Spiegel, Focus, Zeit, FAZ berichten übereinstimmend, das Bundesarbeitsministerium plane eine Neuregelung der Rentenberechnung, so dass der schon vielfach vermutete hohe Rentenanstieg Mitte 2020 (ca. 5%) um etwa 2 % niedriger ausfalle. Dann könnte im Jahr darauf, im Jahr der Bundestagswahl der dann drohende geringe Rentenanstieg entsprechend aufgepeppelt werden.
Was zunächst wie ein Wahlkampfmanöver aussieht, entpuppt sich bei genaurem Hinsehen aber als ein Dilemma, in dem die Regierung steckt. Entweder wird sie für den Eingriff in die Rentenformel geschlten oder, wenn sie das nicht tut, muss sie sich Klagen über den niedrigen Rentenanstieg 2021 anhören. Offenbar ist ihr die Kritik in diesem Jahr lieber als im Bundestagswahljahr.
Was ist passiert?
Die Rentenformel zur Berechnung des Rentenwertes ist gestzlich festgelegt und hängt hauptsächlich von der Lohnentwicklung ab. Es gibt ein paar Faktoren, die in den letzten 20 Jahren in die Formel eingebaut wurden: Riesterfaktor, Nachhaltigkeitsfaktor, Schutzklausel. Die ersten beiden bremsen den Anstieg ein wenig, der letzte sorgt dafür, dass die Renten nicht niedriger sein dürfen als im Vorjahr, auch wenn die Löhne gesunken sind.
Das IfW (Institut für WIrtschaftsforschung) in Kiel machte darauf aufmerksam, dass durch eine Änderung der Berechnungsgrundlagen des Bundesamts für Statistik 2020 eine hohe Rentensteigerung zu erwarten sei. Im August 2019 fand nämlich in Deutschland eine turnusmäßige Generalrevision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) statt. In den VGR werden etwa alle fünf Jahre die Berechnungen grundlegend überarbeitet, zuletzt war dies 2014 der Fall. Im Rahmen der Generalrevision 2019 kam es weniger zu methodischen Änderungen, sondern es wurden insbesondere neue Datenquellen und Berechnungsmethoden berücksichtigt.
Änderung der Berechnungsgrundlagen
Im Bereich der Einkommen wurde unter anderem die Berechnung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer auf eine aktuellere Datenbasis gestellt. Demnach stellt sich das durchschnittliche Niveau der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer im Jahr 2016 höher dar als bislang ausgewiesen. Aufgrund der nun höher ausgewiesenen Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer – aber auch aufgrund des leicht abwärtsrevidierten nominalen Bruttoinlandsprodukts – ist die Lohnquote in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als bislang ausgewiesen.
Für die Anpassung der Rentenberechnug im Jahr 2020 bedeutet dies, dass die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer laut VGR des Jahres 2019 nach neuem Rechenstand denen des Jahres 2018 nach altem Rechenstand gegenübergestellt werden. Durch die jüngste Revision der VGR ergibt sich allerdings eine größere Diskrepanz. Bereits der Wert des Jahres 2018 wird nun knapp 2 Prozent höher ausgewiesen. Hinzu kommt noch der eigentliche Lohnanstieg des Jahres 2019. Die Revision übersetzt sich somit eins zu eins in eine höhere Rentenanpassung im Juli 2020. Im Folgejahr geht diese Zahl allerdings invers ein, so dass der Rentenanstieg im Juli 2021 durch die Revision der VGR um rund 2 Prozentpunkte niedriger ausfällt. Das Rentenniveau ist dann so, als hätte es keine Datenrevision in den VGR gegeben. Es richtet sich am Zuwachs der beitragspflichtigen Entgelte aus. Allerdings sind die Renten zeitweise erhöht.
Empfehlung des IfW
Das sich abzeichnende Hin und Her der Rentenanpassungen für die Jahre 2020 und 2021 ist kein Einzelfall. So wurde die Rentenanpassung zur Mitte des Jahres 2015 durch die Revision der VGR im Jahr 2014 gedämpft und die zur Mitte des Jahres 2016 entsprechend erhöht. Bei großen Revisionen kann sich das Niveau der Bruttolöhne und -gehälter durchaus um einige Prozent verändern. Im Sinne einer langfristigen und verlässlichen Finanzpolitik, die bestrebt sein sollte, möglichst geringe Schwankungen zu erzeugen, empfiehlt das IfW daher, die Rentenformel so anzupassen, dass große Schwankungen bei Änderungen der Berechnungsgrundlagen vermieden werden.
Quellen: ZEIT, IfW, Bundesamt für Statistik
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