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Bundesteilhabegesetz Reformstufe 3

Zum 01.01.2020 tritt die dritte Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) in Kraft: die Reform der Eingliederungshilfe. Die Eingliederungshilfe wird aus dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe herausgelöst und als eigenständiges Leistungsrecht in das SGB IX eingebettet. Damit einher gehen wesentliche Veränderungen, aber auch Verbesserungen für die leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen.

Kernpunkte im neuen SGB IX

  • Die Fachleistungen der Eingliederungshilfe werden in den bisherigen stationären Einrichtungen (den künftigen besonderen Wohnformen) von den existenzsichernden Leistungen der Sozialhilfe getrennt. Die Abkehr vom sog. „Komplettpaket“ erhöht die Wahlfreiheit und Selbstbestimmung der Betroffenen. Die Fachleistungen orientieren sich ab dem 01.01.2020 am individuellen Bedarf und werden unabhängig von der Wohnform erbracht.
  • Auch für die Eingliederungshilfe wird durch ein eigenes Kapitel für die Leistungen zur Teilhabe an Bildung der hohe Stellenwert der Bildung herausgestellt. Damit werden erstmals Assistenzleistungen für höhere Studienabschlüsse wie ein Masterstudium oder in bestimmten Fällen auch eine Promotion rechtssicher ermöglicht.
  • Durch eine Neustrukturierung und Konkretisierung der Leistungen zur Sozialen Teilhabe in der Eingliederungshilfe werden die Möglichkeiten einer individuellen und den persönlichen Wünschen entsprechenden Lebensplanung und -gestaltung weiter gestärkt. Eingliederungshilfebezieher profitieren so u.a. von einem neuen Leistungstatbestand, der Assistenzleistungen zur selbstbestimmten Alltagsbewältigung konkret regelt und auch die Unterstützung bei der Ausübung eines Ehrenamtes vorsieht.
  • Zudem treten weitere wesentliche Verbesserungen bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung in Kraft. Damit werden die Anreize zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung durch Menschen mit Behinderungen erhöht und eine angemessene Alterssicherung ermöglicht. Die Anrechnung des Partnereinkommens und -vermögens entfällt sogar vollständig.

Das „Reparatur-Gesetz“

Gleichzeitig mit der dritten Reformstufe des BTHG tritt zum 01.01.2020 das „Gesetz zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften“ in Kraft. Dieses Gesetz enthält klarstellende Regelungen bezüglich der Trennung der Leistungen in den bisherigen stationären Einrichtungen sowie weitere für eine reibungslose Umsetzung der Reformstufe notwendige redaktionelle Änderungen. Zudem wird ein Finanzierungsproblem gelöst, das durch die Systemumstellung in der Eingliederungshilfe einmalig entsteht: Innerhalb des ersten Quartals 2020 wird einmalig auf die Anrechnung der Rentenversicherungsleistungen für Menschen, die bis zu diesem Zeitpunkt in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben, verzichtet.

Angehörigen-Entlastungsgesetz

Auch das Angehörigen-Entlastungsgesetz bringt Ergänzungen in der Eingliederungshilfe, bzw. im SGB IX.

  • Die Weiterfinanzierung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) wird dauerhaft gesichert.
  • Es wird ein Budget für Ausbildung als (weitere) Alternative zu den Werkstätten für behinderte Menschen eingeführt. Damit werden die Chancen für Menschen mit Behinderungen verbessert, eine berufliche Ausbildung auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt absolvieren zu können.
  • In der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wird nunmehr auch gesetzlich klargestellt, dass Menschen mit Behinderungen auch im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen leistungsberechtigt sind.
  • Es wird in Bezug auf die Kosten einer als notwendig festgestellten Arbeitsassistenz klargestellt, dass es kein Ermessen bezüglich des Umfangs der Kostenübernahme gibt.

Ausblick

In den nächsten Jahren wird sich herausstellen, an welchen Stellen es in der Eingliederungshilfe hakt und wo nachgebessert werden muss. Die Diskussionen werden nicht abreißen.
Die Umstellungen – vor allem bei der Trennung der Leistungen – waren für alle Beteiligten, gerade auch für die Leistungsberechtigten, ihre Angehörigen und Gesetzlichen Vertreter ein enormer Kraftakt;  vielfach ist der Umstellungsprozess auch noch längst nicht beendet.

Für 2023 ist geplant, endgültig den Personenkreis zu definieren, der in der Eingliederungshilfe leistungsberechtigt ist (§ 99 SGB IX). Bis dahin gilt weiter der § 53 Absatz 1 und 2 des Zwölften Buches und die §§ 1 bis 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung.

Quelle: FOKUS-Sozialrecht, BMAS, Thomas Knoche: Bundesteilhabegesetz Reformstufe 3


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