Pflegerin hilft altem Mann aus dem Bett

Empfehlungen zur Bedarfsdeckung in der Hilfe zur Pflege (SGB XII)

Der Deutsche Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. hat Empfehlungen veröffentlicht, wie auf Grundlage des SGB XII bestehende Bedarfe von Personen ohne Pflegegrad oder im Pflegegrad 1 in der Hilfe zur Pflege ermittelt und gedeckt werden können und empfehlen dem Gesetzgeber zu überprüfen, ob weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.

Mit dem Dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III) werden die Regelungen im Siebten Kapitel des SGB XII (= Hilfe zur Pflege) neu strukturiert und an den seit 1. Januar 2017 geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriff angepasst. Der sozialhilferechtliche Pflegebedürftigkeitsbegriff alter Fassung war gegenüber dem seit dem 1. Januar 2017 geltenden pflegeversicherungsrechtlichen Begriff insoweit offener, als er eine flexible Öffnungsklausel für Pflegebedürftige unterhalb der formalen Schwelle zur Pflegebedürftigkeit und jenseits der üblichen Unterstützungsbedarfe enthielt. Das hat zur Folge, dass Personen, die keinen Pflegegrad erreicht haben (früher sog. „Pflegestufe 0“ in der Hilfe zur Pflege), keine Leistungen der Hilfe zur Pflege mehr erhalten. Die überwiegende Zahl an Personen, die bisher in der Pflegestufe 0 waren, profitieren jedoch von der Ausweitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes auf kognitive Einschränkungen und erhalten Pflegegrad 1 oder 2. Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 erhalten in der Hilfe zur Pflege im Wesentlichen den sog. Entlastungsbetrag nach § 66 SGB XII von bis zu 125 € monatlich.

Es gibt aber Fälle, bei denen es zu einer Finanzierungs- bzw. Versorgungslücke kommen kann, wenn bestehende Bedarfe nicht oder nicht ausreichend durch die Hilfe zur Pflege gedeckt werden können.

Bedarfe ermitteln

Der Deutsche Verein empfiehlt den Trägern der Sozialhilfe, die Bedarfsermittlung, Beratung und Hilfeplanung durch Pflegefachkräfte oder vergleichbar qualifizierte Berufsgruppen durchzuführen. Ergänzend kann es sinnvoll sein, einen kommunalen Sozialdienst einzubeziehen. Im Hinblick auf eine älter werdende Bevölkerung empfiehlt der Deutsche Verein den Kommunen, ihre sozialen Dienste einschließlich des öffentlichen Gesundheitsdienstes entsprechend zu qualifizieren und ihre Kompetenzen auszubauen.

Für Personen mit Pflegegrad 1 sind die Leistungen der Hilfe zur Pflege begrenzt, da entsprechend des neuen Begutachtungsinstruments nur von einer geringen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit auszugehen ist. Dennoch kann eine Unterstützung notwendig sein, die nicht durch die für den Pflegegrad 1 vorgesehenen Leistungen gedeckt werden kann. Gleiches gilt für die Fälle, in denen kein Pflegegrad festgestellt wurde, aber dennoch Unterstützungsbedarf besteht.

Bedarfssicherung

Zur Sicherstellung dieses Bedarfs schlägt der Deutsche Verein für die Praxis der Träger der Sozialhilfe die Prüfung folgender Anspruchsgrundlagen vor:

  • Reicht der Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 € zur Bedarfsdeckung nicht aus, können Unterstützungsleistungen bei der Haushaltsführung als Hilfe zur Weiterführung des Haushalts nach § 70 SGB XII gewährt werden.
  • Die Anwendung des § 71 SGB XII (Altenhilfe) sollte geprüft weden, um Bedarfslagen von Personen ohne Pflegegrad oder mit Pflegegrad 1 zu decken. Ziel der Altenhilfe ist die Deckung einer zusätzlichen, aus den körperlichen, seelischen oder geistigen Alterserschwernissen herrührenden Bedarfslage.
  • Auch die Regelung des § 27a Abs. 4 SGB XII kann in Frage kommen, selbst wenn die Person keinen regelmäßigen Leistungsbezug der Hilfe zum Lebensunterhalt hat. Zum Beispiel, wenn bestimmte Tätigkeiten aufgrund von Einschränkungen der Selbstständigkeit nicht eigenständig durchgeführt werden können (z.B. Putzen, Einkaufen oder die Zubereitung von Mahlzeiten).
  • Aufstockung der Krankenkassenleistung nach § 39c SGB V durch die Hilfe zur Pflege: § 39c SGB V sieht Leistungen der Krankenkasse für die Kurzzeitpflege von Personen vor, die aufgrund einer akuten schweren Krankheit, nach einem Krankenhausaufenthalt oder einer ambulanten Operation zu Hause nicht angemessen versorgt werden können, die jedoch aufgrund der Bedarfsprognose nicht dauerhaft, d.h. weniger als voraussichtlich sechs Monaten pflegebedürftig i.S.d. SGB XI sind. Die Krankenkassenleistung kann durch die Leistungen nach § 63 SGB XII aufgestockt werden, sofern zumindest eine kurzzeitige Pflegebedürftigkeit entsprechend des Pflegegrades 2 vorliegt. Der Träger der Sozialhilfe muss von sich aus tätig werden, um Pflegegrad und sozialhilferechtlichen Bedarf festzustellen.

Weitere Empfehlungen de Deutschen Vereins betreffen die möglichen Anwendung

  • der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§ 67 SGB XII) und
  • der Hilfe in sonstigen Lebenslagen (§ 73 SGB XII)

Quellen: Deutsche Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V.; Paritätischer Gesamtverband, SOLEX

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