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Klarstellung des BGH: Schonvermögensgrenze für Betreuervergütung bei 5.000 € – Erhöhungen durch das BTHG sind nicht anzuwenden

Die Eingliederungshilfe wird durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) zum 1.1.2020 aus dem SGB XII (Sozialhilfe) herausgelöst und in das SGB IX als neues eigenes Leistungsgesetz in Teil 2 integriert. Im Zuge dessen verbessern sich auch die Einkommens- und Vermögensgrenzen für Menschen mit Behinderungen. Zum 1.1.2017 wurde durch das BTHG eine bis 31.12.2019 geltende Übergangsregelung in § 60 a SGB XII geschaffen: Menschen mit Behinderungen, die Eingliederungshilfe beziehen, erhalten zusätzlich – neben dem bisherigen Schonbetrag nach § 90  Abs. 2 Nr. 9 SGB XII – einen Vermögensfreibetrag i.H.v. von bis zu 25.000 € für ihre Lebensführung und Alterssicherung.

Diese Konstruktion führte zu Unklarheiten, welcher Schonbetrag seit 1.1.2017 bei der Betreuervergütung zu berücksichtigen ist. § 1836c Ziffer 2 BGB formuliert den Einsatz des „Vermögens nach Maßgabe des § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“. Dies bedeutete bis 31.12.2016 bei der Berechnung der Mittellosigkeit im Rahmen der Vergütungsfestsetzung: geschützte Barvermögen in Höhe von 5000 Euro gem. § 1836c Nr. 2 BGB, § 5 Abs. 1, 2 VBVG 1 i.V.m. § 90  Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, § 1 der Verordnung zu § 90 Nr. 2 SGB XII.

Mit Geltung ab 1.1.2017 nahmen einige wenige Landgerichtsbezirke an, dass die der neuen Regelung des zusätzlichen Vermögensfreibetrags in § 60a SGB XII auch für die Vergütungsfestsetzung gilt, viele Bezirke dagegen nicht. Auch die Gerichte entschieden uneinheitlich.

Der Bundesgerichtshof stellte nun in seinem Beschluss vom 20.3.2019 (XII ZB 290/18) klar, dass der Vermögensfreibetrag nach § 60a SGB XII keine Anwendung findet:

„Auch wenn ein Betreuter Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen bezieht, hat er sein Vermögen für die Vergütung seines Betreuers insoweit einzusetzen, als es den allgemeinen Schonbetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von derzeit 5.000 € übersteigt. Der erhöhte Vermögensfreibetrag nach § 60 a SGB XII von bis zu 25.000 € findet dabei keine Anwendung.“ – so der Leitsatz des BGH.

Neben einer ausführlichen historischen Analyse führt der BGH insbesondere als Argument gegen eine Anwendung an, dass es sich bei der Zahlung der Betreuervergütung aus der Staatskasse nicht um eine Form der Eingliederungshilfe handele. Von daher sei bereits eine Anwendung des § 60a SGB XII – der im 6. Kapitel „Eingliederungshilfe“ verortet ist – nicht angezeigt.

Zudem wäre eine Berücksichtigung der Übergangsregel § 60a SGB XII gegenüber der Rechtslage ab 1.1.2020 eine „vorübergehende“ Besserstellung, was der Gesetzgeber sicher nicht gewollt haben kann. Der BGH argumentiert diesbezüglich wie folgt:

„(a) Durch das Bundesteilhabegesetz wird das Recht der Eingliederungshilfe mit Wirkung zum 1. Januar 2020 aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch herausgelöst und im Neunten Buch Sozialgesetzbuch Teil 2 geregelt. Dadurch sollen die mit dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch begonnenen Schritte einer Trennung von Fachleistung und von Leistungen zum Lebensunterhalt zum Ab-schluss gebracht werden. Die Eingliederungshilfe soll sich künftig auf die reinen Fachleistungen konzentrieren, während die Leistungen zum Lebensunterhalt wie bei Menschen ohne Behinderungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetz-buch oder dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erbracht werden sollen (BT-Drucks. 18/9522 S. 4). Die derzeit noch in § 92 Abs. 2 SGB XII genannten Ein-gliederungsmaßnahmen, wie die Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, werden zukünftig in § 138 Abs. 1 SGB IX geregelt sein. Für diese Leistungen wird weiterhin kein Vermögen einzusetzen sein, nachdem § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII inhaltsgleich in § 140 Abs. 3 SGB IX übernommen wird (BT-Drucks. 18/9522 S. 90 f., 303 f.).

Für alle anderen Leistungen der Eingliederungshilfe sieht der neue § 139 SGB IX eine an § 90 SGB XII angelehnte Regelung zur Vermögensanrechnung vor, wobei die Höhe des einzusetzenden Barvermögens mit mehr als 50.000 € deutlich über den Schonbetrag nach § 90 Abs. 1 [red. Anm.: gemeint ist wohl Abs. 2] Nr. 9 SGB XII hinausgeht. Der Gesetzgeber hielt diese Erhöhung für angezeigt, weil es um Menschen mit erheblicher Teilhabeeinschränkung gehe und die Regelung des § 139 SGB IX nur für Fachleistungen der Eingliederungshilfe gelte (BT-Drucks. 18/9522 S. 91, 304).

Menschen mit Behinderungen sollen also in Bezug auf alle Eingliederungsleistungen des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch, soweit sie nicht ohnehin bereits unabhängig von vorhandenem Vermögen zu erbringen sind, in den Genuss eines erhöhten Freibetrags kommen. Dagegen sollen Leistungen zum Lebensunterhalt auch künftig nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erbracht werden. Für solche Leistungen wird auch weiterhin nach Maßgabe des § 90 SGB XII – ebenso wie für die Betreuervergütung – vorhandenes Vermögen einzusetzen sein.“

Quelle: Beschluss inklusive Begründung des BGH vom 20.3.2019 (Az. XII ZB 290/18)