflegesituation in den Krankenhäusern wird dort künftig jede zusätzliche Pflegestelle vollständig refinanziert. Darüber hinaus sieht das Sofortprogramm ab 2020 erstmals Untergrenzen für den Einsatz von Pflegepersonal in Krankenhäuern vor.
Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dazu eine umfassende Stellungnahme, insbesondere bei der Versorgung mit Hebammen, bei Maßnahmen gegen Antibiotikaresistenzen und bei der Schlaganfalllversorgung. Außerdem sollten die Maßnahmen zur besseren Vereinbarung von Beruf und Familie aus Steuermitteln und nicht über die Pflegeversicherung finanziert werden.

Änderung des Asylgesetzes

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylgesetzes:

Mit dem beabsichtigten Gesetz soll neben der bereits bestehenden Mitwirkungspflicht für Asylbewerber im Asylantragsverfahren eine Mitwirkungspflicht des Schutzberechtigten in Widerrufs- und Rücknahmeverfahren gesetzlich vorgeschrieben werden. Der Gesetzesentwurf rief schon heftige Kritik hervor.

Insolvenzgeldumlage

Verordnung zur Festsetzung des Umlagesatzes für das Insolvenzgeld für das Kalenderjahr 2019 (Insolvenzgeldumlagesatzverordnung 2019 – InsoGeldFestV 2019):

Die Insolvenzgeldumlage finanziert den Anspruch der Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Insolvenzgeld und wird von den Arbeitgebern getragen. Der aktuelle Überschuss aus der Umlage und die positive konjunkturelle Lage ermöglichen eine Beibehaltung des Umlagesatzes im Jahr 2019 in Höhe von 0,06 Prozent des Arbeitsentgelts.

Einkommensgrenze für Minijobs

Entwurf eines Gesetzes zur Dynamisierung der Einkommensgrenze für Minijobs und für Verbesserungen für Arbeitnehmer in der Gleitzone:

Das Land Nordrhein-Westfalen möchte die Einkommensgrenze der Minijobs an den gesetzlichen Mindestlohn koppeln. Die bislang starre Entgeltgrenze von 450 Euro soll künftig das 53fache des gesetzlichen Mindestlohns betragen.

Quelle: Bundesrat Tagesordnung – 970. Sitzung des Bundesrates

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Regelbedarfe 2019 und Kritik

Ermittlung der Regelbedarfe im SGB II und SGB XII

Grundlage für die Regelbedarfsermittlung ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die alle fünf Jahre vom Statistischen Bundesamt durchgeführt wird. Die EVS liefert statistische Angaben zu den Lebensverhältnissen der privaten Haushalte in Deutschland, insbesondere über deren Einkommens-, Vermögens- und Schuldensituation sowie die Konsumausgaben.
In Jahren, für die keine Neuermittlung von Regelbedarfen nach § 28 SGB XII erfolgt, wird eine Fortschreibung der Regelbedarfsstufen vorgenommen.
Die Höhe der jährlichen Fortschreibung der Regelbedarfsstufen ergibt sich aus der Berücksichtigung der Veränderungsraten zweier Größen, nämlich der Preisentwicklung regelbedarfsrelevanter Güter und Dienstleistungen einerseits und der Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigten Arbeitnehmer andererseits (§ 28a SGB XII). Die aktuelle Berechnung ergibt eine Erhöhung um 2,02%. Danach müsste der Regelsatz 2019 für alleinstehende Erwachsene von 416 Euro auf 424 Euro steigen.

Tatsächlich hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil dies laut Reuters am 11.9.2018 verkündet. Es werde eine Erhöhung für Erwachsene im Regelsatz um acht Euro geben, für den Regelsatz für Kinder um sechs. Das Kabinett solle die Verordnung zur jährlichen Anpassung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende am Mittwoch nächster Woche billigen.

Kritik des Paritätischen Wohlfahrtsverbands

Unterdessen fordert der Paritätische Wohlfahrtsverband eine Anhebung auf der Regelsätze für Erwachsene auf mindestens 571 Euro. Darüber hinaus fordert der Verband die Einführung einer existenzsichernden Kindergrundsicherung. Dies ergibt sich aus einer Expertise der Paritätischen Forschungsstelle.

„Der jetzige Regelsatz ist das Ergebnis manipulativer Eingriffe in die statistischen Berechnungen, kleinlicher Missgunst und armutspolitischer Ignoranz. Ohne jegliche Korrektur werden die viel zu niedrigen Regelsätze nun schlicht entsprechend der Preis- und Lohnentwicklung fortgeschrieben. Mit diesen Armutssätzen wird die Spaltung der Gesellschaft weiter vorangetrieben“, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

 

Quelle: Solex, Reuters, der paritätische

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Rechengrößen in der Sozialversicherung 2019

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 6.9.2018 den Referentenentwurf zur Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2019 vorgelegt. Die Rechengrößen werden jedes Jahr gemäß der Einkommensentwicklung angepasst. Maßgebend für 2019 ist das Jahr 2017. Bei der Ermittlung der jeweiligen Einkommensentwicklung zählen die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer. So gab es 2017 eine Steigerung

  • im Bundesgebiet um 2,52 Prozent,
  • in den alten Bundesländern um 2,46 Prozent und
  • in den neuen Bundesländern um 2,83 Prozent.

Bezugsgröße

  • 2018: 3.045 Euro pro Monat
  • 2019: 3.115 Euro pro Monat

Die Bezugsgröße ist unter anderem für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlagen für freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung und für die Beitragsberechnung von versicherungspflichtigen Selbständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung maßgeblich. Außerdem ist sie bei der Berechnung von Hinzuverdienstgrenzen bei den Renten, bei der Errechnung der Belastungsgrenzen bei der Zuzahlung in der Krankenversicherung, bei Zuschüssen der Kassen zu ambulanten Hospizdiensten und vieles mehr wichtig.

Beitragsbemessunggrenzen

Beitragsbemessungsgrenze (West) in der allgemeinen Rentenversicherung:

  • 2018: 6.500 Euro pro Monat
  • 2019: 6.700 Euro pro Monat

Beitragsbemessungsgrenze (Ost) in der allgemeinen Rentenversicherung:

  • 2018: 5.800 Euro pro Monat
  • 2019: 6.150 Euro pro Monat

Beitragsbemessungsgrenze (bundeseinheitlich) in der gesetzlichen Krankenversicherung:

  • 2018: 4.425 Euro pro Monat
  • 2019: 4.537,50 Euro pro Monat

Die Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (Jahresarbeitsentgeltgrenze):

  • 2018: 59.400 Euro pro Jahr
  • 2019: 60.750 Euro pro Jahr

Durchschnittsentgelt Rentenversicherung

Das Durchschnittsentgelt in der Rentenversicherung für das Jahr 2017 beträgt laut Referentenentwurf 37.077 Euro. Das vorläufige Durchschnittsentgelt für das Jahr 2019 beträgt 38.901 Euro.

Zustimmung des Bundesrats

Bevor die Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2019 im Bundesgesetzblatt verkündet wird, muss sie von der Bundesregierung beschlossen werden und der Bundesrat muss anschließend zugestimmt haben.

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales

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Abstufung zwischen krank und arbeitsfähig?

Arbeitsminderungsbescheinigung

Laut Handelsblatt und Haufe-Online schlägt der Marburger Bund eine Zwichenlösung zwischen Krankschreibung und hundertprozentiger Arbeitsfähigkeit vor. Diese neue Form soll Arbeitsminderungsbescheinigung heißen. Diese würde eine vorübergehende Minderung der Arbeitsfähigkeit bescheinigen. Damit könnten Ärzte verordnen, dass der Arbeitnehmer zwar krank sei, aber einige wenige Stunden, je nach Fall, am Tag arbeiten könne.
Dies würde insbesondere bei psychischen Störungen, etwa Depressionen, die Gefahr einer sozialen Isolation deutlich mindern. Es blieben der Kontakt mit den Kollegen und Kolleginnen und eine Tagestruktur erhalten.

schnellere Genesung möglich

Der Vorsitzende des Marburger Bundes Rudolf Henke hält sogar eine schnellerer Genesung für denkbar, wenn die erkrankten Arbeitnehmer nicht so lange dem Arbeitsprozess fernblieben. Gerade bei psychischen Erkrankungen könnten lange Krankschreibungen die Symptome der Krankheit noch verstärken. Oft käme auch noch Angst um den Arbeitsplatz dazu.

Ob auch bei anderen Krankheiten, die nicht psychischer Natur sind, ähnliche Regelungen sinnvoll sind, müsste noch diskutiert werden.

Arbeiten trotz AU

Geltende Regelung ist, dass Arbeitnehmer, die krank sind, unverzüglich ihren Arbeitgeber darüber informieren und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen müssen, wenn die Krankheit länger als drei Kalendertage dauert.
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist allerdings kein Arbeitsverbot. Wenn der Arbeitnehmer meint, er könne trotz AU arbeiten, so kann er das auch tun, kann aber dann nicht verlangen, dass seine Arbeitszeit für die Dauer der AU gekürzt wird.
Der Versicherungsschutz bleibt sowohl in der Krankenversicherung als auch in der Unfallversicherung entgegen landläufiger Meinung voll erhalten, wenn jemand mit einer AU zur Arbeit geht. Allerdings hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, den „kranken“ Arbeitnehmer nach Hause zu schicken, wenn er der Ansicht ist, dass der Arbeitnehmer damit sich oder andere gefährde.

Quellen: Handelsblatt, Haufe, Arbeitsrechte.de

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Dynamisierung der Einkommensgrenze für Minijobs

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat dem Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes zur Dynamisierung der Einkommensgrenze für Minijobs und für Verbesserungen für Arbeitnehmer in der Gleitzone vorgelegt (BundesratsDrucksache 419/18).

Starre Entgeltgrenze

Die starre Entgeltgrenze von 450 Euro ermögliche es geringfügig Beschäftigten nur, eine bestimmte Anzahl von Stunden zu arbeiten. Durch die Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns reduzierten sich diese Stunden stetig. Konnten geringfügig Beschäftigte im Januar 2015 noch knapp 53 Stunden im Monat zum damals geltenden Mindestlohn von 8,50 Euro arbeiten, seien es seit 2017 nur noch rund 51 Stunden. Weitere Anhebungen des gesetzlichen Mindestlohns worden die mögliche Arbeitsleistung weiter reduzieren. So die Landesregierung in ihrere Begründung.

Kopplung an den Mindestlohn

Dieser Entwicklung will sie entgegen wirken, indem die Geringfügigkeitsgrenze an die Entwicklung des Mindestlohns gekoppelt werden soll.
Der Vorschlag lautet: Statt von 450 Euro soll statt dessen das 53fache des aktuell geltenden Mindestlohns die Rede sein. Das würde bedeuten, dass bei der geplanten Erhöhung des Mindestlohns
  • im Jahr 2019 auf 9,19 Euro die Geringfügigkeitsgrenze auf 487,07 Euro und
  • im Jahr 2020 auf 9,35 Euro die Geringfügigkeitsgrenze auf 495,55 Euro stiege.

Der Entwurf greift auch die geplante Ausweitung der Gleitzone, die dann Einstiegsbereich heißen soll, auf. Danch sollen Midijobber im Rahmen des Einstiegsbereichs zwischen 450 und 1300 Euro verdienen können. Hier lautet der Vorschlag, dass nunmehr nicht von der Obergrenze 1300 Euro gesprochen wird, sondern von dem 148fachen des aktuell geltenden Mindestlohns. Damit läge die Obergrenze der Midijobs

  • im Jahr 2019 bei 1360,12 Euro,
  • im Jahr 2020 bei 1383,80 Euro.

Mehrkosten für die Rentenversicherung

In der Vorstellung des Gesetzesentwurfes heißt es, der allgemeinen Rentenversicherung würden aufgrund der Ermittlung von Entgeltpunkten für Beschäftigte in der Gleitzone nach dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt Kosten von ca. 200 Mio. Euro jährlich entstehen.

Über den Gesetzesentwurf soll am 21.September 2018 im Bundesrat beraten werden.

Quelle: BundesratsDrucksache 419/18

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Qualifizierungschancengesetz

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat einen Referentenentwurf für das Qualifizierungschancengesetz vorgelegt, dass das Bundeskabinett am 19.September verabschieden soll.

  • In dem Paket wird die Senkung des Arbeitslosenbeitrags geregelt.
  • Zugleich soll die Weiterbildungsförderung der Bundesanstalt für Arbeit, die bisher auf Ältere und Geringqualifizierte zugeschnitten ist, für alle Beschäftigten geöffnet werden.
  • Außerdem soll das Gesetz dafür sorgen, dass kurzzeitig Beschäftigte leichter Arbeitslosengeld beziehen können. Ein Anspruch soll künftig schon dann entstehen, wenn sie innerhalb von 30 Monaten zwölf Monate sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben. Bislang betrug die sogenannte Rahmenfrist zwei Jahre.

Die Änderung bei der Rahmenfrist soll zum 1.1.2020 in Kraft treten, alles andere schon zum 1.1.2019.

Senkung des Arbeitslosenbeitrags

Der Beitragssatz zur Arbeitsförderung wird zum 1. Januar 2019 auf 2,6 Prozent gesenkt. Der Ausgleich des Haushalts der Bundesanstalt für Arbeit ist mit einer Beitragssenkung in dieser Höhe bei weiterhin positiver Wirtschaftsentwicklung auch bei einer Erweiterung der Aufgaben der BA im beschriebenen Sinne nicht gefährdet. Die gute Wirtschaftslage erlaubt eine darüberhinausgehende befristete Absenkung des Beitrags um weitere 0,1 Prozentpunkte. Dies wird durch eine gesonderte Verordnung der Bundesregierung umgesetzt, die ebenfalls zum 1. Januar 2019 in Kraft tritt und bis zum Ende des Jahres 2022 befristet ist. Übersteigt die Rücklage nach der Absenkung dauerhaft 0,65 Prozent des BIP um einen Betrag, der mehr als 0,1 Prozentpunkte des Beitragssatzes entspricht, wird von der Verordnungsermächtigung erneut Gebrauch gemacht.
Das heißt also: Der Beitrag wird auf 2,5% bis Ende 2022 gesenkt. Wenn es die wirtschaftliche Situation zulässt, bleibt es danach dabei; wenn nicht, steigt der Beitrag wieder auf 2,6%.

Quellen: Bundesministerium für Arbeit und Soziales

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Update: Zahlen und Rechenwerte für 2019

Vor etwa 10 Tagen veröffentlichten wir hier einen Beitrag unter anderem über die mutmaßlichen Sozialversicherungsbeiträge 2019. Nun ist schon wieder einiges anders.

Arbeitslosenversicherung

War bis vor kurzem noch eine Absenkung des Beitrags um 0,3 Punkte auf 2,7% die Rede, so wie es auch im Koalitionsvertrag vorgesehen war, so heißt nun in einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, dass der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ab 1.1.2019 auf 2,5% gesenkt werden kann.

Pflegeversicherung

Die jüngsten Äußerungen von Minister Spahn deuten darauf hin, dass mit einer Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,5 statt um 0,3 Punkte auf dann 3,05%, bzw. 3,3% gerechnet werden muss.

Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge bleiben damit 2019 vermutlich bei 39,75%.

Sachbezugswerte 2019

Im Entwurf der 10. Verordnung zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) werden die Sachbezüge für 2019 festgelegt. Der Bundesrat muss noch zustimmen.

Der Monatswert für Verpflegung wird ab 1.1.2019 voraussichtlich auf 251 Euro angehoben. Damit sind für Frühstück 1,77 Euro, für Mittag- oder Abendessen 3,30 Euro anzusetzen.
Der voraussichtliche Wert für Unterkunft oder Mieten soll 231 Euro betragen.

Für die Sachbezüge 2019 ist der Verbraucherpreisindex im Zeitraum von Juni 2017 bis Juni 2018 maßgeblich. Der Verbraucherpreisindex für Verpflegung ist um 2,2 Prozent gestiegen. Der Verbraucherpreisindex für Unterkunft oder Mieten stieg um 2,1 Prozent.

Quellen: Bundesministerium für Arbeit und Soziales

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Leitfaden Selbsthilfeförderung

§ 20h SGB V verpflichtet die Krankenkassen, die Selbsthilfe von Patienten zu fördern. Es ist also eine gesetzliche Aufgabe der Krankenkassen und ihrer Verbände und erfolgt auf der Grundlage der vom GKV-Spitzenverband herausgegebenen Fördergrundsätze.

Der Vorstand des GKV-Spitzenverbandes hat am Montag, 20. August 2018, den neuen Leitfaden Selbsthilfeförderung beschlossen. Die im Leitfaden zusammengefassten Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes für die Selbsthilfeförderung gemäß § 20h SGB V beschreiben den Rahmen für die Umsetzung der Selbsthilfeförderung auf verschiedenen Förderebenen (Bundes-, Landes-und Ortsebene). Sie definieren die Inhalte und Verfahren der Förderung und sollen zu einer weitgehend einheitlichen Rechtsanwendung in der Förderpraxis beitragen.

Mit der Förderung werden Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeorganisationen unterstützt, die die gesundheitliche Prävention und Rehabilitation von Versicherten zum Ziel haben. Gesundheitliche Prävention wird dabei nur im Sinne von Sekundär- und Tertiärprävention verstanden. Förderfähig sind auch Selbsthilfekontaktstellen, die in ihrer gesundheitsbezogenen Arbeit themen-, bereichs- und indikationsgruppenübergreifend tätig sind.

Für Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen stellen die Krankenkassen seit dem Jahr 2016 1,05 Euro je Versicherten zur Verfügung. Der Betrag erhöht sich in den Folgejahren entsprechend der prozentualen Veränderung der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches. (2017: 1,08 Euro; 2018: 1,11 Euro)

Die Fördermittel der GKV werden in zwei Bereichee aufgeteilt:

  1. Kassenartenübergreifende Gemeinschaftsförderung (Pauschalförderung)
    Die kassenartenübergreifende Gemeinschaftsförderung ist eine gemeinsame Förderung von Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfekontaktstellen durch die gesetzlichen Krankenkassen und ihre Verbände. Im Rahmen einer Pauschalförderung werden diese Selbsthilfestrukturen im Sinne einer Basisfinanzierung institutionell bezuschusst.
  2. Krankenkassenindividuelle Förderung (Projektförderung)
    Die krankenkassenindividuelle Förderung wird von einzelnen Krankenkassen und/oder ihren Verbänden verantwortet. Der Gesetzgeber hat den Krankenkassen die Möglichkeit eröffnet, mit der Selbsthilfe im Rahmen der Projekt förderung zu kooperieren und inhaltlich zusammenzuarbeiten. Gefördert werden zeitlich und inhaltlich begrenzte Maßnahmen.

Die Fördergrundsätze treten mit Wirkung zum 1. Januar 2019 in Kraft. Sie wurden in Zusammenarbeit mit den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene sowie unter beratender Beteiligung der Spitzenorganisationen der Selbsthilfegruppen (Paritätischer Gesamtverband, Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe) entwickelt und werden bei Bedarf angepasst und weiterentwickelt.

Quellen: GKV-Spitzenverband, Der Paritätische

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Erfahrungen mit dem Ausbau des Unterhaltsvorschusses

Ein Jahr nach der Reform des Unterhaltsvorschusses profitieren rund 300.000 Kinder und Jugendliche zusätzlich von dieser Leistung. Dies geht aus dem Bericht der Bundesregierung über die Wirkungen der Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes hervor, den das Bundeskabinett am 22. August beschlossen hat. Der Bericht wird jetzt dem Bundestag vorgelegt.

Ziele

Ziele der Reform des Unterhaltsvorschuss waren

  1. Ausweitung des Kreises der Leistungsberechtigten durch Wegfall der Höchstbezugsdauer und Aufnahme einer zusätzlichen Altersgruppe in den Kreis der Leistungsberechtigten,
  2. Verbesserung des Rückgriffs bei den Unterhaltsschuldnern und -schuldnerinnen,
  3. Vermeidung des Parallelbezug von SGB II-Leistungen einerseits und Unterhaltsvorschuss-Leistungen andererseits.

Das erste Ziel wurde erreicht. Über 300.000 Kinder zusätzlich erhalten die Leistung nach dem UVG. Da die Antragszahlen im vergangenen Jahr nach der Neuregelung drastisch gestiegen sind, waren die Unterhaltsvorschuss-Stellen zeitweilig überlastet. Normalisiert haben sich die Antragszeiten noch nicht flächendeckend.

Dies ist auch der Grund dafür, dass die Bundesregierung über das Erreichen der anderen beiden Ziele nur mitteilen kann, dass sie noch nicht umgesetzt sind. Vorrang habe die Bearbeitung der Leistungsanträge nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.

Neuregelung seit Juli 2017

Mit der Neuregelung, die am 1. Juli 2017 in Kraft trat, entfällt die bisherige Höchstbezugsdauer von 72 Monaten, außerdem wird der Kreis der Bezugsberechtigten erweitert. Bisher erlischt der Anspruch, wenn das betroffene Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet. Seit 1.7.2017 gilt eine Altersgrenze von 18 Jahren.

Allerdings gilt diese Ausweitung der Altersgrenze nicht unbeschränkt. Vielmehr kommt es mit der Gesetzesänderung zu einer Zweiteilung:

  • Bis zum 12. Lebensjahr des Kindes bleibt es bei den bisherigen Regelungen.
  • Ab Vollendung des 12. Lebensjahres erhält das Kind/der Jugendliche nur unter bestimmten Voraussetzungen Unterhaltsvorschuss; sie dürfen die Leistung nur dann beanspruchen, wenn sie nicht von Hartz IV abhängig sind (bzw. wenn es durch die UVG-Leistung nicht mehr hilfebedürftig ist) und der betreuende Elternteil ein eigenes Bruttoeinkommen von mindestens 600 Euro bezieht.

Höhe

Die Höhe des Unterhaltsvorschusses richtet sich nach dem gesetzlichen Mindestunterhalt (§ 1612a BGB: Danach beträgt der Mindestunterhalt 87% bei Kindern bis 6 Jahre, 100% bei Kindern ab 7 Jahre und 117% des Doppelten des jährlichen Kinderfreibetrags nach § 32 Abs. 6 Satz 1 Einkommenssteuergesetz, zur Zeit 2.394 EUR).

Daraus ergeben sich folgende Mindestunterhaltsbeträge:

  • Kinder, die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Altersstufe 0 bis 5 Jahre): 348 EUR, nach Abzug des Kindergeldes (194 EUR) 154 EUR,
  • Kinder, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Altersstufe 6 bis 11 Jahre): 399 EUR, nach Abzug des Kindergelds 205 EUR,
  • Kinder, die das achzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Altersstufe 12 bis 17 Jahre): 467 EUR, nach Abzug des Kindergelds 273 EUR.

Quellen: Bericht der Bundesregierung, Solex

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