Menschen, die unter vollständiger Betreuung stehen, sollen nach dem Willen der FDP-Fraktion nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen werden. Das geht aus einem am 3. Juli 2018 vorgelegten Gesetzentwurf „Gesetz für mehr Teilhabe im Wahlrecht“ (Drs. 19/3171) hervor, der das Bundeswahlgesetz sowie das Europawahlgesetz ändert.
Derzeit sind rund 85.000 rechtlich „Vollbetreute“ von diesem Wahlauschluss betroffen. Es handelt sich dabei um Menschen, bei denen eine endgültige Betreuung mit dem Aufgabenkreis „alle Angelegenheiten“ angeordnet ist. Nach § 13 Nummer 2 des Bundeswahlgesetzes sind sie nicht berechtigt Ihre Wahlstimme abzugeben bzw. sich wählen zu lassen. Entsprechendes läßt sich dem § 6a Europawahlgesetz entnehmen.
Bisher wird diesen Menschen aufgrund der Vollbetreuung in allen Angelegenheiten pauschal eine fehlende Einsichtsfähigkeit zugeschrieben, mit der der Wahlrechtsausschluss gerechtfertigt wird. Diese Ansicht stößt seit geraumer Zeit auf Kritik, die nun vermehrt in Deutschland zur Kenntnis genommen wird. Der UN-Fachausschuss beklagt bereits seit längerem, dass aufgrund der deutschen Regelung Art. 29 UN-Behindertenkonvention nicht umgesetzt wird. Im März 2017 hat der Europarat eine Resolution über die politischen Rechte von Menschen mit Behinderungen beschlossen, unter anderem auch, das Wahlrecht auch bei einer Betreuung in allen Angelegenheiten zu gewährleisten.
In Deutschland gibt es diverse Studien, die den Diskussionstand bzw. den Handlungsbedarf verdeutlichen (siehe z.B. den Forschungsbericht-Teilhabe zum Wahlrecht des BMAS).
Als Konsequenz aus dieser Diskussion haben bereits einige Bundesländer – Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Bremen und Brandenburg – reagiert und den Wahlausschluss für Kommunal- und Landtagswahlen geschlossen.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf „Gesetz für mehr Teilhabe im Wahlrecht“ (19/3171) macht die FPD den Vorstoß, den Wahlausschluss nun auch für die 2019 anstehende Europawahl bzw. die kommende Bundestagswahl zu streichen.
Ausgeschlossen vom Wahlrecht soll nach diesem Entwurf nur noch sein, wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt.
Wie sich die Bundesregierung zu diesem Entwurf der Opposition stellt, ist derzeit nicht bekannt. Der Entwurf wurde kurz vor der parlamentarischen Sommerpause eingebracht und wir daher erst im Herbst behandelt werden.
Geht man vom Koalitionsvertrag aus, so hätte dieser Entwurf gute Chancen durch das Gesetzgebungsverfahren zu kommen. Denn auch die Regierungsparteien streben eine Änderung des Wahlrechts an.
Im Koalitionsvertrag (Zeilen 4380 bis 4384) findet sich dazu folgende Passage:
„Unser Ziel ist ein inklusives Wahlrecht für alle. Wir werden den Wahlrechtsausschluss von Menschen, die sich durch eine Vollbetreuung unterstützen lassen, beenden.“
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