Im Rahmen des Starke-Familien-Gesetz vom April 2019 wurde der Kinderzuschlag in zwei Stufen weiterentwickelt. Der monatliche Höchstbetrag des Kinderzuschlag deckt zusammen mit dem für ein erstes Kind zu zahlenden Kindergeld den steuerfrei zu stellenden monatlichen sächlichen Existenzminimum eines Kindes entsprechend dem jeweils jüngsten Existenzminimumbericht der Bundesregierung abzüglich des Anteils für Bildung und Teilhabe.
In der ersten Stufe (seit Juli 2019) mindert das zu berücksichtigendes Einkommen des Kindes (z. B. Unterhalt / Unterhaltsvorschuss) den Höchstbetrag des Kinderzuschlag nur noch um 45 Prozent statt bisher um 100 Prozent.
Ab der zweiten Stufe (1.1.2020) mindert das den elterlichen Bedarf übersteigende und zu berücksichtigende Elterneinkommen den Gesamt-Kinderzuschlag nur noch um 45 Prozent statt bis dahin um 50 Prozent. Außerdem entfällt das Überschreiten der bisherigen Höchsteinkommensgrenze (Elternbedarf plus Gesamt-Kinderzuschlag) als Ausschlusskriterium für die Kinderzuschlag-Berechtigung.
Der Kinderzuschlag wird ab 1.1.2020 über die bisherige „Abbruchkante“ (schlagartiger Einkommensverlust) hinaus gewährt und fließend gemindert.
Abschaffung der „Abbruchkante“
Streichung von § 6a Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 BKGG;
Neufassung von § 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG
Zum 1.1.2020 wird die individuelle Höchsteinkommensgrenze abgeschafft. Durch die Abschaffung der individuellen Höchsteinkommensgrenze wird der Kinderzuschlag über die bisherige Einkommensgrenze hinaus fließend gemindert. Der schlagartige Einkommensverlust wird durch ein kontinuierliches Auslaufen der Leistung bis auf 0 Euro ersetzt, um den Verlauf wie in anderen Rechtsbereichen leistungsgerecht zu gestalten. Damit soll der bisherige negative Arbeitsanreiz der Höchsteinkommensgrenze überwunden werden und der Kinderzuschlag deutlich mehr Familien erreichen.
Für Familien im Kinderzuschlag, die zusätzliches eigenes Einkommen erwirtschaften und dadurch Hilfebedürftigkeit auch ohne den Kinderzuschlag knapp vermeiden können, entfällt nach der Gesetzeslage bis Ende 2019 der Kinderzuschlag – wie auch bei Überschreiten der Höchsteinkommensgrenze – vollständig. Diese erwerbsorientierten Familien im unteren Einkommensbereich erfahren dadurch häufig erhebliche Einkommensverluste, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit ausdehnen. Durch die Aufhebung beider oberen Einkommensgrenzen, also der Höchsteinkommensgrenze und der Grenze Vermeidung von Hilfebedürftigkeit, entfällt die Abbruchkante des Kinderzuschlags.
Ab 1.1.2020 kann auch Kinderzuschlag bezogen werden, wenn ohne Kinderzuschlag der Bedarf der Familie gedeckt werden kann; in diesen Fällen steht nur ein je nach Einzelfall deutlich abgeschmolzener Betrag zu.
Erweiterte Zugangsmöglichkeit
§ 6a Abs. 1a BKGG
Der zum 1.1.2020 eingefügte § 6a Abs. 1a eröffnet eine erweiterte Zugangsmöglichkeit zum Kinderzuschlag für Personen mit Erwerbseinkommen. So besteht auch ein Anspruch auf Kinderzuschlag, wenn
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Berechtigten, die bisher kein Arbeitslosengeld II beziehen und auch keinen Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt haben, denen mit ihrem ermittelten Einkommen – inklusive Kinderzuschlag und eventuell Wohngeld –, höchstens ein Betrag von 100 Euro fehlt, um Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermeiden zu können,
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sich bei der Ermittlung des Elterneinkommens nach dem SGB II Absetzbeträge in Höhe von mindestens 100 Euro ergeben,
(Bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens aus Erwerbstätigkeit werden gemäß § 11b Abs.2 und 3 SGB II Absetz- und Freibeträge berücksichtigt, wodurch Einkommen verschont wird und ein finanzieller Spielraum – eine Art Einkommenspuffer – entsteht)
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kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II oder XII erhält oder beantragt hat.
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Die Berechtigten sollten, so die Vorgabe aus der Gesetzesbegründung an die zuständigen Behörden, sachgerecht und ausführlich über ihren Anspruch auf Kinderzuschlag beraten werden und – auch im Bescheid – auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass sie gegebenenfalls höhere Geldleistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen können oder flankierende Leistungen wie beispielsweise die Befreiung vom Rundfunkbeitrag oder andere Kostenbefreiungen. Zwar ergeben sich hier unweigerlich für die Berechtigten Entscheidungsschwierigkeiten, zumal es im Einzelfall nicht leicht zu überblicken sein wird, in welcher Höhe zum Beispiel Vorteile durch Kostenbefreiungen entfallen, wenn statt Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII Kinderzuschlag gewählt wird. Diese Schwierigkeiten sind im Hinblick darauf, dass es sich bei der Möglichkeit, statt Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII Kinderzuschlag zu beziehen, um ein zusätzliches Angebot handelt, um gerade auch Familien aus der sogenannten verdeckten Armut zu erreichen, hinzunehmen. Die getroffene Entscheidung kann für die Zukunft jederzeit wieder geändert werden.
Der erweiterte Zugang zum Kinderzuschlag wird auf drei Jahre bis zum 31. Dezember 2022 befristet eingeführt (§ 20 Abs.2 BKGG). Es ist vorgesehen, dass dem Bundestag bis zum 31.Juli 2022 auch über die Auswirkungen dieser Regelung ein Bericht vorgelegt wird.
Quelle: SOLEX
Abbildung: pixabay.com children-593313_1280.jpg