Grundgesetzänderung für Kinderrechte

Mittlerweile gibt es einen Entwurf des Justizministeriums zur Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz. Danach soll im Artikel 6 folgender Absatz 1a eingefügt werden:

Entwurf Art. 6 Abs. 1a Grundgesetz

„Jedes Kind hat das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft.
Das Wohl des Kindes ist bei allem staatlichen Handeln, das es unmittelbar in seinen Rechten betrifft, angemessen zu berücksichtigen.
Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör.“

Ergebnisse der Arbeitsgruppe

Ende Oktober legte die für die Umsetzung eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit Vertretern aus den Bereichen Justiz und Familie ihren Bericht vor. Kinder oder Jugendliche gehörten der Arbeitsgruppe übrigens nicht an.
Der Bericht enthielt mehrere Formulierungsvorschläge. Justizministerin Lambrecht entschied sich nach eigenen Worten nicht für einen der konkreten Vorschlägen entschieden, sondern Elemente der verschiedenen Varianten kombiniert.

Kritik an dem Entwurf

Die Formulierung enthält mehrere Begriffe, die Kritik auslösten. Da ist im ersten Satz der Begriff „Förderung“ der Grundrechte. Hier stellt sich die Frage, wie Grundrechte überhaupt gefördert werden können.

Im zweiten Satz geht es um den Begriff „angemessen“. Das Kindeswohl sei angemessen zu berücksichtigen. In der Kinderrechtskonvention heißt es dagegen, das Kindeswohl sei „vorrangig“ zu berücksichtigen. Damit fällt der Entwurf für das GG schon mal hinter die KRK zurück. Im Original heißt es in der KRK „a primary consideration“. Damit ist nicht eine absolute Vorrangstellung vor anderen Belangen gemeint, sondern dass Kinderrechten ein besonderes Gewicht verliehen wird.

Auch mit der Formulierung „unmittelbar in seinen Rechten“ bleibt der Entwurf deutlich hinter den völkerrechtlichen Vorgaben zurück. Dort greift das Kindeswohlprinzip immer dann, wenn eine Maßnahme Kinder betrifft. Damit richtet sich das Kindeswohlprinzip z.B. auch an den Gesetzgeber, der bei seinen Vorhaben prüfen muss, ob Kindesinteressen berührt werden und angemessene Berücksichtigung finden.

Auch bei der Mitwirkung und Beteiligung bleibt der Entwurf hinter den Erwartungen zurück. Nach dem Entwurf bleibt es bei einem Anspruch auf „rechtliches Gehör“, was aber längst im Grundgesetz verankert ist. Notwendig ist aber einen Anspruch auf „Gehör und auf Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend seinem Alter und seiner Reife“, wie es auch in einer der Formulierungen der Arbeitsgruppe hieß.

Zwei Drittel

Da für eine Grundgesetzänderung eine Zweidrittel-Mehrheit nötig ist, wird es sicher noch diverse Änderungsvorschläge für die Formulierungen geben. Zu befürchten ist allerdings, dass eine zu zaghafte Formulierung letztlich nicht mehr als Kosmetik erbringt.

Quelle: Bundesjustizministerium, FOKUS-Sozialrecht

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Sanktionen

Am 05.11.2019 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über die Verfassungsmäßigkeit der Sanktionen im SGB II entschieden. Es hat festgestellt, dass die Mitwirkungspflichten und deren Durchsetzung mithilfe von Leistungsminderungen im Grundsatz verfassungskonform sind, allerdings die in §§ 31 bis 31b SGB II verankerten Sanktionsregelungen teilweise unverhältnismäßig und nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Sanktionen wegen Verstößen gegen Meldepflichten und die besonders scharfen Sanktionen bei Jugendlichen sind nicht von dem Urteil erfasst. Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung hat das BVerfG eine verbindliche Neuregelung angeordnet.

Bisher konnten die Jobcenter bei drei aufeinanderfolgenden Pflichtverletzungen das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) um 30, dann um 60 und schließlich um 100 Prozent (Vollsanktion, inkl. Miete) kürzen. Diese Kürzungen können bei einer Ablehnung eines Arbeitsangebotes oder einer Trainingsmaßnahme vollzogen werden. Terminversäumnisse, die mit jeweils 10 Prozent sanktioniert werden, waren nicht Bestandteil der Klage. Für die unter 25-Jährigen gelten Sonderregeln. Hier gab es bereits bei der zweiten Pflichtverletzung gar kein Geld mehr vom Jobcenter, sofern diese einen eigenen Haushalt führten. Leben die unter 25-Jährigen noch im Haushalt der Eltern, so wurde zwar die Grundleistung komplett gestrichen, die Miete allerdings auf die Personen (i.d.R. die Eltern) verteilt.

Das Gericht stellte unmissverständlich klar, dass die derzeitige Sanktionspraxis zu korrigieren ist. Bis dahin gilt eine durch das Gericht angeordnete Übergangsregelung, wonach Sanktionen von über 30 Prozent nicht mehr zulässig sind. Diese Regeln gelten auch für unter 25-Jährige, obwohl sie nicht Bestandteil der Klage waren.

Anfang Dezember wurde ein Entwurf der fachlichen Anweisungen (Dienstanweisung der Bundesagentur für Arbeit) zu den Sanktionen bekannt, in dem versucht wurde, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerischts zu umgehen. So wurde eine 30 Prozent Sanktion zu einer 10 Prozent Sanktion für ein Meldeversäumnis addiert. Damit missachtete die BA die Vorgaben aus Karlsruhe, dass Sanktionen über 30 Prozent nicht mehr durchgeführt werden dürfen.

Nachdem die Anweisungen in der Öffentlichkeit bekannt wurden und scharf kritisiert wurden, beeilte sich Minister Heil zu versichern, dass die Anweisungen  in wesentlichen Punkten korrigiert würden.

Nun lauten die Neuregelungen in den Fachlichen Weisungen:

  • Die maßgebliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Minderungen um mehr als 30 % des Regelbedarfs für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären wird in den Fachlichen Weisungen aufgegriffen. Jetzt gilt auch beim Zusammentreffen und sich zeitlich überschneidenden Sanktionen, dass die monatliche Minderung nicht mehr als 30% betragen darf.
  • Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Härte: Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass eine Leistungsminderung nicht erfolgen soll, wenn dies im konkreten Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde und dem Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, entweder eine Härtefallregelung oder eine Ermessensregelung zu treffen. Mit den Fachlichen Weisungen wird eine Härtefallregelung eng nach dem Wortlaut der Urteilsbegründung getroffen. Bei jeder Sanktion (einschließlich solcher im Falle von Meldeversäumnissen) ist nunmehr das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte zu prüfen.
  • Nachträgliche Mitwirkung: Das BVerfG hat entschieden, dass eine Sanktion grundsätzlich enden soll, wenn die Mitwirkungspflicht nachträglich erfüllt wird. Die Fachlichen Weisungen geben nähere Hinweise zu dieser Fallkonstellation und enthalten die Vorgabe, dass eine Minderung in diesen Fällen nicht länger als ein Monat andauern soll.
  • Die getroffenen Regelungen finden grundsätzlich auch Anwendung für erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Alter von 15-25 Jahren.

Eine gesetzliche Neureglung steht noch aus. Die Diskussion, ob Sanktionen, die bewirken, dass das Existenzminimum eines Menschen nicht mehr gewährleistet ist, überhaupt mit der Menschenwürde vereinbar sind, geht weiter.

Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Paritätischer Gesamtverband, Tacheles e.V.

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Neuregelungen aus dem Hause Spahn

Im Bereich Krankenversicherung und Pflege treten zum 1.1.2020 einige Neuregelungen in Kraft

Terminservicestellen

116 117 – das ist die zentrale Rufnummer der Terminservicestellen ab Januar:

  • Täglich an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden bundesweit zur schnelleren Vermittlung von Arztterminen.
  • In Akutfällen werden Patienten auch während der Sprechstundenzeiten an Arztpraxen oder Notfallambulanzen oder auch an Krankenhäuser vermittelt.

Finanzierung von Pflegepersonalkosten

  • Die Personalkosten für die Pflege am Bett jedes einzelnen Krankenhauses wird  ermittelt und sind von den Kostenträgern zu finanzieren. Krankenhäuser und Kostenträger vor Ort vereinbaren die Pflegepersonalausstattung auf bettenführenden Stationen als krankenhausindividuelle Kostenerstattung (Pflegebudgets). Die Fallpauschalen werden um diese Pflegepersonalkosten bereinigt.
  • Rund 120 Krankenhäuser in dünn besiedelten Regionen erhalten einen zusätzlichen jährlichen Zuschuss von 400.000 Euro.
  • Um in pflegesensitiven Krankenhausbereichen eine Mindestausstattung mit Pflegepersonal sicherzustellen, werden seit 2019 schrittweise Pflegepersonaluntergrenzen eingeführt. Für die Bereiche Neurologie, neurologische Frührehabilitation, Schlaganfalleinheit und Herzchirurgie werden die Mindestgrenzen per Verordnung neu festgelegt.
  • Die Kosten für Leiharbeit werden nur noch bis zur Höhe des Tariflohns vergütet. Auch Vermittlungsprovisionen für Leihpersonal werden nach den mit dem MDK-Reformgesetz umgesetzten Regelungen nicht finanziert.

Reform der Pflegeberufe

  • Die Ausbildungen in der Kranken-, Alten und Kinderpflege sollen attraktiver werden. Die Ausbildung soll an die fachlich gestiegenen Anforderungen angepasst werden.
  • Alle Auszubildenden erhalten zunächst zwei Jahre lang eine gemeinsame, generalistisch ausgerichtete Ausbildung.
  • Auszubildende, die im dritten Jahr die generalistische Ausbildung fortsetzen, erwerben den Berufsabschluss „Pflegefachfrau“ bzw. „Pflegefachmann“. Möglich ist auch ein gesonderter Abschluss in der Altenpflege- oder der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, wenn sie für das dritte Ausbildungsjahr eine entsprechende Spezialisierung wählen.
  • Eine kostenfreie Ausbildung wird gewährleistet: Auszubildende haben Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung. Lehr- und Lernmittel werden finanziert, Schulgeld darf nicht erhoben werden.

Apps auf Rezept

  • Apps für Menschen mit Bluthochdruck oder digitale Tagebücher für Diabetiker oder ähnliches können Ärzte und Ärztinnen per Rezept verschreiben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüft Sicherheit, Funktion, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit der Produkte.
  • Die Krankenkassen können ihren Versicherten Angebote zur Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz machen. Versicherte können sich damit im Umgang etwa mit Gesundheits-Apps oder der elektronischen Patientenakte schulen lassen.
  • Ärztinnen und Ärzte dürfen auf ihrer Internetseite über ihre Videosprechstunden informieren.
  • Ein freiwilliger Beitritt zu einer gesetzlichen Krankenkasse kann elektronisch erfolgen.
  • Vor einem Krankenhausaufenthalt können Versicherte Wahlleistungen elektronisch vereinbaren. Für weitere Leistungen wie Heil- und Hilfsmittel oder häusliche Krankenpflege kann die elektronische Verordnung erprobt werden.
  • Damit der Wissenschaft in einem geschützten Raum aktuelle Daten für neue Erkenntnisse zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen, fassen die Krankenkassen Abrechnungsdaten pseudonymisiert zusammen. Die Daten können der Forschung in Form von anonymisierten Ergebnissen zugänglich gemacht werden.
  • Patienten sollen schnell von innovativen Versorgungsansätzen profitieren. Darum wird der Innovationsfonds bis 2024 mit 200 Millionen Euro jährlich verlängert.

MDK-Reformgesetz

Die Medizinischen Dienste werden organisatorisch von den Krankenkassen gelöst und werden zu eigenständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts. Dies soll die Unabhängigkeit gewährleisten.

Implantateregister

Menschen mit Implantaten sollen schnell über mögliche Risiken oder Komplikationen mit dem jeweiligen Produkt informiert werden können.

Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)

Er soll die Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in zwei statt bisher drei Jahren abschließen.

Studentische Krankenversicherung

Hier wird die bisherige Begrenzung bis zum 14. Fachsemester mit dem MDK-Reformgesetz gestrichen.

Hebammenausbildung

Hebammen werden in Zukunft in einer hochschulischen Ausbildung mit hohem Praxisanteil ausgebildet Das duales Studium wird mit einer staatlichen Prüfung und einem Bachelor abgeschlossen. Das Gesetz zur Reform der Hebammenausbildung sieht eine Vergütung der Studierenden während der gesamten Dauer des Studiums vor.

Notfallsanitäter

Im Notfallsanitätergesetz wird die Frist, in der sich Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten zur Notfallsanitäterin oder zum Notfallsanitäter weiterqualifizieren können, um drei Jahre bis 2023 verlängert.

Kinder- und Jugendärzte

Jährlich müssen mindestens 250 angehende Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten Plätze in der Förderung der Weiterbildung in der ambulanten fachärztlichen Versorgung aufgenommen werden.

Apotheken

  • Der Festzuschlagfür den Not- und Nachtdienst in den Apotheken steigt.
  • Für Betäubungsmittel und andere dokumentationsaufwändige Arzneimittel erhalten Apotheken einen höheren Zuschlag.

Betriebsrenten

Pflichtversicherte Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner werden bei den Krankenkassenbeiträgen entlastet: Betriebsrenten bis 159 Euro im Monat bleiben frei von Krankenkassenbeiträgen. Erst bei Überschreiten des Freibetrags sind künftig Beiträge zu zahlen. Im Ergebnis zahlen Betriebsrentner mit Beträgen bis 318 Euro im Monat damit maximal die Hälfte der bisherigen Krankenkassenbeiträge. Auch Bezieher höherer Betriebsrenten und von Einmalzahlungen werden entlastet.

Gesundheitliche Selbsthilfe

Organisationen der gesundheitlichen Selbsthilfe erhalten eine höhere Förderung durch die Krankenkassen.

Die Krankenkassen sind verpflichtet, in der gesundheitlichen Selbsthilfe verstärkt digitale Anwendungen (z.B. Internetforen) zu fördern.

Zusatzbeitrag

Der durchschnittliche ausgabendeckende Zusatzbeitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung wird um 0,2 Prozentpunkte auf 1,1 Prozent angehoben. Das hat das BMG im Bundesanzeiger bekanntgeben. Wie hoch der individuelle Zusatzbeitragssatz tatsächlich ausfällt, legt jede Krankenkasse für ihre Mitglieder selbst fest. Allerdings dürfen Krankenkassen mit Finanzreserven von mehr als einer Monatsausgabe (dies sind aktuell deutlich mehr als die Hälfte aller Krankenkassen) ihren Zusatzbeitragssatz nicht anheben.

Quelle: BMG, FOKUS-Sozialrecht

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Bundesteilhabegesetz Reformstufe 3

Zum 01.01.2020 tritt die dritte Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) in Kraft: die Reform der Eingliederungshilfe. Die Eingliederungshilfe wird aus dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe herausgelöst und als eigenständiges Leistungsrecht in das SGB IX eingebettet. Damit einher gehen wesentliche Veränderungen, aber auch Verbesserungen für die leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen.

Kernpunkte im neuen SGB IX

  • Die Fachleistungen der Eingliederungshilfe werden in den bisherigen stationären Einrichtungen (den künftigen besonderen Wohnformen) von den existenzsichernden Leistungen der Sozialhilfe getrennt. Die Abkehr vom sog. „Komplettpaket“ erhöht die Wahlfreiheit und Selbstbestimmung der Betroffenen. Die Fachleistungen orientieren sich ab dem 01.01.2020 am individuellen Bedarf und werden unabhängig von der Wohnform erbracht.
  • Auch für die Eingliederungshilfe wird durch ein eigenes Kapitel für die Leistungen zur Teilhabe an Bildung der hohe Stellenwert der Bildung herausgestellt. Damit werden erstmals Assistenzleistungen für höhere Studienabschlüsse wie ein Masterstudium oder in bestimmten Fällen auch eine Promotion rechtssicher ermöglicht.
  • Durch eine Neustrukturierung und Konkretisierung der Leistungen zur Sozialen Teilhabe in der Eingliederungshilfe werden die Möglichkeiten einer individuellen und den persönlichen Wünschen entsprechenden Lebensplanung und -gestaltung weiter gestärkt. Eingliederungshilfebezieher profitieren so u.a. von einem neuen Leistungstatbestand, der Assistenzleistungen zur selbstbestimmten Alltagsbewältigung konkret regelt und auch die Unterstützung bei der Ausübung eines Ehrenamtes vorsieht.
  • Zudem treten weitere wesentliche Verbesserungen bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung in Kraft. Damit werden die Anreize zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung durch Menschen mit Behinderungen erhöht und eine angemessene Alterssicherung ermöglicht. Die Anrechnung des Partnereinkommens und -vermögens entfällt sogar vollständig.

Das „Reparatur-Gesetz“

Gleichzeitig mit der dritten Reformstufe des BTHG tritt zum 01.01.2020 das „Gesetz zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften“ in Kraft. Dieses Gesetz enthält klarstellende Regelungen bezüglich der Trennung der Leistungen in den bisherigen stationären Einrichtungen sowie weitere für eine reibungslose Umsetzung der Reformstufe notwendige redaktionelle Änderungen. Zudem wird ein Finanzierungsproblem gelöst, das durch die Systemumstellung in der Eingliederungshilfe einmalig entsteht: Innerhalb des ersten Quartals 2020 wird einmalig auf die Anrechnung der Rentenversicherungsleistungen für Menschen, die bis zu diesem Zeitpunkt in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben, verzichtet.

Angehörigen-Entlastungsgesetz

Auch das Angehörigen-Entlastungsgesetz bringt Ergänzungen in der Eingliederungshilfe, bzw. im SGB IX.

  • Die Weiterfinanzierung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) wird dauerhaft gesichert.
  • Es wird ein Budget für Ausbildung als (weitere) Alternative zu den Werkstätten für behinderte Menschen eingeführt. Damit werden die Chancen für Menschen mit Behinderungen verbessert, eine berufliche Ausbildung auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt absolvieren zu können.
  • In der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wird nunmehr auch gesetzlich klargestellt, dass Menschen mit Behinderungen auch im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen leistungsberechtigt sind.
  • Es wird in Bezug auf die Kosten einer als notwendig festgestellten Arbeitsassistenz klargestellt, dass es kein Ermessen bezüglich des Umfangs der Kostenübernahme gibt.

Ausblick

In den nächsten Jahren wird sich herausstellen, an welchen Stellen es in der Eingliederungshilfe hakt und wo nachgebessert werden muss. Die Diskussionen werden nicht abreißen.
Die Umstellungen – vor allem bei der Trennung der Leistungen – waren für alle Beteiligten, gerade auch für die Leistungsberechtigten, ihre Angehörigen und Gesetzlichen Vertreter ein enormer Kraftakt;  vielfach ist der Umstellungsprozess auch noch längst nicht beendet.

Für 2023 ist geplant, endgültig den Personenkreis zu definieren, der in der Eingliederungshilfe leistungsberechtigt ist (§ 99 SGB IX). Bis dahin gilt weiter der § 53 Absatz 1 und 2 des Zwölften Buches und die §§ 1 bis 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung.

Quelle: FOKUS-Sozialrecht, BMAS, Thomas Knoche: Bundesteilhabegesetz Reformstufe 3


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Neu 1.1.2020

Hier eine kurze Zusammenfassung der Neuerungen zum 1. Januar 2020

Beiträge zu den Sozialversicherungen

  • Der Beitrag zur Arbeistlosenversicherung fällt von 2,5% auf 2,4%.
  • Der durchschnittliche Zusatzbeitrag in der Krankenversicherung steigt von 0.9% auf 1,1%.
  • Alle anderen Beiträge bleiben konstant. Alle Zahlen finden Sie hier.

Regelbedarfe

Die Regelbedarfssätze im SGB II und im SGB XII steigen um 1,88%.

Arbeitslosengeld

Der Zugang zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld wird erleichtert. Die Mindestversicherungszeit von zwölf Monaten muss innerhalb einer Rahmenfrist von 30 Monate (bisher 24 Monate) nachgewiesen werden.

Verlängerung des Eingliederungszuschusses für Ältere

Arbeitgeber können von den Agenturen für Arbeit und Jobcentern mit einem Eingliederungszuschuss in Höhe von bis zu 50 Prozent des Arbeitsentgelts gefördert werden, wenn sie Arbeitsuchende mit Vermittlungshemmnissen einstellen. Allgemein können die Zuschüsse längstens bis zu zwölf Monate gewährt werden, bei über 50-jährigen Arbeitsuchenden nach einer bis Ende 2019 befristeten Sonderregelung bis zu 36 Monate. Mit Wirkung vom 1. Januar 2020 wird die Sonderregelung für die älteren Arbeitsuchenden mit Vermittlungshemmnissen um vier Jahre bis Ende 2023 verlängert.

Berufsbildung

Durch das Berufsbildungsmodernisierungsgesetz wird eine Mindestausbildungsvergütung (MAV) festgeschrieben.

Danach beträgt die Mindestvergütung

  • ab 2020 im ersten Ausbildungsjahr monatlich 515 Euro.
  • ab 2021 erhöht sie sich auf 550 Euro,
  • ab 2022 auf 585 Euro und
  • ab 2023 auf 620 Euro.

Die Vergütung erhöht sich im zweiten Ausbildungsjahr dann jeweils um
18 %, im dritten Jahr um 35 % und um im vierten um 40 %.

Gesetzlicher Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn beträgt ab dem 01.01.2020 brutto 9,35 Euro

Sozialversicherungsrechengrößen

Mit der Verordnung über die Sozialversicherungsrechengrößen 2020 wurden die maßgeblichen Rechengrößen der Sozialversicherung gemäß der Einkommensentwicklung angepasst. Im wesentlichen handelt es sich hierbei um die Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung, um die Bezugsgröße, um die Sachbezugswerte. Alle Zahlen finden Sie hier.

Angehörigen-Entlastungsgesetz

Es werden unterhaltsverpflichtete Eltern und Kinder von Menschen, die Leistungen der Hilfe zur Pflege oder andere Leistungen der Sozialhilfe erhalten, entlastet: Auf ihr Einkommen wird zukünftig erst ab einem Jahresbetrag von mehr als 100.000 Euro zurückgegriffen. Eine Ausnahme bilden nur unterhaltsverpflichtete Eltern minderjähriger Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher, die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII erhalten. In der Eingliederungshilfe wird der Kostenbeitrag, den unterhaltsverpflichtete Eltern für ihre volljährigen leistungsberechtigten Kinder aufbringen müssen, sogar unabhängig vom Einkommen vollständig entfallen.

Das Angehörigen-Entlastungsgesetz enthält weitere Änderungen, die das Bundesteilhabegesetz betreffen. Die Zusammenfassung der durch das BTHG zum 1.1.2020 gültigen Regelungen gibt es in einem gesonderten Beitrag.

Wohngeld

Zu Jahresbeginn tritt die Reform des Wohngeldes in Kraft.

  • Schwerpunkt der Reform ist die Anhebung des Leistungsniveaus des Wohngeldes, unter anderem mit einer Anpassung der Parameter der Wohngeldformel.
  • Es wird eine neue Mietenstufe VII eingeführt, um Haushalten in Gemeinden (ab 10.000 Einwohnern) und Kreisen (mit Gemeinden unter 10.000 Einwohnern und gemeindefreien Gebieten) mit besonders hohen Mietniveaus gezielter bei den Wohnlosten zu entlasten.
  • Miethöchstbeträge werden regional gestaffelt angehoben, um der regional unterschiedlichen Mietenentwicklung gerecht zu warden.
  • Das Wohngeld soll dynamisiert werden. Es soll alle zwei Jahre an die Miet- und Einkommensentwicklung angepasst werden. Die erste Fortschreibung ist für den 1.Januar 2022 vorgesehen

SGB XIV

Das neue Buch SGB XIV ist im Bundesgesetzblatt erschienen und hat damit Gesetzeskraft. Es regelt das Soziale Entschädigungsrecht und löst das Bundesversorgungsgesetz (BVG) und das Opferentschädigungsgesetz (OEG) ab. Wirksam wird es aber in wesentlichen Teilen erst ab 2024. Ab 1.1.2020 ergeben sich aber folgende Neuerungen:

  • Rückwirkend zum 1. Juli 2018 werden für Leistungsberechtigte nach dem Bundesversorgungsgesetz, das unter anderem für Gewaltopfer einschließlich Terroropfer gilt, die Waisenrenten und das Bestattungsgeld bei schädigungsbedingtem Tod erhöht und die Leistungen für Überführungskosten verbessert.
  • Auch das Opferentschädigungsgesetz selbst wird rückwirkend zum 1. Juli 2018 geändert. Dadurch erhalten sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltende Ausländerinnen und Ausländer, die Opfer einer Gewalttat werden, die gleichen Entschädigungsleistungen wie deutsche Gewaltopfer.
  • Zum 1. Januar 2020 wird das Bundesversicherungsamt in Bundesamt für Soziale Sicherung umbenannt. Durch die Namensänderung kommt die stetige Weiterentwicklung von einer Aufsichts- zu einer vielschichtigen Verwaltungs- und Finanzbehörde im Rechtskreis der Sozialversicherung zum Ausdruck.

Quellen: FOKUS-Sozialrecht, BMAS

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Düsseldorfer Tabelle 2020

Die Düsseldorfer Tabelle enthält Leitlinien für den Unterhaltsbedarf von Unterhaltsberechtigten i.S.d. § 1610 BGB . Sie beruht auf Koordinierungsgesprächen zwischen Richterinnen und Richtern der Familiensenate der Oberlandesgerichte Düsseldorf, Köln, Hamm, der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages e.V. sowie einer Umfrage bei den übrigen Oberlandesgerichten. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf herausgegebene Tabelle gibt seit 1962 einheitliche Richtwerte für die Berechnung des Familienunterhalts vor. Die Düsseldorfer Tabelle selbst hat keine Gesetzeskraft.

Die Bedarfssätze für minderjährige Kinder der ersten Einkommensgruppe der Tabelle werden jedes Jahr an die Vorgaben der Mindestunterhaltsverordnung angepasst.

Die komplette Düsseldorfer Tabelle 2020 finden Sie hier.

2020 beträgt der Mindestunterhalt

  • in der ersten Altersstufe (bis Vollendung des sechsten Lebensjahres) 369 EUR
  • in der zweiten Altersstufe (vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs) 424 EUR
  • in der dritten Altersstufe (vom 13. Lebensjahr an) 497 EUR

Diese der Entscheidung des Gesetzgebers folgende Erhöhung des Mindestunterhalts führt zugleich zu einer Änderung der Bedarfssätze der 2. bis 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle. Sie werden wie in der Vergangenheit ab der 2. bis 5. Gruppe um jeweils 5 Prozent und in den folgenden Gruppen um jeweils 8 Prozent des Mindestunterhalts angehoben.

Auch die Bedarfssätze volljähriger Kinder, die in 2018 und in 2019 unverändert blieben, werden zum 01.01.2020 angehoben. Sie betragen 125 Prozent des Bedarfs der 2. Altersstufe.

Die Einkommensgruppen, die zuletzt zum 01.01.2018 erhöht wurden, bleiben unverändert.

Bedarf von Studierenden

In Anlehnung an den zum 01.08.2019 gestiegenen Höchstsatz nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz steigt der Bedarf eines Studierenden, der nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, von bisher 735 EUR auf 860 EUR (einschließlich 375 EUR an Warmmiete).

Auf den Bedarf des Kindes ist nach § 1612b BGB das Kindergeld anzurechnen. Dieses beträgt seit dem 1. Juli 2019:

  • für ein erstes und zweites Kind 204 EUR,
  • für ein drittes Kind 210 EUR und
  • ab dem vierten Kind 235 EUR.

Das Kindergeld ist bei minderjährigen Kindern in der Regel zur Hälfte und bei volljährigen Kindern in vollem Umfang auf den Barunterhaltsbedarf anzurechnen. Die sich nach Abzug des Kindergeldanteils ergebenden Beträge sind in den im Anhang der Tabelle beigefügten „Zahlbetragstabellen“ aufgelistet.

Selbstbehalte

Erstmals seit 2015 ändern sich die sogenannten Selbstbehalte. Diese Selbstbehalte bilden den dem Unterhaltspflichtigen mindestens zu belassenden Betrag ab. Gegenüber den Ansprüchen minderjähriger Kinder und volljähriger unverheirateter Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, beträgt der notwendige Selbstbehalt

  • des nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 960 EUR und
  • des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1.160 EUR

statt bislang 880 EUR bzw. 1.080 EUR. Der notwendige Selbstbehalt beinhaltet

  • Wohnkosten (Warmmiete) von 430 EUR.

Der Selbstbehalt kann erhöht werden, wenn die Wohnkosten diesen Betrag überschreiten und nicht unangemessen sind. Sofern nicht der Mindestbedarf des unterhaltsberechtigten Kindes betroffen ist, beträgt

  • der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende Eigenbedarf mindestens 1.400 EUR

statt bisher 1.300 EUR.

Gegenüber Ansprüchen auf Ehegattenunterhalt bzw. Unterhaltsansprüchen der Mutter oder des Vaters eines nicht ehelichen Kindes beträgt der Eigenbedarf

  • des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ab dem 01.01.2020 1.280 EUR und
  • des nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1.180 EUR.

Die Unterscheidung zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen erfolgt in Anlehnung an den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Oktober 2019 (Aktenzeichen XII ZB 341/17).

Der Selbstbehalt gegenüber Unterhaltsansprüchen von Eltern steigt zum 01.01.2020 von bisher 1.800 EUR auf 2.000 EUR. Auswirkungen des sogenannten Angehörigenentlastungsgesesetzes sind noch nicht berücksichtigt.

Die nächste Änderung der Düsseldorfer Tabelle wird voraussichtlich zum 1. Januar 2021 erfolgen. Nach der Mindestunterhaltsverordnung vom 12. September 2019

beträgt der Mindestunterhalt 2021

  • in der ersten Altersstufe (bis Vollendung des sechsten Lebensjahres) 387 EUR
  • in der zweiten Altersstufe (vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs) 434 EUR
  • in der dritten Altersstufe (vom 13. Lebensjahr an) 508 EUR

Quelle: Oberlandesgericht Düsseldorf

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Kinder- und Jugendstärkungsgesetz

Seit 2016 arbeitet das Familienministerium an einer Reform der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII). Schon der erste Entwurf scheiterte an der massiven Kritik, unter anderem von Fachverbänden, die vor der Auflösung der individuellen Rechtsansprüche und Auflösung der Finanzierungsstrukturen warnten.

Im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode haben CDU/CSU und SPD vereinbart, die Kinder- und Jugendhilfe weiterzuentwickeln und dabei insbesondere den Kinderschutz und die Unterstützung von Familien zu verbessern.

Langwieriger Prozess

Im April 2017 wurde ein Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen“ vorgelegt. Aufgrund anhaltender Kritik wurde der Entwurf jedoch von der Tagesordnung im Bundesrat genommen. Unter anderem wurde die Einschränkung der Jugendhilfe bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge scharf kritisiert.

Nach vielen Expertisen und Stellungnahmen, z.B. vom Deutschen Sozialgerichtstag e.V. (DSGT) wurde im November 2018 vom Familienministerium der Dialogprozess „Mitreden & Mitgestalten“ zur Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe gestartet. Auf der Plattform www.mitreden-mitgestalten.de wurde fortlaufend über den Dialogprozess informiert, die Fachöffentlichkeit konnte sich am Dialog beteiligen.

Am 10. Dezember hat Bundesjugendministerin Dr. Franziska Giffey in Berlin bei einer Fachkonferenz mit 230 Expertinnen und Experten den Abschlussbericht entgegengenommen und gemeinsam mit Caren Marks, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesjugendministerin, erste Ergebnisse ausgewertet. Damit kann ein neues Kinder- und Jugendstärkungsgesetz erarbeitet werden, das die Bundesjugendministerin im Frühjahr 2020 vorlegen wird.

Ziele der Reform

Als wichtigste Ziele bei der Erarbeitung des neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes wurden genannt:

  1. Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien
  2. Besserer Kinder- und Jugendschutz
  3. Stärkung von Pflege- und Heimkindern
  4. Mehr Prävention vor Ort
  5. Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen

Weitere Zielsetzungen sind unter anderem:

  • unabhängige Ombudsstellen sollen gesetzlich verankert werden,
  • die Heimaufsicht soll wirkungsvoller werden,
  • die Kostenbeteiligung von Pflege- und Heimkindern soll von 75 auf 25 Prozent reduziert werden,
  • Schaffung von Rechtssicherheit für die Präventionsarbeit,
  • inklusive Kinder- und Jugendhilfe: Hilfen aus einer Hand bei der Unterstützung Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen

Zielgruppe

In Deutschland leben 21,9 Millionen Menschen zwischen 0-27 Jahren. Zielgruppe des Gesetzes sind rund 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche in dieser Altersgruppe, die zusätzlichen Unterstützungsbedarf haben:

  • 1,1 Million Kinder und Jugendliche in Deutschland wachsen unter schwierigen sozialen Umständen auf und sind darauf angewiesen, dass staatliche Stellen sie und ihre Familien unterstützen. Das gilt zum Beispiel für Kinder, die in Heimen groß werden oder für Kinder, deren Eltern nicht so für sie sorgen können, wie es nötig wäre, so dass das Jugendamt bei der Erziehung Unterstützung gibt.
  • 360.000 Kinder und Jugendliche haben eine seelische, geistige oder körperliche Behinderung. Bisher sind nur die rund 100.000 Kinder mit einer seelischen Behinderung durch das Kinder- und Jugendhilferecht erfasst. Die ca. 260.000 Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung sind bisher nicht durch das Kinder- und Jugendhilferecht erfasst, sondern nur in der so genannten „Behindertenhilfe“.
  • 31.000 junge Menschen werden im Zuge ihres 18. Geburtstags als sogenannte „Careleaver“ aus der Kinder- und Jugendhilfe entlassen, einige brauchen aber weiterhin Betreuung und Unterstützung.

Quellen: Familienminiesterium, mitreden-mitgestalten, FOKUS-Sozialrecht

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Anrechnung von Umsatzsteuer für Verpflegungsleistungen

Zum 1.1.2020 wird mit dem Bundesteilhabegesetz die Eingliederungshilfe aus dem SGB XII herausgelöst und als Teil 2 in das SGB IX eingefügt. Damit verbunden ist die Trennung von fachlichen Leistungen der Eingliederungshilfe und den existenzsichernden Leistungen.

Auch Menschen mit Behinderungen in besonderen Wohnformen (bis 31.12.2019 stationären Einrichtungen, Wohnheimen) müssen dann die Kosten für den Warenwert ihrer Verpflegung aus eigenen Einkünften bezahlen, wenn diese nicht ausreichen, aus der Grundsicherung oder der Hilfe zum Lebensunterhalt.

Einkauf und Zubereitung von Gemeinschaftsverpflegung müssen den Leistungsnehmern allerdings mit 19 % Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden. Dies ergebe sich, so das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in einem Schreiben vom 12. April 2019, aus der Trennung von Fach- und existenzsichernden Leistungen. Eine generelle Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchstabe h UStG sei nicht mehr möglich.

Wegen der Kritik, das dies eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstelle, haben die zuständigen Ministerien, das BMAS, das Bundesministerium für Finanzen (BMF) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) nun reagiert – in einem Schreiben an die Bundesländer am 22.11.2019.

Danach ergeben sich folgende Möglichkeiten:

  • WBVG-Verträge könnten künftig umsatzsteuerrechtlich als Verträge besonderer Art angesehen werden und dementsprechend unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchstabe h UStG fallen.
  • Leistet ein Leistungerbringer auf Grundlage getrennter Verträge auch Verpflegungsleistungen, könnten die erzielten Umsätze als mit einer Einrichtung zur Pflege oder Betreuung eng verbundene Umsätze i.S. des § 4 Nr. 16 UStG gewertet werden und wären damit ebenfalls umsatzsteuerfrei.

Voraussetzung dafür sei es aber, dass das Entgelt für Verpflegung nur den reinen Wareneinsatz enthält, während die Kosten für die Zubereitung der Speisen den Pflege- und Betreuungsleistungen zugeordnet sind und damit genau wie andere Assistenzleistungen bei der Verpflegung, also etwa bei der Zubereitung der Mahlzeiten, Hilfen bei der Nahrungsaufnahme oder Unterstützung beim Einkauf, als Fachleistung vom Träger der Eingliederungshilfe finanziert werden.

Dies alles müsse aber noch mit den Finanzbehörden der Länder abgestimmt werden. Sollte diese ABstimmung erst nach dem Jahreswechsel abgeschlossen sein, erwäge das BMF eine Nichtbeanstandungsregelung, um Rechtssicherheit für Leistungserbringer und -berechtigte zu gewährleisten.

Quellen:  BMAS, umsetzungsbegleitung-bthg.de, FOKUS-Sozialrecht


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Unterhaltsrückgriff entfällt

Eine Gesetzesänderung im Angehörigen-Entlastungsgesetz sorgt dafür, dass der sogenannte Unterhaltsrückgriff in Zukunft entfällt. Ersatzlos gestrichen wird § 138 Absatz 4 SGB IX. Eltern einer volljährigen leistungsberechtigten Person müssen danach bisher einen Beitrag in Höhe von monatlich 32,08 EUR aufbringen. Der Beitrag wurde an Kindergelderhöhungen angepasst werden und  nur dann berücksichtigt, wenn die verpflichteten Personen dazu finanziell in der Lage waren.

Der Beitrag orientiert sich an dem bisherigen – begrenzten – Unterhaltsbeitrag von Eltern volljähriger Kinder zu Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 94 Absatz 2 des Zwölften Buches. Dieser Unterhaltsbeitrag wurde mit Herauslösung der reformierten Eingliederungshilfe aus dem Zwölften Buch als Beitrag in das Neunte Buch übernommen. Zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen müsste die mit diesem Gesetz vorgesehene Entlastung Unterhaltsverpflichteter mit einem Jahresbruttoeinkommen von jeweils bis zu 100 000 Euro in der Sozialhilfe (§ 94 Absatz 1a des Zwölften Buches) auch für den Beitrag nach § 138 Absatz 4 gelten. Ansonsten wären Eltern behinderter Kinder gegenüber unterhaltsverpflichteten Eltern nach dem Zwölften Buch durch die mit dem BTHG erfolgte Herauslösung der Eingliederungshilfe aus dem Zwölften Buch schlechter gestellt. Aufgrund der nur sehr geringen Fallzahlen von betroffenen Eltern, die über ein Jahreseinkommen über 100 000 Euro verfügen und aufgrund der Tatsache, dass die Eingliederungshilfe ab 2020 eben nicht mehr Teil der Sozialhilfe, sondern Teil eines insoweit Besserstellungen rechtfertigenden, eigenen Leistungssystems ist, wird der auf monatlich 32,08 Euro (Stand 2016) begrenzte Beitrag zu Leistungen der Eingliederungshilfe auch für Eltern von Volljährigen gestrichen, deren Jahresbruttoeinkommen jeweils mehr als 100 000 Euro beträgt. Dabei wird insbesondere auch dem unverhältnismäßig hohem Verwaltungsaufwand Rechnung getragen, der durch die begrenzte Heranziehung der geringen Anzahl der davon betroffenen Eltern entstehen würde.

Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz die schon für das Vierte Kapitel SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) geltende Einkommensgrenze von 100.000 Euro für unterhaltspflichtige Angehörige auf das gesamte SGB XII ausgweitet wird. Gleiches soll ebenfalls für Eltern von behinderten, erwachsenen Kindern, die Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten nach dem neuen SGB IX (bisher 6. Kapitel SGB XII) ergeben, da es sonst eine Ungleichbehandlung gäbe.

Quelle: Bundestag, Drucksache 19/13399

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Wohngeld

Die Reform des Wohngelds ist am 5.12.2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und damit rechtskräftig.

Wohngipfel 2018

Bund und Länder haben auf dem Wohngipfel am 21.09.2018 eine Verbesserung des Wohngeldes zum 1. Januar 2020 vereinbart. Damit soll die Reichweite und das Leistungsniveau des Wohngeldes gestärkt warden. Dazu planen Bund und Länder 2020 Mehrausgaben in Höhe von 1,2 Milliarden Euro ein.

Reform 2016

Bei der letzten Wohngeldferorm, 2016, wurde festgelegt, dass die Höchstbeträge für Miete und Belastung, die Mietenstufen und die Höhe des Wohngeldes alle zwei Jahre zu überprüfen sind.

Die Überprüfung ergab einen Anstieg der Mieten bis Ende 2019 um etwa 9 Prozent; die Lebenshaltungskosten stiegen im gleichen Zeitraum nur um etwa 6 Prozent. Damit sinkt der reale Wert des ausgezahlten Wohngeldbetrags. Gleichzeitig führen Einkommens­anstiege, die nur die Inflation ausgleichen, zu einer Verminderung oder zum Verlust des Wohngeldanspruchs.

Bei vielen Haushalten reicht das Einkommen bald trotz Wohngeld (und gegebenenfalls Kinderzuschlag) nicht mehr aus, um den Lebens­unterhalt selbst zu decken. Da das Wohngeld nicht wie die Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch jährlich angepasst wird, wechseln jedes Jahr Haushalte vom Wohngeld in die Grundsicherung. Dies alles führt dazu, dass ohne Wohngeldreform die Zahl der Wohngeldempfängehaushalte von rund 630.000 Ende 2016 auf etwa 480.000 Ende 2020 absinken würde.

Reform 2020

Um dem gegenzusteuern, hat der Gesetzgeber nun eine neue Wohngeldreform vorgelegt, die ab 1. Januar 2020 gilt.

  • Schwerpunkt der Reform ist die Anhebung des Leistungsniveaus des Wohngeldes, unter anderem mit einer Anpassung der Parameter der Wohngeldformel.
  • Es wird eine neue Mietenstufe VII eingeführt, um Haushalten in Gemeinden (ab 10.000 Einwohnern) und Kreisen (mit Gemeinden unter 10.000 Einwohnern und gemeindefreien Gebieten) mit besonders hohen Mietniveaus gezielter bei den Wohnlosten zu entlasten.
  • Miethöchstbeträge werden regional gestaffelt angehoben, um der regional unterschiedlichen Mietenentwicklung gerecht zu warden.
  • Das Wohngeld soll dynamisiert werden. Es soll alle zwei Jahre an die Miet- und Einkommensentwicklung angepasst werden. Die erste Fortschreibung ist für den 1.Januar 2022 vorgesehen.

Klimakomponente?

Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zur neuen Wohngeldreform wurde vielfach das Fehlen einer Klimakomponente bemängelt. Sie sollte dazu dienen, Wohngeldhaushalten zu ermöglichen, Wohnungen mit höheren Energiestandards anzumieten bzw. ihre Wohnungen nach energetischen Sanierungen zu behalten.

Nun hat der Gesetzgeber immerhin die Einführung einer CO2-Komponente im Rahmen der CO2-Bepreisung nachgeschoben (Gesetz zur Entlastung bei den Heizkosten im Wohngeld im Kontext der CO2-Bepreisung). Damit sollen Wohngeldempfänger bei den Heizkosten entlastet werden, wenn die CO2-Bepreisung durch das Klimaschutzprogramm 2030 steigt.

Quelle: Bundesgesetzblatt, FOKUS-Sozialrecht

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