Hat der Betroffene in einer Patientenverfügungen seinen Willen präzise formuliert, so sind diese bindend. Konkret dargelegt werden müsse, in welchen Lebens- und Behandlungssituationen die Anordnungen in der Verfügung gelten sollen. Wie der BGH in seinem Urteil vom 14. November 2018 (Az. XII ZB 107/18) entschied, ist in diesen Fällen weder eine Einwilligung des Betreuers noch eine gerichtliche Genehmigung zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen notwendig.
Der zu entscheidende Fall
Eine Frau erlitt im 2008 einen Schlaganfall und liegt seitdem im Wachkoma. Über eine Magensonde erhält sie Flüssigkeit und künstliche Ernährung. Bereits 10 Jahre vorher hatte sie eine Patientenverfügung erstellt, in der sie bei schwerer Hirnschädigung lebensverlängernde Maßnahmen ablehnte. In gleicher Weise äußerte sie sich auch gegenüber Angehörigen, als im Bekanntenkreis die Sprache auf Wachkoma-Fällen kam.
Nach dem Schlaganfall wurde der Sohn sowie der Ehemann zu allein vertretungsberechtigten Betreuern bestellt. Beide waren sich nicht einig, wie mit der Situation umzugehen war. Der Sohn ist mit den Ärzten der Ansicht, dass die künstliche Flüssigkeitszufuhr und Ernährung eingestellt werden soll. Der Ehemann ist anderer Ansicht. Der Sohn rief daraufhin das Betreuungsgericht zur Genehmigung des Abbruchs lebensverlängernder Maßnahmen an.
Die Entscheidung des BGH
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) kommt in seinem Beschluss vom 14.11.2018 zu folgender Entscheidung:
Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme bedarf dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung (§ 1901a Abs. 1 BGB) niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Diese ist dann von Ärzten und Angehörigen zu akzeptieren und umzusetzen.
Dem Betreuer obliegt es in diesem Fall nach § 1901a Abs. 1 Satz 2 BGB also nur noch, dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen.
Eine zusätzliche Genehmigung des Patientenwunsches auch zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen durch ein Betreuungsgericht gemäß § 1904 Abs. 2 BGB ist nicht erforderlich. Denn als Ausdruck der Selbstbestimmung soll mit einer Patientenverfügung jeder selbst genau diesen Fall für sich rechtsverbindlich ohne weitere Erlaubnis von außen regeln können. Da die Betroffene im vorliegenden Fall eine ausführliche und auf ihre konkrete Lebens- und Behandlungssituation zutreffende Patientenverfügung erstellt hat, hat sie ihre Entscheidung rechtlich verbindlich für sich festgelegt – so der BGH in seiner Entscheidung.
Bei Zweifeln an der Bindungswirkung der Patientenverfügung, stellt das angerufene Gericht in solchen Fällen fest, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich sei (sog. Negativattest). Konsequenz: Keine Institution muss damit eine weitere Genehmigung oder Erlaubnis erteilen. Angehörige und Ärzte haben den Willen der Betroffenen direkt aus der Patientenverfügung heraus vollumfänglich zu respektieren.
Der BGH stellt aber noch einmal ausdrücklich fest, dass Grundvoraussetzung ist, dass in der Patientenverfügung klar geregelt ist, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen. Maßgabe hierfür ist ein durchschnittlicher Bürger, der seine Wünsche für bestimmte Lebenssituationen ausdrücklich formuliert. Allgemeine Formulierungen wie „ein würdevolles Sterben ermöglichen“ oder „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ reichen an nicht aus. Damit setzt der BGH seine Rechtsprechung der vergangenen beiden Jahren fort.
Die erforderliche Konkretisierung einer Patientenverfügung kann sich im Einzelfall bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maß- nahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln.
>> Zum Volltext des Urteils: BGH vom 14. November 2018 (Az. XII ZB 107/18)