Auch wenn eine betroffene Person mit deutscher Staatsangehörigkeit während eines laufenden Betreuungsverfahrens in ein Land außerhalb des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens zieht, bleibt ein deutsches Gericht zuständig. Das Verfahren darf nicht allein deshalb eingestellt werden, weil die betroffene Person eine Anhörung verweigert und keine zwangsweise Vorführung im Ausland möglich ist. Vielmehr muss das Gericht anhand der übrigen Erkenntnisse entscheiden, ob eine Betreuung erforderlich ist.
Der Bundesgerichtshof stellte damit mit seiner Entscheidung vom 12. Februar 2025 (XII ZB 128/24) klar: Der effektive Schutz erwachsener Personen steht im Vordergrund.
Sachverhalt
Der 1956 geborene Mann leidet an einer Psychose. Er hatte mehreren Personen, darunter seiner Ehefrau, Vorsorgevollmachten erteilt. Im Juni 2021 ordnete das Amtsgericht Fulda eine rechtliche Betreuung mit einem umfassenden Aufgabenkreis an, da es Zweifel an der Wirksamkeit und Eignung der Vollmachten gab. Nach mehreren Umzügen lebte der Mann zuletzt in einem Heim in Polen. Eine Anhörung im Ausland kam nicht zustande, da er dieser nicht zustimmte. Das Landgericht Dresden stellte daraufhin das Betreuungsverfahren ein. Dagegen legte der Verfahrenspfleger Rechtsbeschwerde ein.
So hat das Gericht entschieden
Deutsche Gerichte bleiben zuständig
Der Bundesgerichtshof erklärte, dass die deutschen Gerichte weiterhin international zuständig sind. Zwar könne nach dem Haager Erwachsenenschutzübereinkommen bei einem Umzug in einen anderen Vertragsstaat die Zuständigkeit auf das neue Land übergehen. Da Polen aber kein Vertragsstaat ist und der Betroffene deutscher Staatsangehöriger ist, ergibt sich die Zuständigkeit aus § 104 FamFG.
Deutsches Recht bleibt anwendbar
Auch nach dem Umzug ins Ausland gilt deutsches Recht. Das ergibt sich entweder direkt aus dem Haager Übereinkommen (Art. 13 ErwSÜ) oder über Art. 24 EGBGB, der bei im Inland angeordneten Fürsorgemaßnahmen deutsches Recht vorsieht. Maßgeblich sei, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der ersten gerichtlichen Entscheidung in Deutschland lebte.
Keine Einstellung des Verfahrens wegen fehlender Anhörung
Das Landgericht Dresden hatte argumentiert, ohne persönliche Anhörung sei das Verfahren nicht fortzusetzen. Der BGH wies dies zurück. Auch wenn eine Anhörung gesetzlich vorgesehen ist (§ 278 FamFG), dürfe das Gericht in Ausnahmefällen – etwa bei rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit – nach § 34 Abs. 3 FamFG entscheiden. Entscheidend sei, dass alle anderen Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden und das Gericht dennoch die Betreuungsbedürftigkeit feststellt.
Der Schutz des Betroffenen steht im Vordergrund
Die Vorinstanzen hatten festgestellt, dass der Mann nicht zu freier Willensbildung fähig sei und seine Bevollmächtigten nicht geeignet seien. Dennoch stellte das Landgericht das Verfahren ein. Das widerspricht nach Ansicht des BGH dem Ziel des Erwachsenenschutzes. Auch wenn der Betroffene keine Zusammenarbeit zeigt, kann eine Betreuung notwendig und wirksam sein, etwa zur Durchsetzung eines Aufenthaltsbestimmungsrechts, wenn der Aufenthalt im Ausland nicht seinem Willen entspricht.
Betreuerauswahl muss neu geprüft werden
Da die ursprünglich eingesetzte Betreuerin eine Fortsetzung ihrer Tätigkeit abgelehnt hat und keine gesetzliche Grundlage für eine „vorläufige Entlassung“ besteht, muss das Landgericht Dresden auch einen neuen Betreuer bestimmen.
Bundesgerichtshof vom 12. Februar 2025 (XII ZB 128/24)