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Urteil zum Wohngruppenzuschlag

Urteil des LSG Essen

Das LSG Essen hat entschieden, dass eine gemeinsame Wohnung als Voraussetzung für einen Wohngruppenzuschlag i.S.v. § 38a SGB XI auch dann vorliegt, wenn die pflegebedürftigen Bewohner durch die Ausstattung der Zimmer mit jeweils eigenem Bad und eigener Kochgelegenheit weitgehend selbständig in ihren Zimmern leben können.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Menschen mit Pflegegrad 1, der ein Zimmer mit einer Einbauküche und einem separaten Badezimmer in einer Wohnung mietete, in der die anderen Zimmer ebenso ausgestattet waren. Der Streit ging um die Frage, ob es sich dabei um mehrere Einzelappartements handelte oder um eine gemeinsame Wohnung. Das Landessozialgericht entschied, dass es sich um eine Gemeinschaftswohnung handele. Sie sei ausreichend groß, verfüge über mehrere Räume, sei nach außen hin abgeschlossen und habe einen selbständigen Zugang. Der gemeinschaftliche Flur nebst Schränken, die Gästetoilette, der Hauswirtschaftsraum, die gemeinsame Küche sowie der Balkon vor dem Gemeinschaftsraum könne jederzeit von allen Bewohnern genutzt werden.

Was bedeutet Wohngruppenzuschlag?

§ 38a SGB XI besagt, dass Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen (sog. Pflege-WG), die Pflegesachleistungen oder Pflegegeld beziehen, seit 1.1.2017 einen Wohngruppenzuschlag in Höhe von 214 EUR je Monat erhalten. Die Voraussetzungen für den Wohngruppenzuschlag und die Ausgestaltung von ambulanten Wohngruppen wurde mit dem Pflegestärkungsgesetzen I und II weiterentwickelt:

Voraussetzungen

Der Pflegebedürftige hat Anspruch auf Wohngruppenzuschlag:

  • Wenn er mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung zusammenlebt.
  • Davon sind mindestens zwei weitere Personen pflegebedürftig im Sinne der §§ 14 und 15 SGB XI.
  • Von einer gemeinsamen Wohnung kann ausgegangen werden, wenn der Sanitärbereich, die Küche und, wenn vorhanden, der Aufenthaltsraum einer abgeschlossenen Wohneinheit von allen Bewohnern jederzeit allein oder gemeinsam genutzt werden. Die Wohnung muss von einem eigenen, abschließbaren Zugang vom Freien, von einem Treppenhaus oder von einem Vorraum zugänglich sein. Es handelt sich dagegen nicht um eine gemeinsame Wohnung, wenn die Bewohner jeweils in einem Apartment einer Wohnanlage oder eines Wohnhauses leben. Hinweise darüber können sich z.B. aus dem abgeschlossenen Mietvertrag, der Teilungserklärung (notarielle Differenzierung zwischen Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum) oder dem Wohnungsgrundriss ergeben – so die Abgrenzung des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen.
  • Die Bewohner müssen Pflegesachleistungen (§ 36 SGB XI), Pflegegeld (§ 37 SGB XI), Kombinationsleistungen (38 SGB XI), Angebote zur Unterstützung im Alltag (§ 45a SGB XI) oder den Entlastungsbetrag (§ 45b SGB XI) beziehen.
  • Zweck der Wohngemeinschaft ist die gemeinschaftlich organisierte pflegerische Versorgung.
  • Eine Person muss durch die Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt werden, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder hauswirtschaftliche Unterstützung zu leisten.

Präsenzkraft

In der Wohngruppe muss also mindestens eine Präsenzkraft tätig sein, die von den Mitgliedern der Wohngruppe gemeinschaftlich zur Aufgabenerbringung beauftragt werden muss. Die beauftragte Person wird in der Regel eine Vielfalt an Aufgaben in der Wohngruppe übernehmen. Es genügt jedoch, dass ihr eine der alternativ genannten Aufgaben übertragen wird. Eine Reinigungskraft oder eine Kraft, die nur hauswirtschaftliche Tätigkeiten selbst erbringt, ohne die Bewohnerinnen und Bewohner in die Tätigkeiten einzubeziehen, erfüllt nicht die Voraussetzung der „hauswirtschaftlichen Unterstützung“. Eine Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift ist keine vollständige Übernahme von Tätigkeiten, sondern setzt eine Einbeziehung des Pflegebedürftigen voraus. Eine solche Unterstützung liegt z. B. beim gemeinschaftlichen Kochen vor. Unterstützung ist die teilweise Übernahme, aber auch die Beaufsichtigung der Ausführung von Verrichtungen oder die Anleitung zu deren Selbstvornahme.

Mitarbeit der Bewohnerinnen und Bewohner

Es muss sicher gestellt sein, dass die ambulante Leistungserbringung nicht tatsächlich weitgehend den Umfang einer stationären oder teilstationären Versorgung erreicht, und somit eine Situation vermieden wird, in der ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter für die Mitglieder der Wohngruppe eine Vollversorgung anbietet. Das zentrale Merkmal einer ambulanten Versorgung ist, dass regelhaft Beiträge der Bewohnerinnen und Bewohner selbst, ihres persönlichen sozialen Umfelds oder von bürgerschaftlich Tätigen zur Versorgung notwendig bleiben.

Der Anbieter einer ambulant betreuten Wohngruppe hat die Pflegebedürftigen vor deren Einzug in die Wohngruppe in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass dieser Leistungsumfang von ihm oder einem Dritten in der Wohngruppe nicht erbracht wird, sondern die Versorgung auch durch die aktive Einbindung ihrer eigenen Ressourcen und ihres sozialen Umfeldes sichergestellt werden kann.

Neue Wohnformen

Ziel des Wohngruppenzuschlages ist es, gemeinschaftliche Pflegewohnformen außerhalb der stationären Pflegeeinrichtungen und außerhalb des klassischen „betreuten Wohnens“ leistungsrechtlich besonders zu unterstützen.
Der MDK soll im Einzelfall prüfen, ob in Wohngruppen die Inanspruchnahme der Tages‐ und Nachtpflege erforderlich ist. Nur dann, wenn durch eine Prüfung nachgewiesen ist, dass die Pflege in einer ambulant betreuten Wohngruppe ohne teilstationäre Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt werden kann, kann die Leistung in Anspruch genommen werden.

Pauschale Leistung

Der Zuschlag wird als Pauschale, aber nur zweckgebunden gewährt: Voraussetzung für die Zahlung des Zuschlages ist, dass in der Wohngruppe mindestens eine Pflegekraft organisatorische, verwaltende oder pflegerische Tätigkeiten verrichtet (Präsenzkraft). Auf einen konkreten Nachweis entstandener Kosten wird bewusst verzichtet. Das Erbringen von Nachweisen über entstandene Kosten (und damit verbundene Buchführungen) wäre zu bürokratisch und würde insbesondere selbst organisierten Wohngruppen nicht gerecht. Der Zuschlag kann zum Beispiel auch dafür genutzt werden, eine von den Pflegekassen anerkannte Einzelpflegekraft dafür zu entlohnen, dass sie – neben der über die Sachleistung bereits finanzierte Pflege- und Betreuungstätigkeit – verwaltende Tätigkeiten in der Wohngruppe übernimmt. Pflegebedürftige haben Anspruch auf einen Wohngruppenzuschlag, wenn es sich um ein organisiertes gemeinschaftliches Wohnen von regelmäßig mindestens drei Pflegebedürftigen zum Zweck der gemeinschaftlichen pflegerischen Versorgung in einer gemeinsamen Wohnung mit häuslicher pflegerischer Versorgung handelt.

Freie Wahl des Pflegedienstes

Die Bewohner von Wohngruppen haben ebenso wie auch sonst bei häuslicher Pflege selbst die Wahl zwischen verschiedenen ambulanten Pflegediensten. Die ambulanten Pflegedienste, die von den einzelnen Bewohnern der Wohngruppe für die Sicherstellung ihrer Pflege frei gewählt worden sind, unterliegen der für ambulante Pflegedienste allgemein vorgesehenen Qualitätssicherung und -prüfung sowie der Zulassung.

Quellen: Juris, SOLEX

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