Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem Grundsatzbeschluss die Rechte von Angehörigen bei der Bestellung zum rechtlichen Betreuer erheblich gestärkt. Künftig dürfen Familienmitglieder nur noch in gut begründeten Ausnahmefällen durch Berufsbetreuer ersetzt werden.
Vorrang ehrenamtlicher Betreuung
Im Zentrum des am 5. März 2025 ergangenen Beschlusses (Az.: XII ZB 260/24) steht der Fall eines Sohnes, der zum Betreuer seiner pflegebedürftigen Mutter bestellt werden wollte. Die Gerichte der Vorinstanzen hatten ihm diese Rolle jedoch verweigert und stattdessen einen externen Berufsbetreuer eingesetzt. Begründet wurde dies mit früherem Fehlverhalten des Sohnes, etwa nächtlichen Besuchen im Pflegeheim und einem übergriffig interpretierten Umgang mit der Mutter.
Der BGH hat diese Entscheidung nun aufgehoben – mit klaren Worten: Familiäre Beziehungen genießen bei der Betreuerauswahl Vorrang.
Der BGH verweist ausdrücklich auf das Zusammenspiel mehrerer gesetzlicher Vorschriften: So legt § 1816 Abs. 5 BGB fest, dass ehrenamtliche Betreuung Vorrang vor beruflicher Betreuung hat. Da Angehörige die Betreuung typischerweise unentgeltlich übernehmen, verstärkt dies ihre rechtliche Bevorzugung zusätzlich.
Diese gesetzliche Wertung reflektiert auch das Grundgesetz: Die Familie steht unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung – und dieser Schutz endet nicht bei gesundheitlicher Hilfsbedürftigkeit.
Ein Angehöriger darf laut § 1816 Abs. 3 BGB nur dann übergangen werden, wenn er nachweislich ungeeignet ist.
Geeignetheitsprüfung: Aktuelles Verhalten und Prognose ausschlaggebend
Die Karlsruher Richter übten scharfe Kritik an der vorinstanzlichen Entscheidung. Das Landgericht hatte seine Entscheidung ausschließlich auf vergangene Vorfälle gestützt – ohne dabei eine aktuelle Einschätzung des Verhaltens des Sohnes ausreichend zu würdigen. Dabei lag dem Gericht sogar eine Bescheinigung der Pflegeeinrichtung vor, in der von einer nachweislichen Verhaltensänderung die Rede war: Der Sohn habe sich an die Situation angepasst, unterstütze das Personal und kümmere sich fürsorglich um seine Mutter.
Für den BGH steht fest: Die Eignungsprüfung müsse sich an der Zukunftsfähigkeit orientieren, nicht an alten Verfehlungen. Dabei gelte der gesetzliche Vorrang der Familie als Richtschnur, nicht als Option. Nur wenn konkrete Umstände die künftige ordnungsgemäße Wahrnehmung der Betreuungspflichten (gemäß § 1821 BGB) ausschließen, könne ein Angehöriger ausgeschlossen werden.